Der Klinikarzt 2004; 33(8/09): XVIII-XIX
DOI: 10.1055/s-2004-834388
Recht

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Abgabebefugnis erweitert - Wen darf die Krankenhausapotheke beliefern?

Further Information

Publication History

Publication Date:
23 September 2004 (online)

 
Table of Contents

Die Liefermöglichkeiten von Arzneimitteln durch eine Krankenhausapotheke haben sich in den letzten Jahren sehr verändert. Nicht selten wird allerdings der vom Gesetzgeber eingeräumte Lieferumfang unter dem Deckmantel der Kosteneffizienz über Gebühr ausgedehnt. In der Vergangenheit durften Krankenhausapotheken nach den gesetzlichen Vorgaben des Apothekengesetzes (§ 14) nur den stationär bedingten Versorgungsbedarf des Krankenhauses abdecken. Die flächendeckende ambulante Arzneimittelversorgung der Bevölkerung war dagegen den Offizinapotheken vorbehalten.

Diese sehr eingeschränkte Versorgungsmöglichkeit beruhte auf verschiedenen gesetzlichen Privilegierungen zugunsten von Krankenhausapotheken und diente letztlich dazu, einen ungleichen Wettbewerb zwischen Krankenhaus- und Offizinapotheken zu vermeiden. Im Gegensatz zu den öffentlichen Apotheken sind Krankenhausapotheken bei der Abgabe von Arzneimitteln nämlich nicht an die gesetzlich vorgegebenen Preise und Preisspannen gebunden. Daher ist auch der Bezug von Arzneimitteln über die Krankenhausapotheke in der Regel günstiger als über Offizinapotheken. Auch die geringeren personellen und betriebswirtschaftlichen Kosten einer Krankenhausapotheke, die typischerweise nicht für den Kundenverkehr eingerichtet ist, ermöglichen den Krankenhausapotheken, die Arzneimittel preisgünstiger abzugeben.

Im Zuge der jüngsten Gesundheitsreformen wurde die bisher im deutschen Gesundheitssystem gelebte starre Trennung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung immer weiter aufgeweicht. Krankenhäuser können nun zunehmend auch an der ambulanten Behandlung der Patienten mitwirken. In logischer Konsequenz zu dieser Entwicklung wurde auch die Abgabebefugnis durch die Krankenhausapotheken erweitert.

#

Schleichende Änderung des Apothekengesetzes

Die einschlägige gesetzliche Vorschrift für die Abgabebefugnis der Krankenhausapotheken findet sich in § 14 Abs. 4 Apothekengesetz. Die Öffnung des ambulanten Bereichs für die Krankenhäuser spiegelt sich in den Ergänzungen dieser Vorschrift wider. Ursprünglich durften Arzneimittel von der Krankenhausapotheke nur abgegeben werden an

  • einzelne Stationen

  • andere Teileinheiten zur Versorgung von Personen, die im Krankenhaus vollstationär, vor- und nachstationär behandelt oder ambulant operiert werden

  • Personen, die im Krankenhaus beschäftigt sind.

Im Zuge der Novellierung des Apothekengesetzes im Jahr 2002 wurden die Belieferungsmöglichkeiten der Krankenhausapotheken erstmals auf einen sehr beschränkten Teil der ambulanten Versorgung erweitert. Jetzt ist es den Krankenhausapotheken zusätzlich gestattet, Arzneimittel auch abzugeben an

  • ermächtigte Ambulanzen des Krankenhauses, insbesondere an Polikliniken, psychiatrische Institutsambulanzen und sozialpädiatrische Zentren

  • ermächtigte Krankenhausärzte.

Doch auch diese erweiterte Abgabebefugnis erstreckt sich ausschließlich auf die Abgabe zur unmittelbaren Anwendung für den Patienten. Die Menge der zu liefernden Arzneimittel durch die Krankenhausapotheke beschränkt sich demnach auf das, was vor Ort im Krankenhaus benötigt wird. Eine Mitgabe von Arzneimitteln zur Weiterbehandlung zu Hause ist indes ausgeschlossen - mit einer Ausnahme: nämlich, wenn die Entlassung des Patienten nach stationärer oder ambulanter Behandlung im Krankenhaus unmittelbar vor einem Wochenende oder einem Feiertag erfolgt. Auch dann darf aber nur die zur Überbrückung benötigte Menge an Arzneimitteln aus den Beständen der Krankenhausapotheke mitgegeben werden.

#

Änderungen durch das GKV-Modernisierungsgesetz

Das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) erweitert seit Anfang dieses Jahres die Liefermöglichkeiten nach § 14 Abs. 4 Apothekengesetz entsprechend der Öffnung der Krankenhäuser für den ambulanten Sektor erneut. Nunmehr erstreckt sich die Abgabebefugnis der Krankenhausapotheken auch noch auf die Abgabe an Patienten im Rahmen der ambulanten Behandlung im Krankenhaus, wenn

  • das Krankenhaus wegen Unterversorgung für die ambulante vertragsärztliche Versorgung ermächtigt ist

  • die Krankenkassen oder ihre Verbände mit zugelassenen Krankenhäusern Verträge über die ambulante Erbringung spezialisierter Leistungen sowie Verträge zur Behandlung seltener Erkrankungen und Erkrankungen mit seltenen Krankheitsverläufen (Katalogleistungen) geschlossen haben

  • Krankenhäuser Leistungen erbringen, die über ihren Versorgungsauftrag zur stationären Versorgung im Rahmen und zur Förderung der integrierten Versorgung hinausgehen

  • Krankenhäuser im Rahmen der strukturierten Behandlungsprogramme (Disease-Management-Programme) auch ambulante Leistungen erbringen.

Auch in diesen Fällen dürfen die Krankenhausapotheken die Arzneimittel aber nur zur unmittelbaren Anwendung abgegeben.

#

Belieferung von Praxen auf dem Klinikgelände oder von Belegärzten?

Demnach hat sich der Aktionsradius der Krankenhausapotheke in den letzen Jahren zwar deutlich erweitert, er ist aber weiterhin abschließend geregelt. Eine über die dargestellten Fallgruppen hinausgehende Ausdehnung deckt das Gesetz daher nicht. Da die Belieferung von niedergelassenen Arztpraxen in der Regelung nicht erwähnt wird, darf die Krankenhausapotheke diese also auch nicht beliefern. Dies gilt auch für den Fall, dass sich die Arztpraxis auf dem Klinikgelände befindet. Jede andere rechtliche Beurteilung würde zu einer massiven Wettbewerbsbenachteiligung der Offizinapotheken führen, die gerade durch den engen Rahmen des § 14 Apothekengesetz vermieden werden soll. Eine Belieferung der Patienten von Belegärzten ist ebenfalls nicht vorgesehen.

Ob Praxen, die gemeinsam mit einem Krankenhaus an einem integrierten Versorgungsmodell teilnehmen, von dessen Krankenhausapotheke beliefert werden dürfen, ist derzeit noch sehr umstritten. Insbesondere die Krankenkassen vertreten (im eigenen Interesse) häufig die Auffassung, dass dies von der Regelung gedeckt sei. Dagegen spricht allerdings unter anderem eindeutig der Wortlaut des § 14 Apothekengesetz, wonach die Belieferung durch die Krankenhausapotheke nur für die Behandlung "im Krankenhaus" vorgesehen ist. Letztlich werden wohl die Gerichte diese Frage entscheiden müssen.

#

Auftragsherstellung für Zytostatikazubereitungen

Aus dem abschließenden Charakter des § 14 Abs. 4 Apothekengesetz ergibt sich ferner, dass auch eine Belieferung von Offizinapotheken seitens einer Krankenhausapotheke grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Eine Ausnahme gibt es jedoch für Zytostatikazubereitungen. So besteht seit der Novellierung des Apothekengesetzes im Jahre 2002 gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Apothekengesetz die Möglichkeit, dass eine Krankenhausapotheke Zytostatikazubereitungen an eine Offizinapotheke oder eine andere Krankenhausapotheke, die nicht in der Lage sind, selbst Zytostatikazubereitungen herzustellen, auf deren Anforderung abgibt. Außerdem darf umgekehrt auch jede Krankenhausapotheke Zytostatikazubereitungen bei einer befähigten öffentlichen Apotheke anfordern.

Dies eröffnet den Krankenhausapotheken ein zusätzliches Betätigungsfeld: Da die Preisbildung für die Auftragsherstellung nicht der Arzneimittelpreisverordnung unterliegt, schafft dies Verhandlungsspielräume bei der Herstellung und dem Verkauf von Zytostatikazubereitungen. Allerdings werden kaum ausschließlich Angebot und Nachfrage den Preis auf diesem besonderen Arzneimittelmarkt bestimmen. Vor allem spezialisierte, größere Krankenhausapotheken können ihre schon vorhandenen apparativen Kapazitäten als Wettbewerbsvorteil nutzen und sich damit ein neues Geschäftsfeld mit nachhaltiger Einnahmequelle erobern.

Andererseits bleibt abzuwarten, inwiefern es für kleinere Einheiten noch wirtschaftlich sinnvoll ist, Zytostatikazubereitungen selbst herzustellen oder diese künftig durchweg von Dritten zu beziehen. Eine fachkundig erstellte individuelle Kosten-Nutzen-Analysemacht transparent, inwieweit ein solches Outsourcing vor allem wegen des geringeren Aufwands (z.B. niedrigere Personalkosten, Ersparnis spezieller Müllentsorgung und Gerätewartung) die preisgünstigere Alternative sein könnte.

Bezüglich aller anderen Arzneimittel bleibt es im Übrigen bei dem Abgabeverbot der Krankenhausapotheken an die öffentlichen Apotheken.

#

Wie wirken sich diese gesetzlichen Neuregelungen aus?

  • Der im Zuge des GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) geschaffene, neue Wortlaut des §14 Abs. 4 Satz 3 Apothekengesetz verwendet die Formulierung "Abgabe an den Patienten". Dies darf nicht so verstanden werden, dass sich der Patient die Arzneimittel wie bei ärztlich ausgestellten Arzneimittelverordnungen direkt in der Krankenhausapotheke abholen darf. Vielmehr erfolgt die Abgabe auch hier über den Weg von der Krankenhausapotheke in die Ambulanz des Krankenhauses und von dort an den Patienten.

  • Auch bei der Abgabe von Arzneimitteln, die infolge der ambulanten Versorgung der Krankenhäuser von den Krankenhausapotheken ausgegeben werden, ist die Abgabemenge auf das begrenzt, was zur Behandlung in den Räumen des Krankenhauses benötigt wird. Abgesehen von der Ausnahmeregelung zur Überbrückung eines unmittelbar bevorstehenden Wochenendes oder eines Feiertages ist eine Arzneimittelversorgung des ambulanten Patienten zu Hause ausgeschlossen.

  • Klarheit bringt das GMG im Hinblick auf die Leistungspflicht der Krankenkassen für Arzneimittel, die von der Krankenhausapotheke an die gesetzlich Versicherten abgegeben werden. Während es bislang hierzu keine positive Normierung gab, existiert nun die Vorschrift des §129a SGB V: "Die Krankenkassen oder ihre Verbände vereinbaren mit dem Träger des Krankenhauses das Nähere über die Abgabe verordneter Arzneimittel durch die Krankenhausapotheke an Versicherte, insbesondere die Höhe des für den Versicherten maßgeblichen Abgabepreises (...). Eine Krankenhausapotheke darf Arzneimittel zu Lasten von Krankenkassen nur abgeben, wenn für sie eine Vereinbarung nach Satz 1 besteht."

Diese Regelung stellt klar, dass nur nach Abschluss entsprechender Verträge ein Anspruch des Trägers des Krankenhauses auf Erstattung besteht. Wer keinen Vertrag hat und trotzdem über die Krankenhausapotheke gesetzlich krankenversicherte Patienten versorgt, hat keinen Anspruch auf die Übernahme der Kosten durch die Krankenkasse - selbst, wenn die Voraussetzungen der Belieferung eingehalten wurden. Wie diese Verträge (auch im Hinblick auf die Preise!) auszugestalten sind, bleibt hingegen den Vertragspartnern überlassen.

Dr. iur. Isabel Weizel,

Rechtsanwältin,

Ehlers, Ehlers & Partner,

München