psychoneuro 2004; 30(10): 536
DOI: 10.1055/s-2004-835722
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Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung - Lange Odyssee bis zur Diagnose

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Publication Date:
05 November 2004 (online)

 
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    Bei der Erkennung von Kindern mit Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) besteht in Deutschland erheblicher Verbesserungsbedarf: Im Schnitt dauert es von der ersten Arztkonsultation, bei der das Verhalten des Kindes thematisiert wurde, bis zur endgültigen Diagnosestellung 2,2 Jahre. Nur bei einem guten Drittel der Betroffenen (37%) steht die Diagnose bereits nach einem Jahr fest. Das ist das Ergebnis einer von der World Federation for Mental Health zusammen mit Eli Lilly durchgeführten Umfrage, die bei 760 Eltern mit ADHS-Kindern in acht Ländern erstellt wurde. "Viele Eltern und Kinder haben also eine regelrechte Odyssee bei Ärzten, Psychologen und Erziehungsberatungsstellen hinter sich, bis sie endlich eine kompetente Behandlung erhalten", kritisierte Prof. Dr. Manfred Döpfner, Köln. Mit einem Diagnoseweg von gut zwei Jahren liegt Deutschland international im Mittelfeld: Während die Diagnose bei betroffenen Kinder in den USA im Mittel "schon" nach einem Jahr feststeht, dauert es in Italien sogar durchschnittlich drei Jahre.

    Standard bei der ADHS ist heute ein multimodales Konzept mit Pharmako-, Verhaltens- und Lerntherapie. Betroffene Kinder und Jugendliche sollte also gleichermaßen eine Medikation, meist Methylphenidat-Präparate, und nicht-medikamentöse Therapien angeboten werden. Wie unverzichtbar die Pharmakotherapie ist, betonte Ute Erwe, Vorsitzende der Selbsthilfegruppe Juvemus e.V. und Mutter zweier ADHS-Kinder: "Das Umsetzen verhaltenstherapeutischer Strategien ist nach meiner Erfahrung erst dank einer Medikation möglich".

    Döpfner beklagte, dass das Problem der ADHS häufig ausschließlich an den während der Schulzeit auftretenden Symptomen festgemacht wird. "Die Symptome ziehen sich aber über den ganzen Tag hinweg und belasten die gesamte Familie. Die Scheidungsraten von Eltern mit ADHS-Kindern sind fünfmal höher als bei nicht belasteten Ehepartnern", informierte der Psychiater. In der Umfrage gab die Hälfte der Eltern an, dass die Familienaktivitäten gestört seien. Als besonders schwierige Phase des Tages wird von vielen Eltern der frühe Morgen empfunden, wenn die Kinder für die Schule fertiggemacht werden müssen. Die Schlafenszeit ist vor allem für Eltern mit kleineren Kindern (<10 Jahre) problematisch. Daher wünscht sich die Mehrheit der Eltern (71%) auch eine Medikation, die die ADHS-Symptome den ganzen Tag über kontrolliert. Viele bevorzugen darüber hinaus lang wirksame Medikamente, die weniger häufig und vor allem nicht während der Schulzeit eingenommen werden müssen.

    Katharina Arnheim

    Meet-The-Expert-Session "ADHS: Wirklich nur ein Schulproblem? - Deutsche Daten des internationalen Survey geben Antwort" anlässlich des 16. Weltkongresses der International Association for Child and Adolescent Psychiatry and Allied Professions (IACAPAP), am 24. August 2004 in Berlin, veranstaltet von Eli Lilly