psychoneuro 2004; 30(11): 596
DOI: 10.1055/s-2004-837081
Blickpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erlebniswelt von Parkinson-Patienten - Wie fühlt sich M. Parkinson an?

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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
02. Dezember 2004 (online)

 
Inhaltsübersicht

Jeder Neurologe stuft die Alltagsbeeinträchtigungen von Patienten mit Morbus Parkinson anhand von Bewertungsskalen ein. Im UPDRS (Unified Parkinsons Disease Rating Scale) werden Alltagsaktivitäten von 0 (normal) bis 4 (dauernd hilfsbedürftig) bewertet. Am Ende steht eine Gesamtsumme, die aber für einzelne Fähigkeiten wenig aussagekräftig ist.

Einen eindrucksvollen "subjektiven" Einblick in die Erlebniswelt von Parkinson-Patienten ermöglicht der Handicap-Dress-Overall, den Dr. Stefanie Gurk auf einem Presseworkshop vorstellte. Dieser Anzug zwingt den Benutzer in eine leicht gebeugte und gebückte Körperhaltung. Unterschenkelschienen schränken die Beugefähigkeit der Knie ein und simulieren zusammen mit einem dicken Schal um den Hals die rigorbedingten Bewegungseinschränkungen der großen Gelenke. Die Unterschenkel werden locker miteinander verbunden, um den Trippelschritt nachzuahmen. Dicke Fausthandschuhe stellen die Mikrographiesymptomatik nach. Eine schlecht durchsichtige Brille schränkt die Sicht ein.

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Welche Alltagseinschränkungen verdeutlicht das Tragen des Overalls?

Die Unfähigkeit, die Gelenke ausreichend zu beugen, lässt den Parkinson-Patienten beim Hinsetzen auf normal hohe Stühle oder eine Toilette rückwärts plumpsen. Das Aufstehen ist ohne Armlehnen fast unmöglich. Wer wagt sich in ein Restaurant, wenn er befürchten muss, dort die Toilette aufsuchen zu müssen und diese dann nicht mehr verlassen zu können? Hinter dem Symptom Mikrographie versteckt sich, wie der Overall zeigt, auch die Unfähigkeit Knöpfe zu öffnen oder zu schließen bzw. kleine Tasten, wie an Telefonen, einzeln zu drücken. Eine Tasse Kaffee einschütten und anschließend ein Einmaldöschen Milch öffnen und leeren, gerät zur strategischen Aufgabe.

Durch den Trippelschritt wird eine auf dem Boden liegende Spielzeugente zum Hindernis, das nur mit Mühe überwunden werden kann. Einzelne Stufen oder Schwellen werden für Parkinsonpatienten zu Barrieren. Es zeigt sich schnell, dass Gleitsichtbrillen bei M. Parkinson durch die gebeugte Körperhaltung ungeeignet sind. Der Patient schaut durch die Nahsichtkorrektur direkt vor sich auf den Boden. Zusätzlich kann jede über Kopf angebrachte Beschilderung nur mit Mühe wahrgenommen werden.

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Neue Qualitätsmaßstäbe

Die Erlebnisse mit dem Overall schärfen den Blick für die verbesserungswürdige Lebensqualität von Parkinsonpatienten und alten Menschen. Jeder Parkinsonpatient sollte in der Lage sein, so lange wie möglich selbständig zu bleiben um sich eine Perspektive für das Alter zu erhalten. Dadurch wird auch seine Motivation, mit der Krankheit zu leben, gesteigert. Erreicht werden kann dies u.a. durch eine adäquate Alltags- und Umfeldgestaltung. Die Bedürfnisse der Kranken müssen in die Umfeldgestaltung einbezogen werden.

Presseworkshop "Erlebniswelt eines Parkinsonpatienten" am 6. Oktober 2004 in Düsseldorf, unterstützt von Pfizer, im Rahmen des 77. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Neurologie mit Fortbildungsakademie

Ilona Kutschki, Mönchengladbach