Zusammenfassung
Hintergrund: Schwere Alkaliverätzungen führen zu einer schweren Limbusstammzellschädigung mit
persistierenden Epitheldefekten und bereits früh zu massiven entzündlichen Infiltrationen
mit nachfolgender stromaler Einschmelzung bis hin zur Hornhautperforation. Eine frühzeitig
mit Zyanoakrylat aufgeklebte harte Kontaktlinse kann als „künstliches Epithel” die
Hornhaut vor diesen Komplikationen bewahren. Fallbericht: Ein 39-jähriger Patient stellte sich eine Woche nach schwerer Kalkverätzung an beiden
Augen vor. Am rechten Auge zeigte sich eine komplett entblößte Hornhaut und Bindehaut
mit zirkulärer schwerer Ischämie des Randschlingennetzes. Links waren „nur” etwa zwei
Drittel von Hornhaut und Bindehaut mit leichterer Limbus-Ischämie betroffen. Beidseits
wurde eine Amnionmembran-Transplantation durchgeführt, die am rechten Auge bereits
nach vier Tagen fehlschlug. Daher wurde an diesem primär schwerer betroffenen Auge
eine harte Kontaktlinse mit Zyanoakrylat aufgeklebt, die dem Patienten über 12 Monate
einen unkorrigierten Visus von 0,4 ermöglichte. Nach Entfernung der Kontaktlinse und
rascher Epithelisierung blieben Oberfläche und Funktion seither unter Gabe von autologen
Serumaugentropfen stabil. Das linke, primär weniger betroffene Auge, von dem man angenommen
hatte, dass die Amniondeckung für eine komplikationslose Heilung ausreichen würde,
konnte nicht stabilisiert werden und erlitt vier Wochen später ein einschmelzendes
perforiertes Hornhautulkus, welches mit einer Mini-Keratoplastik versorgt und zusätzlich
mit Kontaktlinsen-Aufklebung gesichert werden musste. Hier war langfristig nur Metervisus
nutzbar. Schlussfolgerung: Der dargestellte klinische Verlauf bestätigt frühere Beobachtungen, die die Wirksamkeit
aufgeklebter harter Kontaktlinsen beschrieben: Sie bewahren die Hornhaut vor massiver
Infiltration und einschmelzenden Prozessen. Darüber hinaus sind aber zwei Aspekte
wichtig, die in dieser Form bisher zu wenig Aufmerksamkeit gefunden haben: Zum einen
konnte bei richtiger Klebetechnik und richtigem Klebezeitpunkt während der gesamten
Tragezeit eine gute Gebrauchssehschärfe durch die Kontaktlinse hindurch erhalten werden.
Zum anderen erholte sich der stark geschädigte Limbus im Verlaufe eines Jahres so
weit, dass die primär schwerer betroffene Hornhautoberfläche nun ohne Kontaktlinse
stabil konsolidierte und ohne weitere operative Maßnahmen einen guten Gebrauchsvisus
erlaubte, während dies am primär leichter betroffenen Auge, wo die Kontaktlinse zu
spät aufgeklebt wurde, nicht der Fall war. Diese Erfahrung ermutigt, harte Kontaktlinsen
in ähnlichen Fällen früh aufzukleben und lange zu belassen, um Einschmelzungskomplikationen
zu vermeiden, Funktion zu erhalten, bevor es zu Infiltrationen gekommen ist, und dem
Limbus so viel Zeit wie möglich zu geben, um sich bestmöglich zu regenerieren. Dadurch
erfolgt die Reepithelisierung der Hornhaut nicht zu früh durch ungeeignetes Bindehautepithel,
sondern erst nach Erholung der Limbusfunktion durch möglichst viel originäres Hornhautepithel.
Abstract
Background: Severe alkali burns lead to massive limbal stem cell damage resulting in persistent
epithelial defects, infiltration and stromal melting early in the disease process.
A glued-on hard contact lens may serve as an “artificial epithelium” and protect the
cornea from these complications. Case Report: A 39-year-old male presented with severe lime burns in both eyes one week after injury.
The right eye showed a totally denuded cornea and conjunctiva with circular paralimbic
ischemia. In the left eye “only” two thirds of the cornea and adjacent conjunctiva
and limbus were affected with less ischemia. Amniotic membrane transplantation was
performed in both eyes but failed after four days already in the right eye. A hard
contact lens was therefore glued on the right eye and allowed for visual acuity of
0.4 without correction in this primarily most heavily afflicted eye for 12 months
duration. After removal of the contact lens, reepithelisation was quick, and function
remained stable with addition of autologous serum eye drops. The primarily far less
injured left eye, however, for which the amniotic membrane surgery was primarily judged
to be adequate, could not be stabilised. The cornea perforated 4 weeks later necessitating
a mini-keratoplasty plus a glued-on contact lens, and correctable vision never became
better than 1/35. Conclusion: The clinical course confirms former observations that a glued-on hard contact lens
is an effective treatment early after alkali burn and prevents the cornea from infiltration
and melting. Moreover, two aspects merit consideration: first, with proper technique
and timing of the gluing-on a patient may retain useful vision throughout the period
of wearing the contact lens; second, for the long period during which the cornea was
sealed by the contact lens, improper repopulation by conjunctival epithelium was inhibited,
and proper corneal epithelium was given a chance for repopulation after recovery of
the limbal area resulting in a stable surface and useful vision without additional
keratoplasty measures.
Schlüsselwörter
Alkaliverätzung - Limbusstammzellinsuffizienz - aufgeklebte harte Kontaktlinse - Zyanoakrylat
Key words
Alkali burns - limbal stem cell deficiency - glued-on hard contact lens - cyanoacrylate
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Dr. med. Helga Spelsberg
Augenklinik, Universitätsklinikum Düsseldorf, Heinrich-Heine-Universität
Moorenstr. 5
40225 Düsseldorf
eMail: Helga.Spelsberg@uni-duesseldorf.de