Aktuelle Neurologie 2005; 32(7): 391
DOI: 10.1055/s-2004-834749
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zerebrale MRT: „UBOs”, Virchow-Robin-Räume und krankheitsweisende Befunde

Cranial MRT: UBOs, Virchow-Robin Spaces, and Disease Specific FindingsH.  C.  Hopf
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Publication Date:
29 August 2005 (online)

Die Magnetresonanztomographie (MRT) ist heute eines der wichtigsten Verfahren der apparativgebundenen Diagnostik in der Neurologie. Sie macht in radiologischen Praxen inzwischen rund 85 % der kranialen Untersuchungen aus. Sie hat zweifellos viele neue Erkenntnisse erbracht. Aber Segen und Plage liegen oft dicht beieinander. Wie beim Zauberlehrling folgt das MRT-Verfahren einer durchaus erwünschten aber auch gar nicht mehr eingrenzbaren Eigendynamik. Zunehmend leistungsfähigere Geräte und spezifischere Analysetechniken (z. B. FLAIR, DWI, T2*-Gradientenecho, Spektroskopie) haben unser Wissen enorm erweitert. Sie haben zudem eigene MRT-gebundene syndromatische Begriffe definiert (z. B. Leukoaraiose, posteriore Leukenzephalopathie), deren krankheitsbezogene Bedeutung im klinischen Kontext eingeordnet werden muss. Nicht so selten auch sieht sich der Neurologe unerwarteten Hirnveränderungen konfrontiert. Parallel dazu sind infolge verfeinerter Bildgebung früher mehr einheitlich gesehene klinische Krankheitsbegriffe (z. B. vaskuläre Demenz, Parkinson-Syndrom) differenziert und vor allem MRT-gestützte Therapieentscheidungen etabliert worden (z. B. multiple Sklerose, Epilepsiesyndrome, Tumortherapiefolgen).

Das alles hat zu einem verbesserten diagnostischen Angebot und einer erweiterten Nachfrage geführt, was den Neurologen dazu zwingt, sich intensiv mit Aussagekraft und diagnostischem Gewicht der unterschiedlichen MRT-Techniken zu beschäftigen. Er kann nicht ohne weiteres darauf vertrauen, dass der radiologische Partner von sich aus die optimalen Sequenzen wählt, denn dazu benötigte dieser zumindest eine umfassende Erörterung der differenzialdiagnostisch in Betracht kommenden Krankheiten und Varianten (z. B. die direkte Frage nach einer Amyloidangiopathie). Die Verantwortung für den Patienten verlangt auch, dass der Neurologe selbst die Wertigkeit von MRT-Befunden abschätzen kann, um zu entscheiden, ob der erhobene Befund zur klinischen Konstellation passt und ausreicht, ob weitere bildgebende oder andere diagnostische Schritte erforderlich sind oder ob Therapierelevanz besteht. Gutes Beispiel dafür ist die Migräne, die häufiger Läsionen in der weißen Substanz zeigt, bevorzugt zerebellär lokalisiert und bei Patienten mit Aura und einer oder mehr Attacken im Monat.

Ein besonderes Problem sind nichtkrankhafte MRT-Auffälligkeiten. Dazu gehören in qualitativ guten T2-Sequenzen sichtbare tubuläre Strukturen, die perivaskulären (Virchow-Robin) Räumen entsprechen. Jüngere Patienten können auch andere umschriebene Marklagerläsionen zeigen, die, obwohl sie nicht die diagnostischen Kriterien aufweisen, von weniger erfahrenen Radiologen leicht als MS-Herde verkannt werden. Trotz allen Fortschritts bleiben manche signalabweichende Veränderungen in ihrer Bedeutung und Krankheitszuordnung unklar. Es erscheint durchaus sinnvoll, solche unklaren Befunde als ungeklärte signalintensive Veränderungen (UBOs) anzusprechen, weil damit die ihnen zukommende Wertigkeit dokumentiert und nicht falsche diagnostische Sicherheit vorgetäuscht wird. Auf der anderen Seite gebietet schon der ökonomische Druck eine gezielte Auswahl aus den heute verfügbaren Analysetechniken. So erweisen sich bei Mikroangiopathien FLAIR-Sequenzen als besonders sensibel und DWI-Sequenzen zeigen am besten die aktuelle Krankheitsaktivität. Bei der häufigen Indikation „multiple Sklerose” ist die therapierelevante Krankheitsaktivität am besten an der Kontrastmittelaufnahme ablesbar, sagittale Projektionen erfassen die krankheitstypische Beteiligung des Balkens und T1-Wichtungen korrelieren gut mit der Schwere der klinischen Symptomatik. Je nach Fragestellung kann die Anforderung an das MRT also ganz unterschiedlich sein.

Wir möchten unsere Leser heute auf eine Arbeit zu dieser Thematik aufmerksam machen. Wilhelm Küker und Thomas Nägele haben auf Einladung eine fachkundige Darstellung solcher diagnostisch relevanter MRT-Veränderungen der weißen Hirnsubstanz vorgelegt und mit sehr anschaulichen Beispielen erläutert. Eine Tabelle weist den Weg, welche Sequenzen welche Fragen am besten beantworten können.

Prof. Dr. med. Hanns Christian Hopf

Neurologische Klinik · Johannes-Gutenberg-Universität Mainz

Langenbeckstraße 1

55131 Mainz

Email: hopf@neurologie.klinik.uni-mainz.de