Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(51/52): 2790-2792
DOI: 10.1055/s-2004-836115
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Dr. med. ungleich M.D.

Dr. med. unequal to M.D.M. Riemer
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eingereicht: 2.6.2004

akzeptiert: 27.7.2004

Publication Date:
16 December 2004 (online)

Die Last der Doktorwürde

„Habe nun ach, ... durchaus studiert mit heißem Bemühen. Heiße Doktor ...” - nicht lediglich Faust hatte bei dem Gedanken an seine Doktorwürde schwer zu tragen. Bis heute quälten sich Generationen von Hochschulabsolventen auf dem Weg zu den heiß begehrten zwei Buchstaben vor dem Namen durch die Promotionsordnungen: „... sie schleppten von Geschlecht sich zum Geschlechte und rückten sacht von Ort zu Ort”.

Freilich waren Doktoren im 18. Jahrhundert zu Zeiten von Mephisto, Dr. Faust und Gretchen zahlenmäßig deutlich seltener anzutreffen als heute, weswegen die Promotion als berufliches und gesellschaftliches Unterscheidungsmerkmal mittlerweile nur noch bedingt taugt (1). Einkommen und Besitz - in Nordamerika seit jeher von größerer Bedeutung als universitäre Würden - haben auch auf dem alten Kontinent Europa inzwischen Stand und akademischen Adel im Ansehen weitgehend verdrängt. Nicht zuletzt, weil die Bildungsexpansion und Öffnung der Hochschulen für alle gesellschaftlichen Schichten seit den 1970er Jahren unübersehbare Spuren hinterließ. Im Telefonbuch bereits jeder Kleinstadt tummeln sie sich: Promovierte Ärzte, Zahnärzte, Rechtsanwälte, Natur-, Geistes- und Sozialwissenschaftler, Philologen, Lehrer und auch Ingenieure. Längst schon dürfen nicht mehr nur Universitäten, sondern selbst Fachhochschulen den Grad des Doktoren („hominus doctus”) verleihen, dies sogar an Absolventen von Bachelor-Programmen. Im Jahre 2001 promovierten in Deutschland 26 000 Absolventen, wobei die medizinischen Fakultäten den größten Anteil stellten (2), da die Promotion für Ärzte noch immer in besonderem Maße als relevant für die Identifikation mit dem Berufsstand gilt (3). Zu dem Begriff der Akademikerschwemme gesellt sich somit die „inflationäre Doktoritis” (4). Wer hat, der hat - und trägt zur Schau.

Assessor jur. Martin Riemer

Sophienstraße 18

50321 Brühl/Rheinland

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