Herzschmerz und Leidenschaft in ihrer häufigen, fast regelhaften Verknüpfung im menschlichen Gefühlshaushalt und Schicksal sind keine naturwissenschaftlichen bzw. medizinischen Begriffe. Anhand der Forschungsgegenstände der Psychosomatik und Psychokardiologie wird untersucht, wie sie sich in die Wissenschaftssprache übersetzen und woraufhin sie dort reduziert werden. Anhand der Philosophiegeschichte, der Psychoanalyse, vor allem aber der großen Romane des 19. und 20. Jahrhunderts wird ihre Einbettung in gesellschaftliche und literarische Zusammenhänge und ihr Rückzug aus den großen literarischen Entwürfen des 20. Jahrhunderts erörtert.
Abstract
Heartache and passion, often used in describing human feelings and acts fo fate, are not medical or scientific terms. Using studies in psychosomatics and psychocardiology, we try to find out how these terms can be translated into scientific language and how much of their original meaning is retained or lost in the process. By looking at the history of philosophy, psychoanalysis and mainly at the great novels of the 19th and 20th century we try to define the place of these terms within the social and literary context and the withdrawal from important literary concepts in the 20th century.
Literatur
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1 Weitere Studien finden sich z. B. bei Speidel et al. [76].
2 „Daß Ehe und Liebe einander gegenseitig ausschließen und die radikale Liebe sich militant und reißend gegen die Ehe vollzieht, ist eine Spielregel der Literatur” ([55], S. 72).
3 Freud verrät hier nicht den Namen des Dichters; es handelt sich um das Gedicht „Die Wanderratten” Heinrich Heines, dessen einschlägige 14., vorletzte Strophe lautet: „Im hungrigen Magen Eingang finden/Nur Suppenlogik mit Knödelgründen,/Nur Argumente von Rinderbraten,/Begleitet mit Göttinger Wurst-Zitaten.” Wie man sieht, hat Freud „Knödelgründen” in „Knödelargumenten” abgewandelt ([26], S. 315). Es ist vermutlich eine Fehlerinnerung - die Argumente kommen erst in der folgenden Zeile vor -, aber Freud war gut beraten, die Quelle zu verschweigen: Die „Wanderratten” sind eine ziemlich bösartige sozialkritische Tierfabel, die sich mit dem Scheitern der Revolution von 1848 befasst. Die durchaus unsympathischen Tiere samt ihrer metaphorischen Bedeutung hätten die Kritik Freuds an diesem Frauentyp allzu anstößig erscheinen lassen ([41], S. 334 - 336).
4 Der Vorwurf der Lolitageschichte und der Name stammen, wie erst neuerdings bekannt wurde, von dem Autor Heinz von Lichberg. Dass Nabakov sie nicht gekannt und benutzt habe, ist jedenfalls unwahrscheinlich, aber Nabakovs Werk ist so eigenständig und um so viel bedeutender, dass sich der Plagiatsvorwurf erübrigt [50]
[52].
5 Es ließe sich noch eine Unterform der gesellschaftlichen Ordnungen als weitere Abwehrmodalität ergänzen: die Drohung mit den (tödlichen) Folgen der (unerlaubten) Leidenschaften in Gestalt des mors in coitu, einem zwar seltenen, aber zum Schuld-Strafe-Anspruch von Gesellschaft und Individuum passenden Ereignis. Er geschieht typischerweise nicht im Ehebett, weswegen der Volksmund den Rat kennt: Bleibe im Bett der Ehefrau und vergnüge Dich redlich.
6 Goethe hat dieses Thema vermutlich in seiner „Novelle” verschlüsselt dargestellt. Hier entsteht unverhofft eine dramatische Situation, in der die Fürstin, Heldin der Geschichte, von einem jungen Ritter vor dem einem Schausteller entlaufenen Tiger beschützt werden muss [34]. Man darf dies getrost als Allegorie gefährlicher Triebwünsche lesen. „Dass sich im Innern der beiden jungen Menschen, der Fürstin und Honorios, gleichfalls Tiger geregt haben im Aufkommen einer unstatthaften Neigung, ist spürbar, ohne dass es gesagt zu werden braucht” ([70], S. 336). Der Autor hat zweifellos den untergründigen Sinn der Parabel präzise beschrieben, aber die geheime autobiographische Botschaft noch nicht entschlüsseln können.
7 Der Schriftwechsel Abaelards mit Heloisas ist von manchen als Fälschung angesehen worden, aber der sprachliche und gedankliche Rang sowie die Überzeugungskraft der Texte hätte eines Dichters von höchsten Graden bedurft, so dass eine Fälschung schon deshalb ganz unwahrscheinlich erscheint. Der Verdacht lässt sich wohl eher aus dem Unerhörten des Inhalts erklären.