psychoneuro 2004; 30(11): 597
DOI: 10.1055/s-2004-837084
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Cool bei Stress - Schlecht fürs Herz

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Publication Date:
02 December 2004 (online)

 
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    Menschen, die in Stress-Situationen nach außen völlig "cool" wirken, sind in Wirklichkeit häufig innerlich stark angespannt. Dies scheint, zumindest bei vorgeschädigtem Herzen, das Risiko für Herzrhythmusstörungen zu erhöhen, wie eine Untersuchung des Diplom-Psychologen Tobias Klein von der Universität Homburg/Saar zeigte. Klein untersuchte Patienten, denen wegen einer schweren Herzerkrankung ein sogenannter automatischer Kardioverter-Defibrillator (ICD) eingepflanzt wurde. Dieser Eingriff wird durchgeführt, wenn die Patienten aus organischen Gründen ein erhöhtes Risiko auf einen plötzlichen Herztod haben. Der ICD kann die bedrohliche Herzrhythmusstörungen selbstständig erkennen und durch einen Stromstoß beenden.

    Wie häufig dies geschieht, ist natürlich vor allem von der organischen Grunderkrankung abhängig. Aber auch die Art, wie die Patienten auf Psychostress reagieren, kann eine Rolle spielen. Klein stellte den Patienten Kopfrechenaufgaben, die gerade so schwierig waren, dass sie zu 40 Prozent "patzten". Der Ärger darüber führt zu unterschiedlichen Stress-Reaktionen. Bei einigen Menschen beginnt das Herz schneller zu schlagen, von Klein als "Herzphobie" bezeichnet. Andere sind muskulär verspannt und depressiv. Klein spricht von einem "Negativismus". Wieder andere Menschen offenbaren in Psychotests ein erhöhtes Kontrollbedürfnis.

    Alle drei Reaktionstypen schaden dem Herzen nicht. Die Patienten hatten während der etwa 30 Monate, die sie einen ICD trugen, keine erhöhte Entladungsfrequenz.

    Anders die Patienten, die den Prüfungsstress am "coolsten" wegsteckten. Während des Rechentests hatte sich bei ihnen die Atmung verlangsamt und die Muskeln hatten sich entspannt. Doch für den Psychologen ist diese Stressverarbeitung, die Klein als "Totstellreflex" bezeichnet, die gefährlichste. Klein deutet sie als Zeichen für eine - äußerlich nicht erkennbare - erhöhte Belastungsempfindung. Die Folge sei eine vermehrte Ausschüttung des Stresshormons Kortisol aus der Nebenniere. Das Hormon erhöht die Anfälligkeit des Herzens für Herzrhythmusstörungen.

    Dies erklärt, warum es bei Patienten mit "Totstellreflex" auf lange Sicht am häufigsten zu Entladungen des ICDs kam.

    Quelle: T. Klein et al. Klinische Bedeutung von Stressreaktivität für die Häufigkeit von Schockabgaben bei Patienten mit implantiertem Kardioverter-Defibrillator. DMW 2004; 129 (43): 2291-2294

     
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