Dtsch Med Wochenschr 2004; 129(51/52): 2793-2796
DOI: 10.1055/s-2004-836116
Medizingeschichte

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die erlernbare Feinheit der Sinne: Zur Historie von Perkussion und Auskultation

The learnable fine perception: history of percussion and auscultationU. Koehler1
  • 1Klinik für Innere Medizin, SP Pneumologie, Intensiv- und Schlafmedizin, Philipps-Universität, Marburg
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Publication History

eingereicht: 9.2.2004

akzeptiert: 24.9.2004

Publication Date:
16 December 2004 (online)

Die Kunst der klinischen Untersuchung

Die Geschichte von Perkussion und Auskultation beweist eindrucksvoll, mit welcher großen Perfektion die Ärzte der damaligen Zeit ihr diagnostisches Handwerk verstanden haben. Mit dem Vertrauen auf die erlernbare Feinheit der Sinne sind sie ihren Patienten gegenübergetreten und haben ihr diagnostisches Können vortrefflich unter Beweis gestellt. Leider gewinnt man heutzutage mehr denn je den Eindruck, dass die grundlegenden Techniken ärztlicher Kunst verloren gehen. Die Ärzte der „Moderne” lassen den Ehrgeiz, eine „Diagnose mittels der Sinne” zu stellen, zunehmend vermissen. Mangelnde Wertschätzung der klinischen Untersuchungsverfahren, aber auch unzureichende Kenntnisse aufgrund schlechter Ausbildung mögen dabei eine Rolle spielen. Die in großer Breite zur Verfügung stehenden technischen Untersuchungsmethoden vermitteln heute den Eindruck, dass mit ihrer Hilfe vieles effektiver und weniger zeitintensiv zu machen sei. Im Zeitalter der hochtechnologisierten Medizin, die zudem von einer gewissen Sprachlosigkeit begleitet wird, sollte die „Kunst der klinischen Untersuchung” jedoch mehr denn je ihre Daseinsberechtigung behalten. Vergleichbar mit den Ärzten der Wiener und Pariser Schule sollten wir wieder lernen, unsere Sinnesqualitäten zu entdecken, sie zu sensibilisieren und sie zum Wohle unserer Patienten zu nutzen. Neben der Sprache ist und bleibt die Sinnesdreiheit Sehen - Hören - Berühren für die anatomisch-klinische Wahrnehmung unerlässlich.

Stethoskopisches Hören bedeutet im Idealfall, anatomische und klinische Erfahrung zu einer Einheit, der Diagnose, zu verschmelzen. Geräuschphänomene erschließen sich jedoch auch heute nur einer geschulten Wahrnehmung. Das ist der Anspruch, den wir in der medizinischen Ausbildung auch weiterhin konsequent vertreten sollten.

Literatur

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  • 16 Skoda J. Abhandlung über Perkussion und Auskultation. Vienna: J.G. Ritter von Mösle 1839

Prof. Dr. Ulrich Koehler

Klinik für Innere Medizin, SP Pneumologie, Intensiv- und Schlafmedizin, Philipps-Universität

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