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DOI: 10.1055/s-2004-836005
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York
Sexualität und Partnerschaft - Auswirkungen einer Multiplen Sklerose
The Impact of Multiple Sclerosis on Sexuality and PartnershipKorrespondenzadressen:
Prof. Dr. med. Dr. phil. K. M. Beier
Dipl.-Psych. Ch. J. Ahlers
Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin
Humboldt-Universitätsklinikum Charité
Luisenstr. 57
10117 Berlin
URL: http://www.sexualwissenschaft-berlin.de
eMail: klaus.beier@charite.de
eMail: christoph.ahlers@charite.de
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
05. November 2004 (online)
- Zusammenfassung
- Summary
- Ätiopathogenese
- Problematik
- Auswirkungen auf Sexualität und Partnerschaft
- Beratung und Therapie
- Schlussfolgerungen
- Fallbeispiel Multiple Sklerose
- Literatur
Zusammenfassung
Multiple Sklerose (MS) kann wie eine Vielzahl neurologischer Erkrankungen zu sexuellen Funktionsbeeinträchtigungen führen. MS ist charakterisiert durch Entmarkungsherde der Leitungsbahnen, in Rückenmark wie Gehirn auftretend. Der typisch schubförmige Verlauf macht Entstehen wie Abklingen der schweren Beeinträchtigungen aller sexuellen Funktionen besonders deutlich, wobei auch hier sexuelle Dysfunktionen von vielen Betroffenen als zeitgleich mit ersten Symptomen einsetzend beschrieben werden.
#Summary
In common with numerous other neurological diseases, multiple sclerosis can impair sexual function. This condition is characterised by demyelination of the central nervous system including the brain. The typical relapsing-remitting course of MS clearly underscores the emergence and subsidence of the severe disturbances of all sexual functions. Here, too, however, many affected patients have reported that sexual dysfunction occurs simultaneously with the onset of MS symptoms.
Die Multiple Sklerose (MS) gehört zu den Entmarkungs-Enzephalomyelitiden und ist eine der häufigsten und zugleich schwersten organischen Erkrankungen des zentralen Nervensystems. In Deutschland sind schätzungsweise 120000 Menschen erkrankt. Das Verhältnis von betroffenen Frauen zu Männern beträgt 2:1, wobei die Gründe für diese ungleiche Verteilung ungeklärt sind.
#Ätiopathogenese
Es stehen verschiedene exogene (z.B. Virusinfektionen im Kindesalter) und endogene (z.B. genetische) Ursachenfaktoren zur Diskussion. Es wird aber allgemein angenommen, dass T-Zell-vermittelte Autoimmunreaktionen gegen Myelinkomponenten pathogenetisch bedeutsam sind. Aktivierte T-Zellen überwinden die Blut-Hirn-Schranke und initiieren eine lokale Entzündungsreaktion, die zur Zerstörung der Myelinscheiden und reaktiver Glyose führen.
#Problematik
Die Erkrankung kann sich durch eine Vielzahl von motorischen, sensorischen und kognitiven Symptomen äußern und es sind zudem verschiedene Verlaufsformen bekannt, so dass die Entwicklung im Einzelfall weitgehend unvorhersehbar ist. Das Spektrum der Erkrankung kann von einem einzigen Schub ohne nennenswertes neurologisches Defizit bis hin zur raschen, progredient eintretenden Behinderung und zum Tod reichen. Dennoch ist die Erstdiagnose einer Multiplen Sklerose in der Vorstellung der Betroffenen nach wie vor gleichbedeutend mit dem baldigen Verlust der Gehfähigkeit und einer verkürzten Lebenserwartung. Die Krankheit beginnt meist beim jüngeren Erwachsenen zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr - einem wichtigen Zeitpunkt im Leben für die Bildung einer Partnerschaft, der Gründung einer Familie und für die berufliche Karriere.
#Auswirkungen auf Sexualität und Partnerschaft
Diesbezügliche Fragestellungen fanden bisher nur begrenzt Eingang in die Forschung und diejenigen Daten, die vorliegen, sind eher uneinheitlich. Die Angaben zur Inzidenz sexueller Dysfunktionen reichen bei Frauen von 5-52 %, bei Männern von 23-80 %. Auch lassen sich die in den verschiedenen Studien [10] [11] [12] [13] gemachten Aussagen (etwa zu sexuellen Problemen im Zusammenhang mit Alter, Zeitpunkt der Erstsymptome und Diagnose, Grad der körperlichen Beeinträchtigung, Partnerschaft, sozialem Umfeld und körperlichen Symptomen) kaum miteinander in Einklang bringen. Offensichtlich ist aber, dass die erektile „Impotenz” des Mannes weit größere Aufmerksamkeit erfuhr als sexuelle Funktionsstörungen von MS-kranken Frauen.
In einer empirischen Untersuchung des Instituts für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité [1] [5] [7] [8] gemeinsam mit den Landesverbänden Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen der Deutschen Multiple Sklerose-Gesellschaft wurden insgesamt 6500 Betroffene und deren Lebens- bzw. Ehepartner befragt (es antworteten 615 MS-betroffene Frauen und 332 der Partner sowie 331 betroffene Männer und 193 Partnerinnen). Als Erhebungsinstrument diente das „Basismodul Sexualmedizin”, welches sowohl sämtliche sexuelle Funktionsstörungen nach DSM-IV auf den Zeitebenen „vor der Diagnose” und „seit der Diagnose”, als auch die von den Betroffenen erlebten Auswirkungen der krankheitsspezifischen Medikation erfasst und eigens für diese Untersuchungen am obigen Institut entwickelt wurde.
Ca. drei Viertel der MS-Betroffenen (Frauen wie Männer) lebten zur Zeit der Befragung in einer Partnerschaft (davon 1 % der Männer und 2 % der Frauen in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung). Die Partnerschaftsdauer betrug bei den Frauen durchschnittlich 17,5 und bei den Männern 19,6 Jahre - d.h. es handelte sich um Beziehungen, die meist bereits vor dem Auftreten der ersten Symptome bestanden und demnach trotz des Ausbruchs der Erkrankung aufrecht erhalten werden konnten. Von den ca. 25 % MS-Betroffenen, die zum Zeitpunkt der Befragung nicht partnergebunden lebten, meinten ca. zwei Drittel der Frauen und drei Viertel der Männer, dass sie aufgrund der MS-Erkrankung ihren Partner verloren hätten. Etwa ein Viertel gab Angst vor einer neuen Partnerschaft aufgrund der Erkrankung an. Lediglich ein Zehntel wollte keine neue Partnerschaft mehr eingehen.
Imposant ist, dass zwischen den partnerschaftlich gebundenen und den nicht in einer Partnerschaft lebenden MS-Betroffenen keine Unterschiede hinsichtlich der Krankheitsdauer, der Verlaufsform oder auch dem Krankheitsgrad nach Kurtzke feststellbar waren: Diese stehen also nicht im Zusammenhang mit dem Auseinandergehen einer bestehenden Partnerschaft.
Die Untersuchung der Partnerschaften selbst zeigt, dass die partnerschaftliche Zufriedenheit bei Austausch von Zärtlichkeiten und gemeinsamer Gestaltung des Alltags hoch ist. Hervorzuheben ist aber insbesondere, dass die partnerschaftliche Zufriedenheit nicht mit Alter, Krankheitsdauer und Krankheitsgrad sowie der finanziellen oder der beruflichen Situation im Zusammenhang steht: Partnerschaftliche Zufriedenheit kann also auch dann bestehen, wenn der Grad der körperlichen Beeinträchtigung hoch, die Krankheitsdauer schon lang und die finanzielle oder die berufliche Situation schlecht ist.
Sowohl bei den Männern als auch bei den Frauen war eine starke Zunahme sexueller Funktionsstörungen seit Beginn der Multiplen Sklerose festzustellen (operationalisiert nach DSM-IV, d.h., nur dann gezählt, wenn bei den Betroffenen zusätzlich Leidensdruck bestand). Bei den betroffenen Männern war dieser Anstieg besonders auffällig: Während vor Auftreten der Erstsymptome nur wenige (unter 5 %) eine Appetenz-, Erregungs- oder Orgasmusstörung beklagten, lag in den letzten zwölf Monaten vor der Befragung bei jedem Dritten eine mit Leidensdruck verbundene sexuelle Dysfunktion vor. Bei den MS-betroffenen Frauen beklagte vor Auftreten der Erstsymptome jede Zehnte eine sexuelle Funktionsstörung und für den Zeitraum der letzten zwölf Monate etwa jede Vierte [Abb. 1] - allerdings war die hohe Anzahl fehlender Angaben zu den entsprechenden Fragen sehr auffallend. Aber auch bei den Partnern/innen der MS-Betroffenen nahm die Häufigkeit sexueller Funktionsstörungen signifikant zu, wenn auch - insbesondere bei den Männern der MS-betroffenen Frauen - nicht so ausgeprägt [Abb. 2].
Beeindruckend war eine starke Abnahme der sexuellen Zufriedenheit bei allen Betroffenen und ihren Partnern/innen: Während vor Diagnosestellung mehr als 90 % der partnergebundenen Männer (Frauen: 87 %) mit ihrer Sexualität zufrieden waren, sank dieser Prozentsatz nach Diagnosestellung auf unter 50 % (Frauen: 67 %).
Bei den MS-betroffenen Männern fiel ferner auf, dass die Betroffenen, die nicht in einer Partnerschaft leben, weitaus häufiger sexuelle Dysfunktionen beklagen: Sie leiden fast doppelt so häufig unter sexuellen Funktionsstörungen wie die partnerschaftlich gebundenen MS-betroffenen Männer. Sehr häufig waren sexuelle Dysfunktionen auch bei denjenigen MS-betroffenen Männern, die unter einer Harninkontinenz litten: Zwei Drittel von ihnen beklagen eine Erektionsstörung, nur etwas weniger eine Orgasmusstörung und gut die Hälfte eine Appetenzstörung. Einen ungünstigen Einflussfaktor stellt ferner die Verlaufsform der MS dar: Bei chronisch-progredientem Verlauf ist die Häufigkeit sexueller Funktionsstörungen bei den Betroffenen deutlich höher, was Männer wie Frauen gleichermaßen betrifft [Abb. 3].
Etwa 30 % der betroffenen Frauen und 40 % der Männer sehen eine Beeinflussung ihrer Sexualität durch die Multiple Sklerose (im Vordergrund stehen Bewegungs- und Sensibilitätsstörung sowie Spastik). Darüber hinaus zeigte sich, dass harninkontinente MS-Betroffene noch häufiger sexuelle Dysfunktionen und sexuelle Unzufriedenheit ausbildeten.
Nur etwa 15 % der Befragten sahen einen Zusammenhang zwischen Medikamenteneinnahme und veränderter Sexualität, wobei Glukokortikoide, Spasmolytika und Interferone noch am häufigsten genannt wurden.
Ganz offensichtlich aber ist es, dass in der bisherigen Betreuung von MS-Erkrankten dem hohen Beratungsbedarf (86 % der Patienten haben einen Informations- und Aufklärungsbedarf hinsichtlich sexueller Funktionsstörungen im Rahmen der Erkrankungen angegeben) in krassem Widerspruch steht zu den tatsächlichen Beratungsangeboten (nur ein Drittel der Männer und ein Zehntel der Frauen haben von ärztlicher Seite diesbezüglich Unterstützung erfahren).
Hervorzuheben ist ferner, dass annähernd die Hälfte der Betroffenen (46 % der MS-betroffenen Frauen, 36 % der MS-betroffenen Männer) sich die Möglichkeit zu Paargesprächen bei beruflichen Helfern wünschen würden, um sexuelle Probleme, Vorstellungen und Befürchtungen ansprechen und möglicherweise verändern zu können.
#Beratung und Therapie
Multiple Sklerose ist eine Erkrankung, die von den Betroffenen besondere Anpassungsleistungen verlangt. Hierzu trägt insbesondere die wechselnde Symptomatik der Erkrankung bei. Diese führt nämlich dazu, dass die Betroffenen gegenüber sich selbst und auch gegenüber ihren Angehörigen in „Beweisnot” geraten können, weil Symptome wieder zurückgehen und so schnell als „rein psychogen” fehlinterpretiert werden können. Aufgrund mangelnder Kenntnisse psychosomatischer Zusammenhänge sowohl bei medizinischen Helfern als auch den Patienten selbst und ihren Angehörigen hat diese häufig noch immer einen negativen „Beigeschmack”. Die Folge ist eine noch mehr erhöhte Verunsicherung gegenüber Signalen des eigenen Körpers und auch in der Kommunikation mit sozialen Bezugspersonen, vor allem den nahen Angehörigen bzw. den Lebenspartnern, die ja gerade zur Krankheitsbewältigung für die Betroffenen von entscheidender Bedeutung sind [9]. Das Auftreten von sexuellen Funktionsstörungen ist in diesem Zusammenhang gerade deswegen besonders problematisch, weil die partnerschaftliche Beziehung durch die genannten Gründe bereits ohnedies von einer Verunsicherung beider Partner gekennzeichnet sein kann.
Wie die Untersuchung von Görres et al. [9] zeigt, spielen die sozialen Bezugspersonen, bzw. bei (meist) bestehender Partnerschaft, die Lebenspartner eine zentrale Rolle in der Krankheitsverarbeitung, da die Krankheitssymptomatik einschließlich sexueller Funktionseinschränkung das Gleichwertigkeitsgefühl des MS-betroffenen Partners stark verunsichert und die Selbstdefinition als einer unterlegenen und hilflosen Person befördert. Tatsächlich gibt es - abhängig vom Zustand und Funktionsniveau der Partnerschaft - unterschiedliche Umgangsformen in der Interaktion mit dem Lebenspartner: Die Krankheit kann als gemeinsame Aufgabe angenommen werden, sie kann zum dominierenden Familienthema werden, sie kann einseitiges Thema des Erkrankten oder aber auch „Nicht-Thema” im Sinne gemeinsamer Verleugnung werden [9].
Bei der Multiplen Sklerose ist, nicht zuletzt aufgrund des häufig frühen Erkrankungsalters der Betroffenen, die frühzeitige Einbeziehung des Partners bzw. der Partnerin in die Diagnostik und Behandlung eine entscheidende Voraussetzung für eine umfassende Versorgung und auch mögliche sexualmedizinische Interventionen. Zum einen nämlich können problematische Beziehungen schon vor Erkrankungsbeginn bestanden haben, zum anderen kann der schwer vorhersagbare Krankheitsverlauf und die damit verbundene Ungewissheit für die Betroffenen gut durch eine verlässliche, Sicherheit und Geborgenheit bietende Vertrauensbeziehung zum Partner bzw. zur Partnerin begegnet werden, weshalb sexualmedizinische Interventionen auch vornehmlich die beziehungsorientierte Dimension der Sexualität fokussieren sollten [6].
#Schlussfolgerungen
Die Hauptschwierigkeit für Patienten mit Multipler Sklerose, die mit ihrer Sexualität und/oder Partnerschaft unzufrieden sind, besteht offensichtlich darin, dass sie mit Veränderungen ihrer gewohnten Sexualität konfrontiert werden, zunächst ratlos reagieren und nicht wissen, ob es Hilfestellungen gibt und an wen sie sich diesbezüglich am besten wenden könnten. Auch fällt es - trotz der Liberalisierungstendenzen in unserer Gesellschaft - weiterhin den meisten Menschen schwer, eine eigene sexuelle und/ oder partnerschaftliche Verunsicherung selbst gegenüber dem Partner - geschweige denn gegenüber anderen Menschen - zum Thema zu machen. Unternimmt ein Patient dennoch den Versuch, das für ihn belastende Problem anzusprechen, stößt er meist auf jene Unsicherheit, die er von sich selbst schon kennt - auch bei den ihn betreuenden Ärzten (zumal diese in ihrer Aus- und Weiterbildung in der Regel nicht auf derartige Gespräche vorbereitet werden). Dabei wäre es wichtig, die Betroffenen zu ermutigen, die mit der Erkrankung einhergehenden Veränderungen hinsichtlich der Partnerschaft und der Sexualität wahrzunehmen und diese gegenüber beruflichen Helfern offen anzusprechen. Diesem Zweck soll auch die Publikation der wichtigsten Ergebnisse der hier vorgestellten Studien in „Leitfäden für Betroffene und ihre Partner” dienen, der für Parkinson-Betroffene bereits vorliegt [3]. Darüber hinaus gibt es seit 1997 für ärztliche und psychologische Psychotherapeuten sowie für Allgemein- und Fachärzte auch ohne psychotherapeutische Spezialisierung curricular fundierte, sexualmedizinische Fortbildungen, welche zur eigenständigen Diagnostik und Therapie von sexuellen Störungen qualifizieren [2] [4] [14]. Dabei ist insbesondere auf den hohen Stellenwert paarbezogener Interventionen hinzuweisen, die auch bei krankheits- und/oder behandlungsbedingten Sexualstörungen in vielen Fällen zielführend sind [4] [6].
#Fallbeispiel Multiple Sklerose
Die zum Zeitpunkt der Vorstellung 42-jährige Frau war seit ihrem 20. Lebensjahr erkrankt (Beginn mit Doppelbildern und Sensibilitätsstörungen in den Händen); aktuell war die Gehfähigkeit deutlich eingeschränkt und es bestand eine Gangstörung mit ataktischen Beschwerden. Der Verlauf war schubförmig und im Zusammenhang mit dem letzten Schub (vor einem halben Jahr) hatte sie deutliche Einbußen der Sensibilität auch im Genitalbereich festgestellt (seitdem nahm sie Betaferon als Dauermedikation ein). Ein Orgasmus war seitdem nicht mehr herbeizuführen. Sie litt unter dieser sekundären, sicher krankheitsbedingten, generalisierten Orgasmusstörung sehr, weil - wie sich herausstellte - die Beziehung zum Ehemann durch die noch funktionale gemeinsame Sexualität stabilisiert war. Er hatte stets großen Spaß an sexuellen Interaktionen mit ihr, gerade weil sie orgasmusfähig gewesen sei, und er empfand es augenscheinlich als eine selbstwert-stabilisierenden Bestätigung, dass er sich in der Lage sah, ihr sexuelle Erregungshöhepunkte zu verschaffen. Diese Bestätigung konnte er nun nach Auftreten der Orgasmusstörung nicht mehr erlangen, wodurch sich seitdem Streit und Vorwürfe - ausgetragen vornehmlich über ihre Schwächen in der Haushaltsführung - häuften. Dies verstärkte in ihr zunehmend das Gefühl, nicht mehr geliebt und akzeptiert zu werden und - da sie den wahren Grund der Reizbarkeit ihres Mannes kannte - versuchte sie aus diesem Grund verzweifelt, die frühere Orgasmusfähigkeit wieder herzustellen.
Der Fall macht deutlich, dass eine Verbesserung der partnerschaftlichen und sexuellen Beziehungszufriedenheit nur unter Einbeziehung des Ehemanns gelingen kann, da die Orgasmusstörung durch das entzündliche Geschehen im Rahmen der Multiplen Sklerose verursacht war und eine Wiederherstellung des früheren Zustandes nicht realistisch erwartbar wäre. Dem Paar war hier zu verdeutlichen, dass die Lust am Orgasmus letztlich für beide vor allem auch eine Lust an der jeweiligen Anerkennung und Angenommenheit durch den anderen, somit Lust auf die Erfüllung psychosozialer Grundbedürfnisse war. Somit verweisen die sexuellen Funktionen gerade im Krankheitszustand auf die in ihnen enthaltenen sozialen Bedeutungen - nämlich das Erlebnis von Zugehörigkeit, Annahme, Bestätigung und Geborgenheit [6].
#Literatur
- 1 Babinsky S. Partnerschaft und Sexualität bei Multipler Sklerose: Ergebnisse einer empirischen Studie bei betroffenen Frauen und ihren Partnern. Med. Diss. Humboldt-Universität Berlin 2000
- 2 Beier KM. Sexualmedizin - berufsbegleitende Fortbildung mit Zertifikat. Dt Ärzteblatt. 1999; 33 2075-2077
- 3 Beier KM. Sexualität und Partnerschaft bei Morbus Parkinson - ein Leitfaden für Betroffene und ihre Partner. Potsdam: Pairdata Verlag 2000
- 4 Beier KM, Bosinski HAG, Hartmann U, Loewit U. Sexualmedizin. Grundlagen und Praxis. München: Urban und Fischer 2001
- 5 Beier KM, Goecker D, Babinsky S, Ahlers CJ. Sexualität und Partnerschaft bei Multipler Sklerose - Ergebnisse einer empirischen Studie bei Betroffenen und ihren Partnern. Sexuologie. 2002; 9 4-22
- 6 Beier KM, Loewit K. Lust in Beziehung. Einführung in die Syndyastische Sexualtherapie. Berlin: Springer 2004
- 7 Goecker D, Babinsky S, Beier KM. Sexualität und Partnerschaft bei Multipler Sklerose. Sexuologie. 1988; 5 193-202
- 8 Goecker D. Partnerschaft und Sexualität bei Multipler Sklerose: Ergebnisse einer empirischen Studie bei betroffenen Männern und ihren Partnerinnen. Med. Diss. Humboldt-Universität Berlin 2000
- 9 Görres HJ, Ziegeler G, Friedrich H, Lücke G. Krankheit und Bedrohung. Formen psychosozialer Bewältigung der Multiplen Sklerose. Zeitschrift für Psychosomatische Medizin. 1988; 34 274-290
- 10 Mattson D, Petrie M, Srivastava DK, Mc M Dermott. Sexual dysfunction and its response to medication. Arch Neurol. 1995; 52 862-868
- 11 McCabe MP, McDonal E, Deeks AA, Vowels LM, Cobian MJ. The Impact of Multiple Sclerosis on Sexuality and Relationships. J of sex Res. 1996; 33 241-248
- 12 Stenager E, Stenager EL, Jensen K. Sexual Aspects Multiple Sclerosis. Seminaris in Neurology. 1992; 12 120-124
- 13 Szasz G. Sexuality in persons with severe physical disability: a guide to the physician. Can Fam Physician. 1989; 35 345-351
- 14 Vogt HJ, Loewit K, Wille R, Beier KM, Bosinski HAG. Zusatzbezeichnung „Sexualmedizin” - Bedarfsanalyse und Vorschläge für einen Gegenstandskatalog. Sexuologie. 1995; 2 65-89
Korrespondenzadressen:
Prof. Dr. med. Dr. phil. K. M. Beier
Dipl.-Psych. Ch. J. Ahlers
Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin
Humboldt-Universitätsklinikum Charité
Luisenstr. 57
10117 Berlin
URL: http://www.sexualwissenschaft-berlin.de
eMail: klaus.beier@charite.de
eMail: christoph.ahlers@charite.de
Literatur
- 1 Babinsky S. Partnerschaft und Sexualität bei Multipler Sklerose: Ergebnisse einer empirischen Studie bei betroffenen Frauen und ihren Partnern. Med. Diss. Humboldt-Universität Berlin 2000
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- 13 Szasz G. Sexuality in persons with severe physical disability: a guide to the physician. Can Fam Physician. 1989; 35 345-351
- 14 Vogt HJ, Loewit K, Wille R, Beier KM, Bosinski HAG. Zusatzbezeichnung „Sexualmedizin” - Bedarfsanalyse und Vorschläge für einen Gegenstandskatalog. Sexuologie. 1995; 2 65-89
Korrespondenzadressen:
Prof. Dr. med. Dr. phil. K. M. Beier
Dipl.-Psych. Ch. J. Ahlers
Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin
Humboldt-Universitätsklinikum Charité
Luisenstr. 57
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