Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-2004-834541
Integrative Versorgung in der Neurologie
Integrated Patient Care in NeurologyPublication History
Publication Date:
27 January 2005 (online)
Bundestag und Bundesrat haben bei Verabschiedung des Gesundheitsstrukturgesetzes (GMG) einen Passus eingefügt, dass es in Zukunft möglich sein soll, zwischen Leistungserbringern, d. h. Ärzten, Krankenhäusern, medizinischen Assistenzberufen und Krankenkassen nach § 140 a SGB 5 Verträge zur integrativen Versorgung abzuschließen. Für die integrierte Versorgung steht eine Anschubfinanzierung aus einem Modernisierungsfond zur Verfügung, der 1 % der Krankenhausvergütung und 1 % der Gesamtvergütung der niedergelassenen Ärzteschaft (Kassenärztliche Vereinigung) entspricht. Die Krankenkassen müssten dann bei entsprechenden Abschlüssen bei ihren Mitgliedern Werbung machen, dass sie sich freiwillig einem integrierten Versorgungssystem anschließen können.
Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) war zusammen mit dem Berufsverband der Neurologen (BDN) eine der wenigen Organisationen, die diesen Gesetzesauftrag ernst genommen haben und in kürzester Zeit den Vorgaben der Krankenkassen folgendend Konzepte für die integrierte Versorgung akuter und chronischer Erkrankungen in der Neurologie wie Schlaganfall, Parkinson, MS, Epilepsie und Kopfschmerz entwickelt hat. Zunächst wurden auch Konzepte für andere Krankheiten entwickelt wie beispielsweise Neuroonkologie und neuromuskuläre Erkrankungen sowie fokale Dystonien. Von Seiten der Krankenkassen wurde dann aber signalisiert, dass diese Konzepte nur für Krankheiten umgesetzt werden sollen, die sehr häufig vorkommen und mit hohen Kosten verbunden sind. Verschiedene Krankenkassen haben aber ganz verschiedene Ansinnen an das Konzept einer integrierten Versorgung. Einige wenige Krankenkassen wollen mit diesem Konzept lediglich Kosten sparen, ohne notwendigerweise die Qualität der Patientenversorgung zu verbessern. Die meisten Krankenkassen haben erkannt, dass dies eine gute Möglichkeit ist, die Versorgung chronisch kranker Patienten deutlich zu verbessern und ggf. sogar auf lange Sicht dies ohne zusätzliche Kosten zu erreichen. Die Neurologen haben sehr gute Voraussetzungen, um eine Reihe von Bedingungen der Krankenkassen zu erfüllen:
Das IV-Konzept muss evidenzbasiert und medizinisch sinnvoll sein. Dies bedeutet, dass wir die gemeinsam entwickelten Leitlinien für diese Krankheitsbilder in der integrierten Versorgung umsetzen können. Das Konzept muss qualitätsgesichert und transparent sein sowie Qualitätssteigerung der Versorgung in Aussicht stellen. Auch hier haben die Neurologen durch die Schaffung von Datenbanken beispielsweise im Bereich Parkinson, Kopfschmerz und Schlaganfall die entsprechende Grundlage zur Datenerhebung geschaffen und bereits in einigen Bereichen Qualitätssicherungsmaßnahmen etabliert und verfügen über die entsprechenden Daten. In Teilbereichen geschieht dies auch im Bereich der MS-Versorgung. Das Konzept muss wirtschaftlich verankert und ökonomisch sinnvoll sein. Hier wird eine optimale Zusammenarbeit zwischen Kliniken und niedergelassenen Neurologen Doppelstrukturen vermeiden und operational definiert eine optimale Versorgung der Patienten orientiert an der Schwere des Krankheitsfalls ermöglichen. Ein ganz wichtiger Teil der integrierten Versorgung ist der Gedanke, Patienten in ihre Krankheitsbewältigung und Therapie aktiv einzubinden, d. h. Aufklärung und Schulung zu betreiben. Es ist sicher unumstritten, dass ein aufgeklärter Patient mit seinen Wünschen bezüglich Diagnostik und Therapie rationaler umgehen kann und eher vor Scharlatanen und Außenseitern geschützt ist.
Im Bereich Nordrhein, der als Modellregion gilt, ist es erfreulicherweise gelungen, von insgesamt sechs Modellen zur integrierten Versorgung drei im Bereich der Neurologie zu etablieren nämlich Schlaganfall, Parkinson und multiple Sklerose. Die drei anderen Versorgungssysteme sind Brustkrebs, Herzinfarkt und Hüftgelenkoperationen. Wie bei der Einführung der DRGs ist die integrierte Versorgung eine Chance, die gute Struktur, die Neurologen im Umgang mit chronischen Krankheiten aufgebaut haben, in die klinische Versorgungsrealität umzusetzen. Unabdingbare Voraussetzung ist aber hier eine vorurteilsfreie optimale Kooperation zwischen Universitätskliniken, neurologischen Abteilungen und niedergelassenen Neurologen und Nervenärzten, in Teilbereichen auch niedergelassenen Allgemeinmedizinern. Die DGN und der BDN werden alle Beteiligten über den weiteren Fortgang der Projekte auf dem Laufenden halten. Die jeweils aktuellsten Konzepte zur integrierten Versorgung können auf den geschützten Web-Seiten der DGN und des Berufsverbandes für Mitglieder einer dieser beiden Institutionen abgerufen werden. Eine Aktualisierung fand Mitte November 2004 statt.
Prof. Dr. Hans-Christoph Diener
Klinik für Neurologie · Universitätsklinikum Essen
Hufelandstraße 55
45147 Essen
Email: h.diener@uni-essen.de