Zentralbl Gynakol 2005; 127(5): 282-287
DOI: 10.1055/s-2005-836862
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Die Menstruation und ihre Bedeutung für die Frauengesundheit

Menstruation and its Impact on Women's HealthJ. Bitzer1 , S. Tschudin1 , W. Stadlmayr2
  • 1Universitätsfrauenklinik Basel
  • 2Universitätsfrauenklinik Bern
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Publication History

Publication Date:
29 September 2005 (online)

Zusammenfassung

Die Bedeutung der Menstruation für die Frauengesundheit hat mehrere Dimensionen. Die historisch-soziokulturelle Dimension beleuchtet den Einfluss der gesellschaftlichen und kulturellen Normen, die den Umgang mit menstruierenden Frauen regeln und auf den ersten Blick sehr häufig den Charakter von Ausstossung, Isolation und Herabsetzung zeigten. Nicht selten findet man dabei aber auch indirekte Anzeichen für die Faszination und die Macht, die vom „Blut der Frauen” ausgeht, so dass sich über die ganze Menschheitsgeschichte hinweg eine ambivalente Einstellung zur Menstruation zeigen lässt. Diese Ambivalenz findet man auch im subjektiven Erleben der Menstruation durch die einzelne (moderne) Frau, die letztendlich den biologischen Vorgang der Menstruation emotional und kognitiv bewertet und damit auch entscheidet, ob und wann für sie Menstruation einen Krankheitswert bekommt. Viele empirische Untersuchungen zeigen, dass zwar ein großer Anteil der Frauen die Menstruation als eher lästig empfindet aber gleichzeitig nur ein eher kleiner Teil vollständig darauf verzichten möchte, weil Menstruation ganz offenbar doch etwas mit Eingebundensein in die Natur und in die Gemeinschaft der Frauen zu tun hat. Der medizinische Blick auf die Menstruation ist eher neu und anders: Zum einen kann die uterine Blutung ein Zeichen für eine Erkrankung sein (Uterus, Ovarien) und zum anderen kann sie zu Anämie, Schmerzen, Angst und Frustration bei den Frauen führen. Menstruationsstörungen sind deshalb eine der häufigsten Konsultationsgründe in der Grundversorgung. Die Medizin hat Methoden zur Menstruationsbeeinflussung entwickelt, die letztlich in der Lage sind, die Menstruation zu beseitigen. Aus medizinischer Sicht ist die Menstruation nicht notwendig, oder könnte gar als obsolet betrachtet werden. Der Übergang von „gesunder Menstruation”, „Beeinträchtigung der Lebensqualität durch Menstruation” bis hin zur „Menstruation als Krankheit” ist kontinuierlich und muss in der Praxis häufig durch einen Kommunikationsprozess zwischen Patientin und Arzt festgelegt werden. Die Patientin ist Expertin für ihre Wertvorstellungen, ihre Bedürfnisse und ihre gesundheitlichen Ziele. Der Arzt stellt sein medizinisches Wissen und Können zur Verfügung, welches von der Patientin benutzt werden soll, um zu einer individuellen Lösung des „Menstruationsproblems” zu gelangen.

Abstract

The impact of menstruation on women's health manifests itself on different levels. The sociocultural dimension shows the influence of societal and cultural norm, which regulate the way of dealing with menstruating women. These rules are at first glance in most cultures characterized by rather expulsion, rejection and submission of women. At a closer look many traditions however reflect the fascination and the power which is associated with the “blood of women”, which means that throughout history menstruation is conceived in an ambivalent manner. This ambivalence is still present in the subjective experience of modern women, who experience the biological process of menstruation but finally attribute emotional and cognitive meaning to it. This means that women finally decide when menstruation becomes a “disease” for them. Many empirical studie show that although a majority of women declare menstruation as something negative and disturbing, only a much smaller percentage would want to get rid of it, because menstruation seems to be associated with feelings of connectedness with nature and with other women. The biomedical view on menstruation is historically new and and quite different: Uterine bleeding can either be a sign of disease (uterus, ovaries) or it can lead to anemia, pain, anxiety, frustration in women consulting. Menstrual disorders are in fact one of the most frequent reasons for consultation. Modern medicine has developed a large range of interventions which modify or abolish menstruation. From a medical standpoint menstruation is not necessary and may be obsolete. The transition from “healthy menstruation” to “menstruation related diminuition of quality of life”, to “Menstrual Disease” is continous and has to be elaborated in the physician patient interaction, the patient being expert for her values, aims and health objectives and the physician being the expert for knowledge and information. The patient has to use this to come to a personal and individual solution of her menstruation problem.

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Univ. Prof. Dr. Johannes Bitzer

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4031 Basel

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