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DOI: 10.1055/s-2004-835303
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Stellenwert von Omega-3-Fettsäuren in der kardiovaskulären Prävention - Erwiderung
Publication History
Publication Date:
15 November 2004 (online)
Wir bedanken uns für die aus unserer Sicht sehr wichtige Kritik zu unserer Übersichtsarbeit [5]. Sie erlaubt uns, einige Probleme in der Interpretation von Studien und der Effektivität anerkannter und akzeptierter präventiver Strategien aufzuzeigen.
Von Dr. Traut wird in der beigefügten Tabelle vollkommen richtig die absolute Risikoreduktion durch die Gabe von Omega-3-Fettsäuren mit der entsprechenden Number Needed to Treat (NNT) für 3,5 Jahre angegeben. Diese Daten zur absoluten Risikoreduktion finden sich auch in unserem Artikel (2. Abschnitt zur GISSI-Prevenzione-Studie). Wir geben in diesem Abschnitt auch relative Risikoreduktionen an, die für die kardiovaskuläre Mortalität knapp 30 % (Berechnung: 6,8 % in der Kontrollgruppe minus 4,8 % in der Omega-3-Fettsäuregruppe ergibt 2 %; 2 % dividiert durch 6,8 % ergibt 29,1 %) und für den plötzlichen Tod ca. 45 % (Berechnung: 3,5 % in der Kontrollgruppe minus 1,9 % in der Omega-3-Fettsäuregruppe ergibt 1,6 %; 1,6 % dividiert durch 3,5 % ergibt 45,7 %) betragen.
Diese Diskrepanz zwischen relativer und absoluter Risikoreduktion besteht in vielen Studienberichten und wird zum Teil bewusst vertuscht. Meist wird nur eine sehr starke Reduktion des relativen Risikos herausgestellt, die bei genauer Hinsicht einer nur sehr geringen Reduktion des absoluten Risikos entspricht. Eine identische relative Risikoreduktion von 45 %, wie oben berechnet, ergibt sich auch bei einer nur minimalen absoluten Risikoreduktion des plötzlichen Todes von z. B. 0,35 % auf 0,19 % (0,16 dividiert durch 0,35 ergibt 45,7 %)!
Wie der Autor des Leserbriefes schreibt, ist nur die absolute Risikoreduktion für Überlegungen zur Effektivität einer Therapie relevant. Ausschließlich aus der absoluten Risikoreduktion berechnet sich die NNT. Für die kardiovaskuläre Mortalität sind die Berechnungen der NNT (175 für 3,5 Jahre und umgerechnet 50 für ein Jahr) und der Effektivität korrekt. Bemerkenswert ist jedoch, dass von uns sehr wohl akzeptierte Maßnahmen der medikamentösen Prophylaxe nach einem Myokardinfarkt keine wesentlich höhere Effektivität aufweisen. Für einen Vergleich zwischen Statinen, ASS und Omega-3-Fettsäuren erlaube ich mir wegen der publizierten Daten nicht den Effekt dieser Substanzen auf die kardiovaskuläre Mortalität, sondern auf die Gesamtmortalität darzustellen So ist die NNT um einen Todesfall in einem Jahr zu vermeiden in der 4S-Studie mit Simvastatin 164 [1] [2] und in einer Metaanalyse publizierter Studien zu ASS 167 [1] [3]. Für Omega-3-Fettsäuren, die in der GISSI-Prevenzione-Studie zusätzlich zu diesen Medikamenten gegeben wurden, ist die vergleichbare NNT ebenfalls 167. Das heißt, mit allen drei Substanzen muss praktisch die gleiche Zahl an Patienten für ein Jahr behandelt werden, um 100 Todesfälle zu vermeiden. Dies sind 16400 für Simvastatin und 16700 für ASS und Omega-3-Fettsäuren. (Es ist jedoch anzumerken, dass die Um- bzw. Hochrechnungen der NNT von den Beobachtungszeiträumen der Studien auf jährliche Ereignisse statistisch nicht ganz einwandfrei ist.)
Effektiver als die oben genannten Maßnahmen in der Prävention nach einem Myokardinfarkt sind Betablocker mit einer NNT von 83 und Captopril bei eingeschränkter linksventrikulärer Funktion mit einer NNT von 70. Geschlagen werden aber alle diese medikamentösen Maßnahmen durch Umstellungen des Lebensstiles: Für die Beendigung des Rauchens besteht eine NNT von 62 und für eine mediterrane Kost von 33! Das heißt 6200 Patienten müssten das Rauchen aufgeben und nur 3300 müssten eine mediterrane Kost zu sich nehmen, um 100 Todesfälle jährlich zu vermeiden.
Diese Daten und die jüngst veröffentlichte INTERHEART-Studie [4], die zeigt dass ca. 90 % aller Herzinfarkte weltweit durch 9 bekannte, leicht zu erfassende und auch zu behandelnde Risikofaktoren, darunter 6 Lebensstilfaktoren, erklärbar sind, sollte uns und die Verantwortlichen in der Gesundheitspolitik endlich zu einem Umdenken veranlassen. Eine (nicht nur kosten-) effektive Prävention kardiovaskulärer Erkrankungen muss dringend erreicht werden.
Literatur
- 1 Kolenda K -D. Sekundärprävention der koronaren Herzerkrankung. Dtsch Med Wochenschr. 2003; 128 1849-1853
- 2 Scandinavian Simvastatin Study Group . Randomised trial of cholesterol lowering in 4444 patients with coronary heart disease: the Scandinavian Simvastatin Survival Study. Lancet. 1994; 344 1383-1389
- 3 Antiplatelet Trialists Collaboration . Collaborative overview of randomised trials of antiplatelet therapy. I: prevention of death, myocardial infarction, and stroke by prolonged antiplatelet therapy in various categories of patients. BMJ. 1994; 308 81-106
- 4 Yusuf S, Hawken S, Ounpuu S. et al . Effect of potentially modifiable risk factors associated with myocardial infarction in 52 countries (the INTERHEART study): case-control study. Lancet. 2004; 364 937-952
- 5 Sellmayer a. et al . Stellenwert von Omega-3-Fettsäuren in der kardiovaskulären Prävention. Dtsch Med Wochenschr. 2004; 129 1993-1996
Prof. Dr. med. Alois Sellmayer
Dr. med. Rainer Schrepf
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