Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-2004-836003
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Bezug: Mitteilung der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft „Suizide und Suizidversuche unter Buproprion” Deutsches Ärzteblatt 2004; 30: 1719 - Zum Stellenwert von Buproprion in der Depressionsbehandlung
Korrespondenzadresse:
Dr. Jens M. Langosch
Oberarzt der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychosomatik
Abt. Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie
Hauptstraße 5
79104 Freiburg i. Br.
Email: jens_langosch@psyallg.ukl.uni-freiburg.de
Publication History
Publication Date:
05 November 2004 (online)
Zusammenfassung
Im Juli 2004 erschien im Deutschen Ärzteblatt eine Mitteilung der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft (AKdÄ)„Suizide und Suizidversuche unter Buproprion”. Darin wurde anhand zweier Fälle auf Suizide und Suizidversuche, sowie auf affektive Verstimmungen während einer Raucherentwöhnungstherapie mit Buproprion (Zyban®) hingewiesen. Da Buproprion einen hohen Stellenwert in der antidepressiven Therapie bipolarer Patienten mit Rapid cycling hat, führte dies zu einer Verunsicherung von Patienten und Therapeuten.
Buproprion wurde vor mehr als 35 Jahren als Antidepressivum neuen Typs synthetisiert. Es erhöht die Konzentration von Noradrenalin und Dopamin im synaptischen Spalt über eine Inhibition des Reuptakes. Buproprion wird zu einem noch stärker wirksamen Metaboliten verstoffwechselt, der sich im Gehirn anreichert (sog. NDRI, Noradrenalin- und Dopamin-Reuptake Inhibitor). Es ist kein Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), wie fälschlich in der Stellungnahme der AKdÄ geschrieben. Buproprion ist in Deutschland nicht als Antidepressivum zugelassen, sondern als Hilfsmittel zur Raucherentwöhnung unter dem Handelsnamen Zyban®. In der Indikation als Antidepressivum wird es international als Wellbutrin® vertrieben. Nach ausführlichen Studien erfolgte im Jahr 1989 in den USA die Markteinführung. Buproprion hat im Vergleich zu anderen Antidepressiva wenig Interaktionen mit andern Pharmaka, ist kardial gut verträglich und verursacht keine sexuellen Funktionsstörungen. Das Risiko von Krampfanfällen liegt bei 0,48 % [2], bei einer Hochdosistherapie mit trizyklischen Antidepressiva (ca. 200 mg/d) liegt es bei 0,6-0,9 % [4]. In Kombination mit stimmungsstabilisierenden Medikamenten aus der Klasse der Antiepileptika wird das Risiko als sehr gering angesehen. Als Nebenwirkung wurden weiterhin selten psychotische Zustände beschrieben, erklärbar durch eine Überstimulation des dopaminergen Systems [2].
Buproprion ist ein antriebssteigerndes Medikament. Die thymeretische kann vor der thymoleptischen Wirkung einsetzen. Die Verordnung bei Suizidalität hat mit der gleichen Vorsicht zu erfolgen wie bei anderen antriebssteigernden Antidepressiva, z.B. Nortriptylin. Zudem weist auch Buproprion eine Latenz von mehreren Wochen bis zur vollen antidepressiven Wirksamkeit auf.
#Klinische Anwendung
Buproprion wurde in vielfältigen Studien, auch an bipolaren Patienten, getestet. Hierbei zeigte sich, dass das Risiko einen Umschlag aus der Depression in eine manische Episode auszulösen, das sog. Switchrisiko, unter Buproprion mit am geringsten unter allen Antidepressiva ist. Besonders wertvoll in diesem Zusammenhang ist Buproprion bei der Behandlung von Rapid cycling im Rahmen einer bipolaren Erkrankung [5] [6]. Von vielen Experten wird Buproprion als das einzige Antidepressivum angesehen, das bei schweren depressiven Zuständen im Rahmen eines Ultra rapid cycling oder Ultradian cycling die Stimmungslage anhebt, ohne das Cycling zu verschlimmern. Von daher ist es unverständlich, wenn im Beipackzettel für das Präparat Zyban® vor dem Einsatz bei bipolaren Erkrankungen gewarnt wird.
#Diskussion
Aus den bisher bekannten klinischen Studien zu Buproprion als Antidepressivum bei unipolarer oder bipolarer Depression ist ein vermehrtes Auftreten von Suizidversuchen und Suiziden nicht bekannt [2] [5].
Buproprion wird in Deutschland als Zyban® einer Hochrisikogruppe zur Nikotinentwöhnung verordnet. Im Bericht der Arzneimittelkommission wird das Auftreten von Depressionen und Suizidalität während der Behandlung mit Buproprion genannt. Es ist jedoch für den Psychiater kein überraschendes Phänomen, dass auch unter antidepressiver Medikation eine sich entwickelnde Depression nicht gestoppt werden kann. Nikotinentzug kann depressiogen wirken [3]. Wenn nun ein (Ex)Raucher depressiv wird, sich nicht in enger psychiatrischer Überwachung befindet, womöglich auch nicht die volle antidepressive Wirkdosis (450 mg/d Buproprion) erhält, und zudem sein endogenes Belohnungssystem nicht mehr mit Nikotin stimulieren kann, so kann eine instabile Situation entstehen. Mit anderen Worten: Wenn bei der Nikotinentwöhnung tatsächlich vermehrt Suizide und Suizidversuche auftreten, dies in den klinischen Studien bei Depressiven aber nicht gefunden wurde, so ist die veränderte Indikation als wahrscheinliche Ursache hierfür primär zu vermuten.
#Welche Konsequenzen ergeben sich hieraus?
Die Firma GlaxoSmithKline sollte ermuntert werden, Buproprion in der Indikation als Antidepressivum in Deutschland zuzulassen. Dadurch würde das Medikament besser bekannt werden und die verordnenden Ärzte wüssten mit den typischen Nebenwirkungen besser umzugehen. Weiterhin würde das Problem der Off-Label Verordnung beseitigt. Buproprion gehört primär in die Hand des psychiatrischen Facharztes und sollte im Rahmen eines fundierten Behandlungsregimes zum Einsatz kommen. Als Hilfsmittel zur Raucherentwöhnung kann die Indikation wegen vorhandener Alternativen zurückhaltend gestellt werden. Für den Einsatz bei vor allem bipolaren Depressionen mit Rapid cycling ist Buproprion eine wertvolle therapeutische Alternative.
#Literatur
- 1 Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft. . Suizide und Suizidversuche unter Buproprion. Deutsches Ärzteblatt. 2004; 30 1719
- 2 Golden RN, Dawkins K, Nicholas L, Bebchuk JM. Trazodone, Nefazodone, Buproprion, and Mirtazapine. In: Schatzberg AF, Nemeroff CB (Hrsg.). Textbook of Psychopharmacology. second edition. Washington D.C., American Psychiatric Press 1998: 251-269
- 3 Hughes JR, Stead LF, Lancaster T. Antidepressants for smoking cessation. Cochrane Database of Systematic Reviews. 2003; 2 1719
- 4 Peck AW, Ster WC, Watkinson C. Inzidence of seizures during treatment with tricyclic antidepressant drugs and buproprion. J Clin Psychiatry. 1983; 44 197-201
- 5 Post RM, Frye MA, Denicoff KD, Speer AM, Weiss SRB, Leverich GS. Preliminary algorithms for treatment-resistant bipolar depression. In: Amsterdam JD, Hornig M, Nierenberg AA (Hrsg.). Treatment resistent mood disorders. Cambridge , Cambridge University Press 2001: 350-404
- 6 Sachs GS, Laffer B, Stoll AL. et al. . A double-blind trial of buproprion versus desimipramine for bipolar depression. J Clin Psychiatry. 1994; 55 391-393
Korrespondenzadresse:
Dr. Jens M. Langosch
Oberarzt der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychosomatik
Abt. Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie
Hauptstraße 5
79104 Freiburg i. Br.
Email: jens_langosch@psyallg.ukl.uni-freiburg.de
Literatur
- 1 Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft. . Suizide und Suizidversuche unter Buproprion. Deutsches Ärzteblatt. 2004; 30 1719
- 2 Golden RN, Dawkins K, Nicholas L, Bebchuk JM. Trazodone, Nefazodone, Buproprion, and Mirtazapine. In: Schatzberg AF, Nemeroff CB (Hrsg.). Textbook of Psychopharmacology. second edition. Washington D.C., American Psychiatric Press 1998: 251-269
- 3 Hughes JR, Stead LF, Lancaster T. Antidepressants for smoking cessation. Cochrane Database of Systematic Reviews. 2003; 2 1719
- 4 Peck AW, Ster WC, Watkinson C. Inzidence of seizures during treatment with tricyclic antidepressant drugs and buproprion. J Clin Psychiatry. 1983; 44 197-201
- 5 Post RM, Frye MA, Denicoff KD, Speer AM, Weiss SRB, Leverich GS. Preliminary algorithms for treatment-resistant bipolar depression. In: Amsterdam JD, Hornig M, Nierenberg AA (Hrsg.). Treatment resistent mood disorders. Cambridge , Cambridge University Press 2001: 350-404
- 6 Sachs GS, Laffer B, Stoll AL. et al. . A double-blind trial of buproprion versus desimipramine for bipolar depression. J Clin Psychiatry. 1994; 55 391-393
Korrespondenzadresse:
Dr. Jens M. Langosch
Oberarzt der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychosomatik
Abt. Allgemeine Psychiatrie und Psychotherapie
Hauptstraße 5
79104 Freiburg i. Br.
Email: jens_langosch@psyallg.ukl.uni-freiburg.de