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DOI: 10.1055/s-2005-861148
Gestörte Schutzfunktion der Gesichtshaut
Operative Behandlung bei Funktionsstörungen der Gesichtshaut
Dr. Marc Oliver Scheithauer
HNO-Klinik und Poliklinik · Universitätsklinikum Ulm
Prittwitzstraße 45 · 89075 Ulm
Email: marc.scheithauer@medizin.uni-ulm.de
Publication History
Publication Date:
22 April 2005 (online)
- Zusammenfassung
- 1 Strukturmerkmale der Gesichtshaut
- 2 Funktionen der Gesichtshaut
- 3. Grundlagen plastisch-rekonstruktiver Eingriffe an der Gesichtshaut
- 4 Versorgung von Gesichtshautdefekten
- 5 Andere Funktionsstörungen der Gesichtshaut
- 6 Künftige Entwicklungen
- Literatur
Zusammenfassung
Als Grenzorgan zwischen Innen- und Außenwelt hat die Haut in erster Linie eine Schutzfunktion vor mechanischen Schäden, Hitze und Kälte sowie vor energiereicher Strahlung. Durch Rezeptoren für Druck, Bewegung, Wärme und Kälte ist sie gleichzeitig „Sinnesorgan” und über die Schweißsekretion an der Thermoregulation und am Elektrolythaushalt beteiligt. Nicht alle diese Aufgaben sind für die Gesichtshaut relevant, jedoch spielt hier zusätzlich die ästhetische Funktion eine große Rolle.
Störungen betreffen in erster Linie die Schutzfunktion bei Defekten und Narben. Als Prinzipien der operativen Korrektur gelten: Minimale Narbenbildung durch Beachtung der vorgeschlagenen Schnittlinien im Gesicht, Bevorzugung lokaler Hautlappen zur Defektdeckung aufgrund von Hauttextur, Kolorit und Sensibilität sowie die Berücksichtigung der ästhetischen Einheiten. Gewebekulturen, Okklusionsverbände und der Einsatz von Wachstumsfaktoren sind neuere Entwicklungen.
Altersbedingte Hautveränderungen mit Störung der ästhetischen Funktion sind gekennzeichnet durch Faltenbildungen und Erschlaffungen. Die so genannte „Rejuvenation” hat sich zu einem wichtigen Teil der Hautchirurgie entwickelt. Die Oberflächenbehandlung, insbesondere bei Fältelung und Aknenarben ist Einsatzgebiet verschiedener Laser, tiefere Falten können mit Füllmaterialien aufgepolstert werden. Die Einbeziehung des „superficial musculoaponeurotic system” (SMAS) führt bei Gesichtsstraffungen zu dauerhafteren und natürlicheren Ergebnissen. Die Oberlidblepharoplastik wegen überhängender Deckfalten wird in vielen Fällen durch eine Stirnstraffung mit Augenbrauenanhebung ergänzt.
Durch optimierten Einsatz von Wachstumsfaktoren und auch synthetischen Materialien als Matrix wird versucht, die Haut in einer Qualität zu ersetzen, die ihren Funktionen so nahe wie möglich kommt. Insgesamt gilt jedoch weiterhin die Rekonstruktion von Defekten durch einen lokalen Gewebetransfer als Methode der Wahl.
Schlüsselwörter
Rekonstruktive Gesichtschirurgie - Lappenplastiken - Wundheilung - Rejuvenation - Laser - Gewebezüchtung - Wachstumsfaktoren
1 Strukturmerkmale der Gesichtshaut … 234 |
1.1 Aufbau der Haut … 234 |
1.2 Hautfalten und „superficial musculoaponeurotic system” (SMAS) … 234 |
1.3 Nerven und Nervenendorgane … 235 |
1.4 Hautanhangsgebilde … 235 |
1.5 Blut- und Lymphgefäße … 235 |
2 Funktionen der Gesichtshaut … 236 |
2.1 Mechanischer Schutz … 236 |
2.2 Schutz vor Strahlung … 236 |
2.3 Temperaturschutz … 236 |
2.4 Temperaturregulation … 236 |
2.5 Sensibilität … 236 |
2.6 Haut als Immunorgan … 236 |
2.7 Ästhetik und Formgebung … 237 |
3 Grundlagen plastisch-rekonstruktiver Eingriffe an der Gesichtshaut … 308 |
3.1 Ziele chirurgischer Eingriffe … 237 |
3.2 Wundheilung … 237 |
3.3 Ästhetische Einheiten, Falten- und Spannungslinien … 238 |
4 Versorgung von Gesichtshautdefekten … 238 |
4.1 Defektversorgung durch freie Transplantate … 239 |
4.2 Defektversorgung durch gestielte regionale Lappenplastik … 240 |
4.3 Hautexpansion … 242 |
4.4 Epithetische Versorgung von Gesichtshautdefekten … 242 |
4.5 Defektversorgung in speziellen Gesichtsregionen … 243 |
5 Andere Funktionsstörungen der Gesichtshaut … 243 |
5.1 Narben und Keloide … 243 |
5.2 Laserchirurgie bei Tumoren, Narben und anderen Hautveränderungen … 244 |
5.3 Funktionsstörungen bei altersbedingten Hautveränderungen … 244 |
5.4 Talgdrüsenhypertrophie (Rhinophym) … 246 |
5.5 Haarverlust … 246 |
5.6 Hyperhidrose (Aurikulo-temporales Syndrom) … 246 |
5.7 Operative Behandlungsmöglichkeiten bei Sensibilitätsstörungen der Haut … 247 |
6 Künftige Entwicklungen … 247 |
6.1 Biotechnologisch hergestellter Hautersatz … 247 |
6.2 Stimulierung der Wundheilung durch Wachstumsfaktoren … 247 |
Literatur (Hinweis: erscheint nur in der Online-Ausgabe) |
1 Strukturmerkmale der Gesichtshaut
#1.1 Aufbau der Haut
Die Haut (Kutis) besteht aus einem epithelialen Anteil (Epidermis) und einem bindegewebigen Anteil (Korium = Lederhaut, Dermis) (Abb. [1]). Die daruntergelegene Subkutis stellt die Verbindung zu Muskeln und Knochen her. Die gefäßlose Epidermis besitzt eine oberflächliche zellfreie Hornschicht (Stratum corneum) und eine tiefe Keimschicht (Stratum basale), die papillenförmig und damit unverschieblich mit dem Korium verzahnt ist. In diesem Papillarkörper des Koriums liegen die Gefäßnetze (subepidermaler Gefäßplexus), welche die angrenzende Basalzellschicht der Epidermis versorgen. Das Korium besteht aus dicht verflochtenen Lagen von kollagenen und elastischen Fasernetzen, während die Subkutis aus lockerem Bindegewebe und Fettgewebe aufgebaut ist. Die Subkutis dient als Verschiebeschicht der Haut gegen die Unterlage (vor allem Periost und Muskelfaszien) [1]. Außerdem ist sie durch ihre Dicke in bestimmten Gesichtsregionen formgebend (z. B. Jochbeinregion), an anderen Stellen fehlt sie wiederum völlig (z. B. Augenlider, Nasensteg, Ohrmuschelvorderfläche). Im Durchschnitt ist die Epidermis im Gesicht 0,6 mm dick, das Korium 1,5 mm und die Subkutis 6 mm und dicker. Eine Schichtdickenbestimmung ist in grober Annäherung durch Ultraschall oder auch hochauflösende Magnetresonanztomographie möglich [2].
Unsere Haut besteht zu etwa 65 % aus Wasser, zu 22 % aus Proteinen und Mineralien und zu 13 % aus Fett. Sie ist der größte Wasserspeicher des Körpers, wobei ein Drittel der gesamten Flüssigkeit im Korium und der Subkutis enthalten ist. Dabei ist die Hautdicke und damit die Formgebung auch immer abhängig vom Flüssigkeitshaushalt und dem Fettgehalt. Die Haut ist außerdem unser größtes (ca. 2 m2) und schwerstes (ca. 10 kg) Organ. Es hält ein Zuggewicht von 90 kg aus, eine Eigenschaft, die in erster Linie den Fasernetzen im Korium zu verdanken ist [1]. Die Basalschicht der Epidermis enthält auch Melanozyten zum Schutz vor UV-Strahlung. Daneben kann sich die Epidermis unter Sonneneinstrahlung um das 10fache verdicken und so innerhalb von 4 Wochen einen Lichtschutzfaktor 4 erreichen (so genannte Lichtschwiele).
#1.2 Hautfalten und „superficial musculoaponeurotic system” (SMAS)
Man unterscheidet prinzipiell zwischen natürlichen (auch altersbedingten) Faltenlinien, Spannungslinien und „Relaxed Skin Tension Lines” (RSTL). Die mimische Gesichtsmuskulatur ist unmittelbar mit dem Korium verwachsen, weshalb die Haut den Muskelbewegungen folgt. Hieraus entstehen typische Faltenbildungen wie quere Stirnfalten (Musculus frontalis, vertikale Glabellafalten (Musculus procerus, eine Abspaltung des Musculus frontalis an der Nasenwurzel), so genannte „Krähenfüße” (Musculus orbicularis oculi) und radiäre Lippenfalten (Musculus orbicularis oris). Diese Falten liegen in aller Regel senkrecht zum Verlauf der Muskelfasern und werden bei Muskelkontraktionen sichtbar. Andere Falten, wie z. B. die nasolabiale Falte entstehen durch direkte Einstrahlung der Muskulatur des Nasenabhangs (Musculus levator labii superioris alaeque nasi) in den zirkulär verlaufenden Musculus orbicularis oris.
Die so genannten Langer’schen Spannungslinien gehen auf Inzisionsversuche, vor allem an der Rumpfhaut zurück, wobei sich die entstehenden Defekte entsprechend der Richtung der Koriumfasern ovalär ausrichten [3]. Sie spielen für die Chirurgie der Gesichtshaut im Gegensatz zu den RSTL und den Faltenlinien keine Rolle.
Die RSTL sind Faltenlinien, die nach völliger Entspannung der Haut auftreten [4]. Sie sind weitgehend mit den natürlichen Hautfalten identisch, lediglich im Bereich der Lidwinkel kann es zu Abweichungen kommen. Im Allgemeinen wird empfohlen, Inzisionen bei vorhandenen Falten in die Faltenlinien zu legen und sich bei jüngeren Patienten an den RSTL zu orientieren (Abb. [2]).
Das „superficial musculoaponeurotic system” (SMAS) trennt die Subkutis in zwei Schichten und stellt eine direkte Fortsetzung der Galea aponeurotica im Gesichtsbereich dar. Am unteren Parotispol geht das SMAS kontinuierlich in das Platysma über. Nerven und Gefäßbahnen laufen in der tiefen Fettschicht unter dem SMAS, perforierende Gefäße penetrieren die Muskulatur und ziehen zum subepidermalen Gefäßplexus im Korium. Das SMAS funktioniert als Kraftverteiler der Nasenmuskulatur. Wie die mimische Muskulatur und das Platysma wird es durch den N. facialis innerviert [5] [6] [7].
#1.3 Nerven und Nervenendorgane
Ein Quadratzentimeter Korium enthält durchschnittlich 450 Rezeptoren, davon etwa 200 Schmerz-Rezeptoren, 100 Druck-Rezeptoren, 12 Kälte- und 2 Wärme-Rezeptoren sowie ca. 4 m Nervenfasern [8].
Empfindungsvermögen (Tastsinn): Lageveränderungen der Zellen werden an Meissner-Tastkörperchen im Papillarkörper weitergeleitet. Jedes dieser Tastkörperchen hat Kontakt zu etwa 50 Nervenfasern und kann Schwingungen im niederen Frequenzbereich (10 bis 30 Hz) differenzieren. Außerdem vermitteln 60 Millionen Merkel-Zellen in der Dermis Geschwindigkeit und Stärke eines Berührungsreizes [9].
Im Gesicht beträgt der Abstand zwischen diesen Sensoren nur 1 bis 5 mm (vor allem an den Lippen). Der Tastsinn kann Druckdifferenzen von 0,005 g unterscheiden [10] [11].
Thermorezeptoren: Sie liegen in den oberen Hautschichten und reagieren auf Temperaturen zwischen minus 18°C und plus 44°C. Eine besondere Dichte weisen sie an Kinn und Nase (9 bis 13 Rezeptoren pro cm2) und an den Lippen (mehr als 15 Rezeptoren pro cm2) auf. Temperaturen, die über dem genannten Referenzbereich liegen, werden als Schmerz weitergeleitet [12].
#1.4 Hautanhangsgebilde
Schweißdrüsen: Schweißdrüsen sind verantwortlich für den Säureschutzmantel der Haut (pH 4,5) und kommen vor allem im Stirnbereich vor. Im Lippenrot fehlen sie. Durch die Schweißverdunstung sind sie an der Wärmeregulation und auch an der Kochsalzausscheidung (zu ca. 0,4 %) beteiligt [13] [14].
Talgdrüsen: Talgdrüsen sitzen vor allem an den Haarbälgen, kommen jedoch auch frei vor (Lippenrot). Zusammen mit den Schweißdrüsen halten sie die Haut geschmeidig und schützen vor dem Eindringen von Bakterien [15] [16].
Haare: Die Kopfhaut trägt ca. 100 000 Haare pro cm2. Diese wachsen im Durchschnitt 0,3 mm pro Tag und dienen vor allem dem Wärme- und UV-Schutz.
#1.5 Blut- und Lymphgefäße
Größere Arterien kommen nur in der Subkutis vor. An der Grenze zum Korium liegt ein verzweigter Plexus, der überwiegend Haare und Drüsen versorgt. Die Haut wird über den Papillarplexus ernährt (Rete arteriosum subpapillare), aus dem Arteriolen und Kapillaren in die Bindegewebszapfen ziehen. Die Dichte der papillären Kapillaren schwankt um 20 bis 60 pro cm². Da der Blutdruck in diesen Kapillaren höher ist als der Druck des angrenzenden Gewebes bleiben diese stets offen. Aufgrund der Blutversorgung können chirurgisch entweder lokale Lappen ohne ein definiertes zuführendes Gefäß („random pattern flap”) oder größere und längere Hautlappen mit definiertem versorgenden Gefäß („axial pattern flap”) gebildet werden. Auch die Venen bilden Gefäßnetze die in großlumige, auf den Muskelfaszien gelegene, Hautvenen münden.
Gleiches gilt für Lymphgefäße, wobei die Lymphflüssigkeit überwiegend über subkutane Lymphkapillaren abfließt. Diese vereinigen sich zu einem ausgedehnten Lymphgefäßnetz, das mit den Blutgefäßen und dem Bindegewebe eine Einheit bildet. Die Flussrichtung wird durch Klappen, glatte Muskelzellen und rhythmische Kontraktionen der Lymphgefäßwand bestimmt. Ein Ungleichgewicht zwischen Lymphmenge und Transportkapazität bzw. der Lymphzusammensetzung (kolloidosmotischer Druck) führt zu einem Lymphödem im interstitiellen Raum [17] [18] [19] [20].
#2 Funktionen der Gesichtshaut
Ganz im Vordergrund stehen die Schutzfunktionen der Haut als Grenzorgan des Körpers zur Außenwelt. Daneben hat sie vor allem im Gesichtsbereich auch eine ästhetische Funktion.
#2.1 Mechanischer Schutz
Die oberflächliche Hornschicht (Stratum corneum) bietet Schutz vor groben Verletzungen. Darunter liegt eine elastische Verschiebeschicht mit einem trajektionell-angeordneten desmosomalen Haltebandapparat zwischen den Zellen nach dem Prinzip des Scherengitters. Die Epidermis ist mit dem Korium reißverschlussartig verzahnt: Retezapfen der Epidermis sitzen in Papillen des Koriums. Auch im Korium liegt ein elastisches Fasersystem, das in den tiefen Koriumschichten parallel zur Hautoberfläche angeordnet ist, in Richtung Oberfläche ansteigt und schließlich in den Papillen vertikal verläuft. Die Haut ist somit eine elastische Struktur zur Kompensation mäßiger äußerer Krafteinwirkung, während die subkutane Fettgewebsschicht größere Stoß- und Scherkräfte abpolstert. Narben, insbesondere solche mit flächiger Ausdehnung, mindern den Schutz, da mechanische Energie ungebremst auf tiefergelegene Strukturen (Muskeln, Knochen) weitergeleitet werden kann.
#2.2 Schutz vor Strahlung
Energiereiche Strahlung (Röntgenstrahlung, UV-Strahlung) führt zu additiven, irreversiblen Hautveränderungen. Besonders betroffen sind Wechselgewebe wie die epidermalen Basalzellen. Es kommt zur Degeneration von kollagenen Fasern im Korium (Elastose), zur Erweiterung venöser Hautgefäße (Teleangiektasien), Verhornungsstörungen und letztlich zu Präkanzerosen und Malignomen. Die Desmosomen der Basalzellschicht werden zerstört (Akantholyse) und die begleitende Strahlenvaskulitis bewirkt einen exsudativen Entzündungsprozess (Strahlenvaskulopathie mit Mediasklerose) [21]. Als Folge wird die Haut atrophisch und sklerotisch.
Schutzmechanismen der Haut sind Melaninpigmente, Ausbildung einer Hyperkeratose („Lichtschwiele”) und Reparaturvorgänge in der DNS. Sie setzen eine intakte Hautstruktur, insbesondere eine gute Gefäßversorgung, voraus, welche bei Gewebedefekten und ausgedehnten Narben nicht gewährleistet ist.
#2.3 Temperaturschutz
Hitzeschäden durch Temperaturen über 50°C führen über eine Peroxidation der Membranlipide und der Dissoziation makromolekularer Enzymprotein-Komplexe zur Protein-Denaturierung. Unterschieden werden vier Schweregrade von Verbrennungsschäden. Nekrosen (Verbrennung III. und IV. Grades) werden mit einem Granulationsgewebe ausgefüllt und von einer dünnen, funktionsschwachen Epidermis überwachsen. Die Abheilung des Defektes erfolgt über einen stark schrumpfenden Vernarbungsprozess, der zu Keloiden und Kontraktionen führen kann [22].
Bei Kälteschäden verzögert sich die Sauerstoffdissoziation im Hämoglobin und die Kohlendioxidlöslichkeit im Plasma steigt an [23]. Das Wasser kristallisiert aus und führt zur Zellnekrose. Besonders betroffen sind periphere Gesichtsteile (Nase, Ohren). Auch hier werden vier Schweregrade mit ähnlicher Symptomatik wie bei Verbrennungen unterschieden [24] [25].
#2.4 Temperaturregulation
Die meisten Schweißdrüsen finden sich an Hand und Fußsohlen, deutlich weniger im Kopfbereich (z. B. Stirnhaut). Die Gesichtshaut spielt damit eine untergeordnete Rolle in der Temperaturregulation [26].
#2.5 Sensibilität
Hier spielen Tastempfinden sowie Schmerz- und Thermorezeptoren eine wesentliche Rolle (s. oben). Sie schützen vor mechanischen, thermischen und chemischen Noxen. Unterschiedliche Schmerzrezeptoren sprechen auf die o. g. Reize an. Der dumpfe, diffuse Schmerzcharakter wird durch marklose Nervenfasern weitergeleitet, während der helle, gut lokalisierbare Schmerz über markhaltige Nervenfasern übermittelt wird. Die Nervenfasern enden frei in der Epidermis. Im Gesichtsbereich werden die somatoafferenten Schmerzbahnen über neuronale Verschaltungen des nozizeptiven Trigeminussystems vermittelt. In Narbenbereichen sind diese Funktionen nicht vollständig gewährleistet, weshalb Narben bei operativen Eingriffen auf ein Minimum beschränkt sein sollten. Der Grad der Reinnervation ist bei Transpositions- oder Rotationslappen am größten, während bei Vollhauttransplantaten nur mit einer verminderten sensiblen Qualität zu rechnen ist. Bei mikrovaskulär-anastomosierten Transplantaten war trotz Nervenrekonstruktion keine Steigerung der Hautsensibilität möglich. Aus diesem Grund wird eine aufwändige sensible Nervennaht nicht empfohlen [27] [28]. Durch evozierte Hirnrindenpotenziale konnte die Reinnervation von unmyelinisierten C-Fasern und myelinisierten A-δ-Nozizeptoren in myokutanen Lappen bestimmt werden [29].
Entscheidend für die Reinnervationsgüte ist die Beschaffenheit des Transplantationsortes. Werden frische Wunden mit einem primären Transplantat versorgt, liegen die Chancen für die sensible Reinnervation weitaus günstiger als bei sekundärer Versorgung. Insbesondere dort, wo sich nach der Transplantation eine fibröse Narbenplatte ausbildet, sind die Voraussetzungen für die Sensibilität ungünstig. Die Nervenregeneration in einheilenden Transplantaten bleibt in der Regel uneinheitlich. Dies entspricht den klinischen Beobachtungen, dass eine vollständige Sensibilität untersuchungstechnisch fast nie zu beobachten ist, obwohl die Patienten einen ausreichenden sensorischen Schutz empfinden [30] [31].
#2.6 Haut als Immunorgan
Der Schutzmantel der intakten epithelialen Haut kann eine Erregerinvasion in der Regel verhindern. Bakterien, Viren und Parasiten, die diese Barriere überwinden, werden sofort durch gewebsgebundene Makrophagen als körperfremd erkannt und durch Phagozytose zerstört. Dies führt zu einer mediatorvermittelten Entzündungsantwort des Organismus (Einzelheiten s. Kapitel 3.2). Wenn die lokalen Immunreaktionen nicht ausreichen und eine Infektion nicht verhindert werden kann, werden die zwischen den Keratinozyten befindlichen Langerhans-Zellen (dentritische epidermale T-Zellen) aktiviert, deren Hauptaufgabe eine Konzentrierung des antigenen Materials darstellt. Durch ihre große Oberfläche sind sie für die Antigen-Präsentation gegenüber B-Zellen besonders geeignet. Sie gehören mit zu den Hauptakteuren, die die T-Zell-Immunantwort initiieren. Die dentritischen Zellen entstehen im Knochenmark aus Vorläuferzellen [32] [33] [34].
Wegen des nur geringen Anteils der Gesichtshaut an der Gesamtoberfläche der Haut spielt die Störung und operative Behandlung dieser Hautfunktion im Rahmen des Referates keine Rolle und ist auch durch chirurgische Maßnahmen nicht zu beeinflussen.
#2.7 Ästhetik und Formgebung
Die ästhetische Funktion der Gesichtshaut ist für die meisten Menschen genauso wichtig wie die Schutzfunktion. Neben entstellenden Narben und Missbildungen spielen auch Alterungsprozesse eine Rolle. Zu nennen sind hier Faltenbildungen (Stirn, Glabella, nasolabiale Falte, periorale und periokuläre Falten), die durch Oberflächenbehandlung (z. B. Laser), Gewebeaugmentation (z. B. Gore-Tex) oder durch Straffung (Face-Lift-Techniken) behandelt werden können.
Die Formgebung bestimmter Strukturen im Gesichtsbereich, wie z. B. Augenlider, Nasenflügel, Ohrmuscheln ist weniger durch die Haut als durch darunterliegende Stützstrukturen bedingt (Tarsus, Nasenflügelknorpel, Ohrmuschelknorpel). Bei ausreichender Elastizität und Größe wird sich die Haut diesen Stützstrukturen anpassen. Umgekehrt kann sie diese jedoch auch verformen, wenn sie z. B. narbig geschrumpft ist. Dies ist vor allem bei weniger stabilen Geweben wie Tarsus und dünnem Knorpel der Fall. Bei Rekonstruktionen ist daher immer auf eine ausreichende Dimension von Hautlappen und auf Spannungsfreiheit zu achten.
Auch die Dicke der Haut spielt für die Formgebung eine Rolle, insbesondere dort, wo normalerweise keine subkutane Fettgewebsschicht vorhanden und die Haut unmittelbar zusammen mit den darunter liegenden Stützstrukturen formgebend ist (z. B. Ohrmuscheln, Nasensteg). Eine zu dicke Haut in diesen Arealen wird zu Formstörungen führen.
#3. Grundlagen plastisch-rekonstruktiver Eingriffe an der Gesichtshaut
#3.1 Ziele chirurgischer Eingriffe
Wesentliche Ziele sind die Wiederherstellung einer intakten Hautoberfläche ohne narbige Verziehungen von Nachbarregionen (wie z. B. Augenlider, Nasenflügel, Lippen) sowie eine funktionelle Formgebung (z. B. Nasenlochrand) ohne auffallende ästhetische Folgen. Dabei spielen Textur und Kolorit bei Defektdeckungen und die Lage verbleibender Narben eine wesentliche Rolle. Die Wiederherstellung einer intakten Hautoberfläche ist gleichzeitig die Wiederherstellung der Schutzfunktionen der Gesichtshaut vor mechanischen, thermischen und chemischen sowie strahlenbedingten Schäden. Dabei spielt auch der Erhalt der Sensibilität im Defektbereich eine wichtige Rolle. Diese, sowie günstige Oberflächeneigenschaften im Gesichtsbereich werden im Wesentlichen nur durch die Gesichtshaut erfüllt, weshalb die lokalen (Spenderbezirk grenzt an Defekt) und regionalen (Spenderbezirk in näherer Umgebung) Lappenplastiken bei der operativen Behandlung von defektbedingten Funktionsstörungen im Vergleich zu freien Transplantaten (auch gefäßgestielten Lappen) eine überragende Rolle spielen. Dabei sollen negative Folgen einer chirurgischen Rehabilitation, vor allem relevante ästhetische und funktionelle Störungen (Motilität) vermieden werden [35].
In Ausnahmefällen kann bei kleineren Hautdefekten die Sekundärheilung ohne funktionelle und kosmetische Einbußen abgewartet werden. Dies betrifft vor allem die Regionen des medialen Lidwinkels, der lateralen Flügelknorpel, der nasolabialen Falte, der Schläfe sowie der konkaven Flächen der Ohrmuschelvorderseite und des retroaurikulären Sulkus [36].
Die operative Behandlung von Funktionsstörungen der Gesichtshaut, also in erster Linie von Wunden, Defekten und Narben mit Beeinträchtigung von Funktionen (z. B. narbige Verziehung) und Ästhetik muss daher viele Aspekte berücksichtigen und genau geplant werden.
#3.2 Wundheilung
Diese verläuft im Wesentlichen in 3 chronologischen Phasen [37]:
Exsudative Phase (1. bis 3. Tag)
Eine provisorische Matrix aus Fibrin bildet einen „natürlichen Verband”.
Neutrophile Granulozyten und Monozyten, aktiviert durch Komplementfaktor C5a und Tumornekrosefaktor-α, Chemokine und Interleukin 8, veranlassen die Phagozytose von Bakterien und Zelltrümmern im Wundgebiet. Aktivierte Monozyten wandeln sich in Makrophagen um und synthetisieren gewebeabbauende Enzyme (Elastase, Glycosidase, Matrixmetalloproteinasen), um freie Flächen für die Reparation zu schaffen.
Proliferative Phase (4. bis 7. Tag)
Keratinozyten, Fibroblasten und Angioblasten wandern vom Wundrand über die provisorische Fibrinmatrix in das Wundzentrum ein, proliferieren und differenzieren sich. Die Fibrinmatrix wird umgewandelt und produziert Zelladhäsionsproteine (sog. Integrine), die den Zusammenhalt von Zellverbänden ermöglichen. Endothelzellen steigern durch „Vascular-Endothelial-Growth-Factor” (VEGF) die Zellproliferation und die Vasopermeabilität. Fibroblasten werden überwiegend von thrombozytären Wachstumsfaktoren zur Kollagensynthese stimuliert. Das Gesamtsystem wird durch positive und negative Feed-back-Mechanismen selbstreguliert. Am Ende der Proliferationsphase steht das Granulationsgewebe.
Reparative Phase (ab 8. Tag)
Fibroblasten synthetisieren Kollagen Typ III (Gefäße), Typ I (Haut, Knochen, Sehnen) sowie die Kollagen-Typen IV (Basalmembran) und VII (sog. dermo-epidermales Ankerkollagen). Einige Fibroblasten wandeln sich in Myofibroblasten um, die Aktin-Myosin-Filamente zwischen den Kollagenfibrillen ausbilden (sog. cross-links) und sich in Längsrichtung kontrahieren (Wundkontraktion). Zwischenzeitlich wird die Wundoberfläche reepithelisiert, indem sich Keratinozyten im Reißverschlussverfahren zusammenlegen (sog. „free-edge-effect”). Die Phase der Remodellierung besteht in einem Funktionsgleichgewicht zwischen Matrixmetalloproteinasen (MMP) und deren Inhibitoren, den Tissue-Inhibitor-Metalloproteinasen (TIMP).
Eine nicht kontaminierte Hautwunde ist nach chirurgischem Primärverschluss bereits am 2. postoperativen Tag epithelisiert und ab dem 4. Tag gegen Bakterieninvasion geschützt [38]. Eine Stabilität im Sinne der Reißfestigkeit entwickelt sich ab dem 8. Tag („cross-links” und Beginn der Wundkontraktion) und nimmt nach der dritten Woche nicht mehr zu. Da die Wundheilung im Gesicht durch gute Perfusion bei geringem hydrostatischem Druck im Venen- und Lymphsystem günstige Voraussetzungen bietet, ist eine Fadenentfernung bereits zwischen dem 5. bis 7. postoperativen Tag möglich, insbesondere wenn Spannungen durch subkutane Nähte aufgefangen werden. In talgdrüsenreichen Arealen (z. B. Nasenspitze) sollte die Hautnahtentfernung noch früher erfolgen, um epithelisierte Stichnarben zu vermeiden. Zu beachten ist bei Gesichtsnarben die Gefahr der Hyperpigmentation bei Sonnenlichtexposition, welche bis etwa 60 Tage postoperativ besteht und Sonnenschutzmittel mit hohem Schutzfaktor empfehlenswert macht.
Verbände im Gesichtsbereich dienen dem äußeren Schutz, der Kompression zur Vermeidung von Schwellungen und der Förderung der Wundheilung. Hierfür sind besonders so genannte Okklusiv-Verbände geeignet. Sie fördern eine rasche Epithelisierung, reduzieren den Wundschmerz, senken die Infektionsrate und können zu besseren ästhetischen Ergebnissen führen. Die Menge an nekrotischen und fibrinösen Anteilen ist bei okkludierten Wunden geringer, durch die erhöhte Feuchtigkeit wird die Angiogenese und die Interaktion zwischen Wachstumsfaktoren und Zielzellen gefördert. Entsprechend ist der Gehalt an Fibroblasten und Entzündungszellen geringer wodurch auch das Ausmaß der Vernarbung reduziert werden kann [39]. Spätestens ab dem 5. postoperativen Tag wird bei normaler Wundheilung im Gesichtsbereich kein Wundverband mehr benötigt.
Die alloplastische Gewebeklebung mit Acrylaten wird zur Versorgung von kleineren Hautverletzungen, insbesondere bei Kindern empfohlen. Als Spray wirkt es bei Abschürfungen wie ein Okklusiv-Verband und erwies sich im Tierversuch weder als gewebetoxisch noch als nachteilig für die Wundheilung [40]. Zwar war bei konventionellem perkutanem Nahtmaterial in den ersten sieben Tagen nach Wundverschluss die Wundstabilität größer als mit dem Acrylatkleber, allerdings auch die Gewebereaktion und die Bakterieninvasion. In einer Untersuchung zeigte sich nach sieben Tagen kein Unterschied in der Wundstabilität im Vergleich zwischen Wundklebung und Primärnaht [41]. Die Wundheilung kann auch durch allogenen Fibrin-Kleber gefördert werden, insbesondere bei großflächigeren Wunden und Versorgung mit Hauttransplantaten. Im Tierversuch ist dieser Effekt jedoch abhängig von der Dicke des aufgebrachten Fibrinfilmes. Ein zu dicker Film (mehr als 0,06 ml pro cm2) kann sogar nachteilig für die Revitalisierung des Transplantates sein [42].
#3.3 Ästhetische Einheiten, Falten- und Spannungslinien
Ästhetische Einheiten stellen durch die natürliche Formgebung definierte Areale der Gesichtshaut dar, welche nach Möglichkeit bei Defekten als Ganzes zu ersetzen sind, selbst wenn die Defektgröße kleiner als die jeweilige Einheit ist (Abb. [3]). Am Ende sollte im Idealfall eine ästhetische Einheit als Fläche rekonstruiert sein, ohne durch Narbenlinien unterbrochen zu werden. Bei Defekten, die mehrere ästhetische Einheiten betreffen, sollte die Rekonstruktion jeder Einheit eigenständig erfolgen. Diese Idealvorgaben sind natürlich nicht immer einzuhalten und abhängig von Defektlage, Größe und Umgebung. Neben Einheiten des Gesichtes gibt es auch Untereinheiten für bestimmte Regionen, vor allem für Nasenrekonstruktionen (Abb. [4 a, b]). Das Prinzip der ästhetischen Einheiten gilt jedoch nicht nur für die Defektversorgung, sondern auch für die Entnahmeregion bei Hautverschiebung. Auch hier sollte als Endzustand eine möglichst ungestörte ästhetische Einheit zurückbleiben.
Falten- und Spannungslinien (RSTL) sind Vorgaben für Inzisionen oder Exzisionen der Gesichtshaut (Abb. [5]). Sie sind zum einen nur wenig auffällig, zum anderen klaffen die Wundränder am wenigsten auf und der Wundverschluss verursacht minimale Spannung. Liegen Narben quer zu diesen Linien, so lassen sie sich durch Z- oder multiple W-Plastiken, zumindest teilweise parallel ausrichten (Abb. [6]) [43] [44].
#4 Versorgung von Gesichtshautdefekten
Im Rahmen dieses Referates können nur Prinzipien und spezielle Gesichtspunkte mitgeteilt werden. Ausführlicheres ist in den Operationslehren und im Referateband der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohrenheilkunde, Kopf- und Halschirurgie 1977 [45] nachzulesen.
#4.1 Defektversorgung durch freie Transplantate
Freie Hauttransplantate (engl. „graft”) sind auf ein gut durchblutetes Empfängerbett sowohl im Wundrand, als auch im Wundgrundbereich angewiesen. Spalthaut (0,2 bis 0,5 mm dick) ist bezüglich der Einheilungstendenz günstig und kann als „mesh-graft” auch größere Wundflächen decken. Nachteilig ist die starke Schrumpfungstendenz und das ungünstige ästhetische Ergebnis. Spalthaut findet daher im Gesichtsbereich in der Regel keine Anwendung.
Vollhaut (0,5 bis 1 mm Dicke) umfasst Epidermis und Dermis ohne subkutanes Fettgewebe. Die Schrumpfungstendenz ist geringer als bei Spalthaut, das Transplantat kann wegen seiner Dicke auch bei tiefer reichenden Defekten und gutem Granulationsuntergrund verwendet werden. Als Spenderregion kommen die retroaurikuläre und supraklavikuläre Haut in Betracht, jedoch ist auch hier das ästhetische Resultat meist nur mäßig. Am ehesten sind sie bei älteren Patienten geeignet, die keine aufwändige oder mehrzeitige Defektrekonstruktion wünschen (Abb. [7 a, b]) [46].
Haut-/Knorpeltransplantate aus der Ohrmuschel (composite-graft) sind geeignet für Oberflächenrekonstruktion inklusive Formgebung [47] [48]. Ihre Schrumpfungstendenz ist gering, allerdings ist die Einheilung problematisch. Die Ernährung kann nur über die Transplantatränder erfolgen, da eine Gefäßeinsprossung vom Wundgrund durch den dazwischen liegenden Knorpelanteil nicht möglich ist. Entsprechend ist die Größe dieser Haut-/Knorpeltransplantate limitiert (ca. 1,5 cm Durchmesser). Zur Rekonstruktion der Hautoberfläche sind sie, insbesondere aus ästhetischen Gründen, wenig geeignet. Vielmehr lassen sie sich gut als Innenauskleidung zum Nasenflügelersatz oder als Schleimhaut-/Knorpeltransplantat aus dem Nasenseptum zum Tarsus-Bindehautersatz verwenden.
Mikrovaskulär-anastomosierte Transplantate sind geeignet zur Defektdeckung ausgedehnter Wundareale, insbesondere bei vorbestrahlter Haut [49] [50]. Haut/Faszientransplantate aus dem Unterarm sind gut formbar und können als „Tandemlappen” sowohl für die Innen- und Außenauskleidung eines Defektes verwendet werden [51]. Die ästhetischen Ergebnisse im Gesicht sind allerdings unbefriedigend. Haut-/Muskellappen für tiefe Defekte und Haut-/Knochenlappen zur Rekonstruktion von Mittelgesicht oder Unterkiefer sind weitere Alternativen, insbesondere um ein vitales Lager für extra- und intraorale Implantate zu bilden. Nachteilig sind der hohe zeitliche Aufwand, mögliche Gefäßkomplikationen und Komplikationen in der Spenderregion (z. B. Wundheilungsstörung, Narbenkontrakturen). Die Ästhetik ist aufgrund anderer Textur und Farbe der transplantierten Haut meist ungünstig [52] [53] [54] [55].
#4.2 Defektversorgung durch gestielte regionale Lappenplastik
Die lokale oder regionale Lappenplastik (engl. „flap”) ist im Gesichtsbereich die am besten geeignete Art der Defektversorgung im Hinblick auf Ästhetik und Funktion. Sie setzt allerdings eine genaue Planung und Kenntnis der verfügbaren Optionen voraus. Die Ernährung der verlagerten Haut erfolgt über den Lappenstiel, wobei es zwei verschiedene Möglichkeiten gibt:
1. Versorgung über eine definierte Arterie (axial versorgter Lappen, Arterienlappen, „axial pattern flap”):
Diese Lappen können bei schmalem Stiel sehr lang sein. Beispiele hierfür sind der mediane oder schräge Stirnlappen (Abb. [8]) sowie der kaudal gestielte nasolabiale Lappen (Abb. [9]). Eine Sonderform ist der myokutane Insellappen, bei dem die Arterie im Muskelstiel liegt, welche die periphere Hautinsel versorgt. Typisches Beispiel ist der myokutane Pectoralis-major-Insellappen oder der Latissimus-dorsi-Lappen. Wegen ihres voluminösen Lappenstieles und der abweichenden Hautstruktur kommen Haut-Muskel-Lappen im Gesichtsbereich nur ausnahmsweise bei tiefgehenden Defekten, (z. B. Parotiskarzinom mit Hautresektion) in Betracht [56]
[57]
[58].
2. Willkürlich gebildete Lappen („random pattern flap”) werden aus dem ubiquitär vorkommenden subepidermalen Gefäßplexus über subkutan gelegene Arterien gespeist. Diese sind statistisch verteilt und erlauben die Bildung von Hautlappen limitierter Größe in Bezug auf das Verhältnis von Lappenlänge zu Lappenbreite. Wegen der im Allgemeinen guten Blutversorgung der Haut im Gesichtsbereich wird ein Verhältnis von Lappenlänge zu Lappenbreite von 3 : 1 als geeignet angesehen, wobei jedoch individuelle Umstände berücksichtigt werden müssen (Alter, Rauchen, vorbestehende Narben) [59] [60].
Nach Art der Hautverschiebung unterscheidet man folgende Lappenarten:
Verschiebelappen: Hierbei handelt es sich um eine lineare Hautverschiebung, wie sie z. B. regelmäßig bei klaffenden Wundrändern durch Unterminierung der angrenzenden Haut erfolgt [61] [62] [63].
Transpositionslappen: Der Lappen wird um einen Drehpunkt am Lappenstiel um 90° oder mehr geschwenkt, wobei meist eine Aufwerfung am Lappenfuß in einem Zweiteingriff korrigiert oder der gesamte Lappenstiel abgetragen werden muss. Ein Beispiel hierfür ist die Defektversorgung im Nasenbereich durch einen Stirnlappen verschiedener Länge (Abb. [10 a, b]) [64].
Rotationslappen: Rotationslappen sind im Gesichtsbereich besonders geeignet, weil sie einzeitige Verfahren sind und Haut aus Nachbarregionen in den Defekt verlagern, welche am besten in Farbe und Textur der Empfängerregion entsprechen. Sie können an jeder Stelle des Gesichtes gebildet werden. Sonderformen sind die rhomboiden Lappen nach Limberg oder Dufourmentel sowie mehrgeteilte Lappen [65] [66].
Zweizipfliger Lappen („bilobed flap”): Bei einem „bilobed flap” dient der erste Lappen als Rotationslappen zur Defektversorgung, der zweite Lappen als Transpositionslappen zum Verschluss der Spenderregion. Dabei nutzt man den Umstand, dass der zweite Lappen kleiner sein kann als der erste und aus einer Region mit gut verschieblicher Haut stammt, welche einen primären Wundverschluss ermöglicht [67] [68] [69]. Beispiel: Defektdeckung am seitlichen Nasenabhang durch angrenzenden Rotationslappen, Versorgung des Spenderbezirkes mit einem Transpositionslappen aus der Glabella.
Insellappen: Subkutan gestielte Insellappen bestehen aus einer Hautinsel, die von einem subkutanen Fettgewebsstiel versorgt wird. Die Hautinsel wird entweder direkt in einen angrenzenden Defekt verschoben („subcutaneous sliding flap”) oder in einen entfernter liegenden Defekt unter einem Hauttunnel durchgezogen. Am häufigsten wird diese Art der Defektversorgung nach Entnahme eines Composite-graft aus der Concha der Ohrmuschel verwendet, seltener im Gesichtsbereich, da dort aufgrund der resultierenden Narben (ästhetische Einheit) das ästhetische Ergebnis meist nicht zufriedenstellend ist [70] [71]. Wo einsetzbar kann der subkutan gestielte Insellappen jedoch eine Alternative zur Vollhauttransplantation sein (Abb. [11 a, b]).
Wesentliche Gesichtspunkte zur Planung der Defektversorgung durch lokale und regionale Lappen sind neben der notwendigen Größe die ästhetischen Einheiten von Empfänger- und Spenderregion, die resultierenden Narben in beiden Arealen (RSTL) sowie die entstehenden Spannungen (Linie zwischen Lappenfuß und am weitesten entfernten Defektrand). Durch die Lappenverlagerung darf es nicht zu einer Verziehung im Bereich der Spenderregion kommen (vor allem Unterlid, Nasenflügel, Lippe) [72].
#4.3 Hautexpansion
Eine Hautexpansion in der Spenderregion kann zum einen die Transplantatfläche vergrößern, zum andern einen primären Verschluss des Entnahmedefektes ermöglichen. Die Expander verschiedener Größe und Form werden häufig im Stirnbereich eingesetzt, da das Stirnbein ein stabiles Widerlager für die Expansion bietet. In der Regel wird die Haut über 6 bis 8 Wochen durch Füllung über ein subkutan implantiertes Portsystem aufgefüllt (PTE = Prolonged Tissue Expansion) (Abb. [12 a, b]) [73] [74] [75].
Vor allem bei Stirnlappen lässt sich dadurch die Verlagerung von Haaren im Lappenrand vermeiden und der Entnahmedefekt primär verschließen. Die expandierte Haut zeigt histologisch eine Abflachung der Rete-Leisten, eine Erhöhung der Mitoserate der Basalzellen, eine Zunahme der Fibroblasten-Proliferation sowie eine Fettzellatrophie.
#4.4 Epithetische Versorgung von Gesichtshautdefekten
Epithesen dienen vor allem der Wiederherstellung der Form und damit der körperlichen Integrität bei ausgedehnten Defekten. Darüber hinaus können sie jedoch auch Funktionen übernehmen. Nasenepithesen begünstigen die Befeuchtung der Nasenschleimhaut und vermindern die Verborkung. Die Ohrepithese ermöglicht das Tragen einer Brille.
Klebeepithesen werden durch hautverträgliche Kleber fixiert, dennoch kann es zu Hautmazerationen kommen. Klebeepithesen eignen sich vor allem für den Nasen-, Orbita- und Ohrmuschelersatz.
Knochenverankerte Epithesen nutzen die Osseointegration von Titanschrauben in vitalem Knochen. Die im Knochen fixierten Titanplasma-beschichteten Schrauben halten einer funktionellen Belastung stand. Sie können Magnete, Titan-Stegkonstruktionen oder auch 3-D-Trägerplatten aufnehmen. Sie bieten bei Einheilung eine sichere Verankerung, sind jedoch zeitaufwändig und teuer. Vor allem in bestrahltem Gewebe kann es zu Implantatverlusten kommen. Indikationen für eine epithetische Versorgung sind Situationen, in denen andere operative Verfahren zu aufwändig, zu unsicher (Vorbestrahlung, Narben) oder das erwartete Ergebnis ästhetisch unbefriedigend ist (Abb. [13 a, b]) [76] [77] [78] [79].
#4.5 Defektversorgung in speziellen Gesichtsregionen
Für die Defektversorgung von Nase, Augenlidern, Lippe und Wange gibt es eine Reihe operativer Möglichkeiten, welche auf die oben beschriebenen Prinzipien zurückzuführen sind und bei denen die angegebenen Planungsgesichtspunkte berücksichtigt werden müssen. Sie können im Einzelnen nicht in diesem Rahmen besprochen werden und sind in den einschlägigen Operationslehren nachzulesen [80] [81].
#5 Andere Funktionsstörungen der Gesichtshaut
#5.1 Narben und Keloide
Narben, hypertrophe Narben und Keloide entstehen nur, wenn eine Verletzung oder Inzision bis in den Papillarkörper reicht. Oberflächlichere Läsionen heilen narbenlos ab.
Unter einer hypertrophen Narbe versteht man eine verstärkte, erhabene und gerötete Narbenbildung, die das ursprüngliche Wundgebiet nicht überschreitet und sich innerhalb von Monaten oder Jahren zurückbildet. Dagegen ist das Keloid durch eine überschießende Narbenbildung gekennzeichnet, die über das ursprüngliche Verletzungsareal in gesunde Haut hineinreicht und keine Rückbildungstendenz aufweist [82]. Es hat damit klinisch die Eigenschaften eines gutartigen Tumors, der bei Exzision eine hohe Rezidivneigung zeigt.
Für die Keloidentstehung gibt es verschiedene Theorien:
-
Myofibroblasten differenzieren sich nicht zu Fibrozyten, die normalerweise apoptotisch absterben. Dabei kommt es zu einer Vernetzungsstörung der kollagenen Fasern, die ungeordnet abgelagert und durch einen hohen Proteoglykananteil verkittet werden [83].
-
Lymphozyten persistieren im Wundareal und produzieren angiogenetisch wirksame Zytokine. Diese vermitteln eine Steigerung der Angiogenese mit gesteigertem zellulären Umsatz. Eine limitierende Apoptose findet ebenfalls nicht statt [84].
-
Erhöhung des profibrotischen Zytokins Transforming Growth Factor-ß (TGF-β) mit entsprechend erhöhter Fibroblastenzahl, die wiederum Typ-I- und IV-Kollagen synthetisieren. Ursache des erhöhten TGF-ß kann eine erhöhte Zugspannung in der Wunde mit Störung der „Feedback”-Mechanismen sein [85].
Die Störung ist nicht auf eine bestimmte Phase der kutanen Wundheilung beschränkt, sondern betrifft mehrere Wundheilungsabläufe, insbesondere auf zellulärer Ebene, mit der Folge einer gesteigerten Kollagensynthese [86]. Hypertrophe Narben können durch Vermeidung von Wundspannungen und Schnittführungen parallel zu den RST-Linien vermieden werden. Auch das Nahtmaterial spielt eine Rolle, monofile Fäden sind für die Hautnaht zu bevorzugen [87]. Hypertrophe Narben passen sich in der Regel nach Ablauf eines Jahres dem Hautniveau an.
Eine prophylaktische intraläsionale Kortikoidsteroidinjektion wird zur Keloidprophylaxe empfohlen (Tab. [1]) [85].
Tag 0: Injektion 1: Triamcinolon Acetonide 40 mg/ml, Lidocaine 2 % mit Epinephrin 1 : 100 000 (Konzentration 1 : 1) |
1. Monat: Injektion 2 (wie Injektion 1) |
2. Monat: Injektion 3 (wie Injektion 1) |
3. Monat: Exzision und Injektion 4 (Triamcinolon 10 mg/ml) |
5 - 7 Tag post-op: Entfernung des Nahtmaterials, Anbringung Silikon-Gel-Druckverband |
1 - 3 Wochen post-op: Injektion 5 (wie Injektion 1, nur in der Konzentration 1 : 3) |
4 - 6 Wochen: Injektion 6 (wie Injektion 5) |
4 - 6 Wochen: Injektion 7 (wie Injektion 5) |
4 - 12 Wochen: Injektionen fortsetzen |
Keloide betreffen vor allem die retroaurikuläre Hautregion und sind in der übrigen Gesichtshaut eine ausgesprochene Rarität [88]. Die alleinige Exzision führt in über 80 % der Fälle zu meist ausgedehnten Rezidiven innerhalb von 2 Jahren. Bessere Ergebnisse liefert die intramarginale Exzision, nach Möglichkeit kombiniert mit einer intraläsionalen Kortikoidinjektion alle 3 Monate über 2 Jahre [89] sowie einer Kompressionsbehandlung.
Die Druckbehandlung zur Rezidivprophylaxe nach Keloidexzision hat folgende Effekte [90]:
-
Über einen reduzierten Blutfluss kommt es zu einer Abnahme des Alpha II-Makroglobulinspiegels und einer Erhöhung des Kollagenabbaues durch Kollagenase.
-
Auch niedrige Chondroitin-IV-Sulfat-Spiegel bewirken einen erhöhten Kollagenabbau.
-
Durch Mastzell-Stabilisation wird die Angiogenese reduziert und weniger extrazelluläre Matrix produziert.
-
Die Hypoxie führt schließlich zur Degeneration von Fibroblasten und zum Kollagenabbau.
Im Gesichtsbereich ist die mehrwöchige Druckbehandlung durch die Patienten-Compliance problematisch und kommt wohl nur bei ausgedehnten Verbrennungsnarben in Betracht. Im Bereich der Ohrmuschel, insbesondere am Ohrläppchen, kann sie hingegen leicht angewendet werden [91].
Eine Strahlentherapie wird heute ganz überwiegend abgelehnt, insbesondere wegen der Gefahr von Sekundärmalignomen. Ausnahmen sind ältere, nicht operationsfähige Patienten mit funktionell schwer beeinträchtigenden Keloiden (sehr selten) [82].
Neue Therapieansätze sind in Erprobung. Interferon (INF) α und β führen zu einer Reduktion der Kollagensynthese. Mit Dosen zwischen 0,01 und 0,1 mg konnte ein Rückgang der Keloide beobachtet werden, einer von 10 Patienten hatte eine Vollremission [92]. Insgesamt ist die Interferon-Anwendung jedoch unsicher, nebenwirkungsreich und teuer, weshalb sie zur Zeit noch nicht in größerem Umfang angewendet wird. Die Entwicklung von Therapieoptionen auf zellulärer Ebene ist jedoch zu erwarten.
#5.2 Laserchirurgie bei Tumoren, Narben und anderen Hautveränderungen
Je nach Wellenlänge und Energie werden die Eigenschaften verschiedener Laser zur Behandlung von Hautveränderungen eingesetzt. Bei Tumoren (z. B. Rhinophym) spielt vor allem die Gewebeabtragung eine Rolle, während bei vaskulären Prozessen (Hämangiom, Teleangiektasien) die koagulierenden Eigenschaften genutzt werden (Abb. [14 a, b]). Eine Übersicht über die Eigenschaften verschiedener Laser und ihre Indikation bei Hauterkrankungen ist aus Tab. [2] ersichtlich [93] [94] [95] [96] [97] [98] [99] [100] [101].
Laser | Eigenschaften | Literatur | |
Rhinophym | CO2-Laser | gewebeschneidend und gewebeabtragend, da hohe Absorption in Wasser Gaslaser, Wellenlänge: 9,60 - 10,60 µm geringe Eindringtiefe: 1,0 - 2,0 µm | [93], [94] |
Keloid hypertrophe Narben | Einsatz von Lasern wegen hoher Rezidivraten nicht zu empfehlen | [95], [96] | |
Hämangiom | große Hämangiome: intraläsionale Nd:YAG-Therapie mit „bare fiber”-Technik kleine Hämangiome: Nd:YAG-Laser Argon-Laser | gewebekoagulierend durch Ankopplung an Hämoglobin und Melanin Nd:YAG-Laser: Festkörperlaser, Wellenlänge: 1,06 µm Argon-Laser: Ionenlaser, Wellenlänge: 0,48 - 0,52 µm | [97], [98] |
oberflächliche Gefäßerkrankung (Rubeosis, Teleangiektasien) | gepulster Farbstofflaser | gewebekoagulierend durch Ankopplung an Hämoglobin geringe Eindringtiefe Wellenlänge: 0,4 - 0,8 µm | [99], [100] |
Epilation | Alexandrit-Laser Dioden-Laser | Alexandrit-Laser: Anregung der Farbstoffmoleküle durch Blitzlampe, Wellenlänge: 0,4 - 0,8 µm besser geeignet bei dunkelhäutigen Menschen Dioden-Laser: Ankopplung an Hämoglobin Wellenlänge 0,8 µm | [101] |
5.3 Funktionsstörungen bei altersbedingten Hautveränderungen
Altersbedingte Hautveränderungen sind in erster Linie Faltenbildungen an charakteristischen Lokalisationen: Perioral, periorbital, Stirn, Wange, Oberlid und nasolabiale Falte. Zudem führt der Elastizitätsverlust und die abnehmende Spannkraft der alternden Haut zu einer schwerkraftabhängigen Erschlaffung der Gesichtshaut.
Indikationen für eine „Erneuerung der Hautoberfläche” („Skin Resurfacing”) sind erhabene oder eingezogene Narben, Falten, lichtbedingte Verfärbungen, Hautverdickungen und anderes. Je nach Befund werden die „chemische Schälung” („peeling”) [102], Beschleifung (z. B. rotierende Bürste oder Diamant) [103] oder verschiedene Laser mit abtragender oder koagulierender Eigenschaft vorgeschlagen. Bei atrophischen Narben kommt eine dermale und subkutane Volumenauffüllung durch autogenes Material (z. B. Eigenfett) oder nicht biologisches Gewebe neben konventionellen Methoden wie der chirurgischen Unterminierung der Narbe in Betracht. Eine weitere Alternative ist die Augmentation von tiefen Faltentälern oder Narben durch alloplastische Polymere. Die am häufigsten verwendeten Materialien sind Silikon (Silastic®) und ePTFE (expanded Polytetrafluoroethylene), besser bekannt unter dem Namen Gore-Tex [104].
Vor allem Aknenarben können sehr unterschiedlich sein, von einer oberflächlichen Macula über eingezogene Bezirke bis hin zu multiplen Fistelgängen. Sie stellen eine besondere Herausforderung für die chirurgische Behandlung dar [105]. Die flächige Lasertherapie von Hautnarben ist heute weit verbreitet. CO2-Laser und Er:YAG-Laser sind wegen ihrer besonders guten Absorption in Wasser, dem Hauptbestandteil der Haut, geeignet. Vor allem der Er:YAG-Laser zeichnet sich durch eine schonende Abtragung der Keratinschicht aus, da die thermische Belastung der Haut im Gegensatz zum CO2-Laser geringer ist. Die Eindringtiefe eines Er:YAG-Laserstrahls (5 J/cm², 3 mm Strahlendurchmesser) wird auf etwa 5 bis 15 µm geschätzt. Der eigentliche Effekt der Lasertherapie wurde durch histologische Studien belegt: Thermische Energie im benachbarten Gewebe führt zunächst zur lokalisierten Hautschrumpfung durch Dehydratation. Im weiteren Verlauf führt eine Entzündungsreaktion über die Angiogenese zu einer Vermehrung der Fibroblastenaktivität. Die daraus resultierende Kollagenneubildung füllt die Hautfalten aus und nivelliert diese [106]. Reine Ablationslaser wie der Kurzzeit-gepulste Er:YAG-Laser eignen sich dabei nur für Narben mit geringer Tiefenausdehnung. Als „dual-mode Er:YAG-Laser” besitzt er jedoch zusätzlich koagulierende Eigenschaften und ist daher auch für tieferreichende Narben einsetzbar, wie auch der CO2-Laser [107] [108] [109] [110] [111] [112]. Die laserchirurgische Behandlung von tiefen nasolabialen Hautfalten wird kontrovers beurteilt, da Pigmentationsdifferenzen auftreten können [113].
Eine Metaanalyse von 27 Publikationen zum Thema „Laser resurfacing for facial acne scars” [114] zeigt allerdings keinen schlüssigen Beleg für die Effektivität der Laseranwendung bei atrophisch oder eingezogenen Aknenarben, da keine randomisierten Studien vorliegen, in denen die Laserbehandlung mit verschiedenen Lasertypen untereinander verglichen wurde.
Neben den ablativ- oder koagulierend wirkenden CO2- und Er:YAG-Laser gibt es auch nicht ablative Laserbehandlungen der Gesichtshaut. Blitzlicht gepulster Farbstofflaser [115], Diodenlaser und Nd:YAG-Laser [116] sollen dermales Collagen „remodellieren”. Da hierdurch nur geringe Effekte zu erwarten sind, kommen diese Verfahren überwiegend bei leichten Hautveränderungen wie Lichtschäden und leichter Faltenbildung in Betracht.
Durch den altersbedingten Elastizitätsverlust der Haut kann es zu einem Überhängen der Deckfalte des Oberlides über den freien Lidrand mit Einschränkung des Gesichtsfeldes kommen. Dabei spielen verschiedene Mechanismen eine Rolle:
Eine ursächliche oder begleitende Augenbrauenptose kann durch willkürliche Kontraktion des M. frontalis noch bis zu einem gewissen Grade kompensiert werden (symptomatische Ausbildung querer Stirnfalten), was jedoch nach weiterem Fortschreiten der Gewebeerschlaffung nicht mehr möglich ist. Zusätzlich hängt die überschüssige Haut der Deckfalte über den Lidrand (Dermatochalasis), ggf. mit einer Herniation des orbitalen Fettgewebes durch Muskellücken. Sehr häufig ist daher die überhängende Deckfalte durch eine laterale Augenbrauenptosis wesentlich mitverursacht. Die alleinige Resektion des Hautüberschusses der Oberlidfalte mit oder ohne Resektion prolabierten Fettgewebes (Blepharoplastik) ist oft nicht ausreichend [117] [118].
In diesen Fällen ist zusätzlich eine „Augenbrauenlift-Operation” erforderlich, die je nach Ausmaß der notwendigen Anhebung endoskopisch (ohne Hautresektion) oder über einen bikoronaren Zugang (inkl. Hautresektion) durchgeführt werden kann. Das Prinzip der Operation besteht in einer subperiostalen Ablösung des Weichteilmantels mit Periostdurchtrennung an der Supraorbitalspange sowie in Myotomien der Mm. depressor supercilii, corrugator supercilii und procerus. Entscheidend ist die Schonung des supratrochleären und supraorbitalen Gefäß-Nervenbündels. Der mobilisierte frontale Weichteilkomplex wird in angehobener Position mit Nähten dosiert an Knochenschrauben verankert [119].
Während die altersbedingten Veränderungen der Augenbrauen und der Augenlider in der Regel am Ende des dritten Lebensjahrzehnts erkennbar werden, sieht man eine zunehmende Faltenbildung an der Stirn, den Wangen, dem Kinn und am Hals erst ab Mitte 40. Der Schwerkraft folgend können im Wesentlichen zwei Kraftvektoren unterschieden werden, die an der Gesichts- und Halshaut wirken: Ein zentraler, senkrecht verlaufender Vektor, der die Stirnhaut und die periorbitale Region verändert und ein mehr lateral gelegener Vektor, der durch schrägen Zug nach unten vor allem das Wangenareal betrifft. Es hat sich daher bewährt, bei der Indikationsstellung zum Facelift (Rhytidektomie) das Gesicht in diese drei Zonen aufzuteilen: 1. Zone: Stirn mit Augenbrauen, 2. Zone: Periorbita (Ober- und Unterlider), 3. Zone: Wange. Das Prinzip der Gesichtsstraffung (Rejuvenation) besteht darin, die Haut der drei Zonen entgegengesetzt der vektoriellen Zugrichtung dosiert anzuheben ( = lateraler und superomedialer Vektor-Lift) [120]. Gerade was die Korrektur der Wangenhaut betrifft, haben sich in den letzten Jahren mehrere Techniken etabliert. Dabei werden die Gesichtsweichteile in drei Schichten unterteilt: Die oberflächliche Schicht bestehend aus Haut und Subkutis sowie die intermediäre Schicht die sich aus dem SMAS, der mimischen Muskulatur, dem intermuskulären Fett sowie den motorischen und sensiblen Ästen der Gesichtsnerven zusammensetzt. Schließlich die tiefe Schicht bestehend aus dem submuskulären Fett, dem Periost und dem Ursprung der sensiblen Nerven [121]. Der traditionelle operative Ansatz ist die Straffung der Haut und der Subkutis in Richtung retroaurikulärer Region. Neuere Techniken stellen die SMAS-Ebene dar, um entweder das SMAS durch Doppelung zu straffen oder nach limitierter Resektion unter leichter Spannung an die Faszie des M. temporalis zu fixieren. Bei der sog. „deep plane rhytidectomy”, die eine Weiterentwicklung des SMAS-Lifts darstellt, wird in der sub-SMAS-Ebene auf der Faszie des M. masseter präpariert. Dies hat den Vorteil, das neben einer Straffung des SMAS zusätzlich bukkales Fettgewebe reseziert werden kann [122].
#5.4 Talgdrüsenhypertrophie (Rhinophym)
Das Rhinophym ist eine tumorartige Talgdrüsenhypertrophie der Nasenspitzen- und Nasenflügelhaut. Knollige Wucherungen können den Naseneingang verlegen und die Atmung behindern [123] [124].
Die chirurgische Therapie besteht in einer Abtragung des überschüssigen Gewebes und „Modellierung” der Hautkontur. Die Reepithelialisierung der Wundfläche erfolgt aus verbliebenen Epithelanteilen am Talgdrüsengrund, welche jedoch auch Ausgangspunkt von Rezidiven sein können. Alle bekannten operativen Verfahren folgen diesem Prinzip, sie unterscheiden sich lediglich in der Art des Gewebeabtrags. Überwiegend wird das Skalpell oder Rasiermesser verwendet, ein blutärmeres und damit übersichtlicheres Operieren ist durch das „elektrische Messer” oder den Laser möglich [94] [125] [126]. Entscheidend ist die Begrenzung der Resektion auf die Haut ohne Verletzung von Subkutangewebe oder gar der Flügelknorpel.
#5.5 Haarverlust
Haarverlust ist im Gesicht vor allem beim Fehlen der Augenbrauen von Bedeutung (Verbrennung, Trauma). Schweißabsonderungen der Stirn können ungehindert in das Auge fließen und dort zu Reizungen führen. Fehlende Augenbrauen können entweder durch Transpositionslappen aus dem Haarbereich oder durch freie Haartransplantate rekonstruiert werden [127] [128].
Bei der freien Haartransplantation werden Einzelhaare mit einer 2 - 4 mm breiten zylinderförmigen Stanze meist aus dem Hinterkopfbereich entnommen (so genannte „Punch-grafts”) und in kleine Stichinzisionen in den Empfängerbereich eingesetzt. Die Schnittführung bei der Entnahme solcher Haut-Haar-Transplantate muss parallel zum Haarschaft erfolgen, um die Haarfollikel nicht zu verletzen. Die Vollhautzylinder enthalten ca. 6 bis 8 Haarfollikel, so dass pro Sitzung etwa 30 Einzelübertragungen vorgenommen werden können [129] [130] [131].
Bei Verlust der Wimpern kann die Transplantation eines Streifens der Augenbraue zur Rekonstruktion verwendet werden. Das Augenbrauentransplantat wird so in den Lidkantendefekt eingenäht, dass die Haare in der gewünschten Richtung liegen [132].
Es können sogar Vibrissen des Vestibulum nasi als autologer Wimpernersatz verwendet werden [133].
#5.6 Hyperhidrose (Aurikulo-temporales Syndrom)
Die Überfunktion der Schweißdrüsen im Gesichtsbereich spielt vor allem beim aurikulo-temporalen Syndrom (Frey-Syndrom oder gustatorisches Schwitzen) eine Rolle. Dieses tritt in mehr oder minder ausgeprägter Form nach Parotidektomie auf, ist jedoch nur in etwa 15 % der Fälle behandlungsbedürftig. Ursächlich ist die Fehleinsprossung durchtrennter parasympathischer Nervenfasern in die Schweißdrüsen der Haut („misdirected regeneration”). Die intraoperative Interposition von temporoparietaler Faszie oder Sternocleidomastoideus-/Plastysmamuskeltransfer haben ebenso wie die Durchtrennung des N. auriculo-temporalis oder des Plexus tympanicus keinen wesentlichen Erfolg gezeigt [134] [135] [136].
Als wirkungsvoller wird das Einschwenken eines SMAS-Lappens in die Parotisloge beschrieben. Bei 160 Patienten ließ sich als Folge dieser Maßnahme auch im Jod-Stärke-Schweißtest kein Hinweis für ein gustatorisches Schwitzen finden [137].
Erfolg versprechend ist die intrakutane Botulinum-Toxin-Typ-A Injektion als Alternative zu chirurgischen Interpositionen [138].
#5.7 Operative Behandlungsmöglichkeiten bei Sensibilitätsstörungen der Haut
Die sensible Reinnervation durch Rekonstruktion durchtrennter Nerven, z. B. von Trigeminusästen (N. alveolaris inferior und N. lingualis) ist problematisch. Versuche, Kontinuitätsdefekte durch Gore-Tex-Tuben oder autologe Venen zu überbrücken, ergaben unbefriedigende Ergebnisse. Am ehesten erfolgversprechend erscheint die Überbrückung kurzer Distanzen durch ein autologes Venentransplantat bei der Rekonstruktion des N. alveolaris inferior, da die Verlaufsstrecke im Canalis alveolaris inferior geradlinig und die Wundzone immobil ist. Der N. lingualis erfüllt aufgrund der anatomischen Gegebenheiten diese Voraussetzungen nicht, so dass hier die neurale Regeneration gestört ist. Da der Venenconduit als blockierende Membran wirken kann, wird er bei der Überbrückung langstreckiger neuraler Defektzonen als untauglich erachtet. Zur Zeit wird die Meinung vertreten, dass der zusätzliche intraoperative Aufwand für die Rekonstruktion wegen fraglichem klinischen Nutzen nicht gerechtfertigt ist [139] [140].
#6 Künftige Entwicklungen
#6.1 Biotechnologisch hergestellter Hautersatz
Chirurgische Verfahren zur Defektdeckung stoßen ab einer bestimmten Defektgröße und wegen Limitierungen in der Spenderregion an ihre Grenzen. Ideal wäre die Verwendung beliebig großer, freier Hauttransplantate, die in Hautkolorit und Textur dem Empfängergebiet entsprechen. Ein Ansatz hierzu ist die Züchtung einer „Ersatzdermis” (Integra®, Johnson & Johnson WM). Dabei wird ein zweilagiges Polymer mit einer Silikonoberfläche und einem porösen Netzwerk aus quervernetzten Kollagenfasern als Unterfläche in den Defekt eingebracht. Die hohe Biodegradierbarkeit schafft Freiraum für die physiologische Wundheilung unter Ausbildung einer „Neodermis”. Die oberflächliche Silikonschicht wird nach Wochen operativ entfernt und durch Vollhauttransplantate ersetzt [141] [142] [143].
Die autologe Hautzüchtung ist ein gängiges Verfahren bei Schwerstbrandverletzen. Hierzu werden etwa 2 cm2 axillärer Haut zu einer Einzel-Zell-Suspension zerkleinert und in mehreren Schritten kultiviert. Diese werden dann auf eine Gazeoberfläche aufgebracht und mit dieser auf konditionierte Brandwunden aufgelegt. Das ursprünglich 2 cm2 große Hautareal kann somit innerhalb von 3 bis 4 Wochen auf die 10 000fache Fläche vergrößert werden, wobei etwa 60 bis 80 % der kultivierten Haut anwachsen. Mit dieser Technik kann mehr als die Hälfte der Körperoberfläche rekonstruiert werden [144] [145].
#6.2 Stimulierung der Wundheilung durch Wachstumsfaktoren
Wachstumsfaktoren können die natürliche Wundheilung und damit die chirurgische Behandlung unterstützen. Nach Anerkennung eines rekombinanten Wachstumsfaktors als wundheilungsförderndes Produkt durch die Food and Drug Administration (FDA) 1998 begann eine neue Ära für die Behandlung chronischer Wunden [146].
Hauptindikation des rekombinanten Wachstumsfaktors PDGF-BB (Platelet Derived Growth Factor-BB) Becaplermin (Regranex®), ist das chronische Hautgeschwür am Unterschenkel bei Diabetikern. Becaplermin kann jedoch prinzipiell auch im Gesichtsbereich angewendet werden. Für viele andere Wachstumsfaktoren (Transforming Growth Factor-β [TGF-β], Insulin Growth Factor-1 [IGF-1], Fibroblast Growth Factor-2 [FGF-2]) sind Tierversuche erfolgreich abgeschlossen und weitere Studien in Vorbereitung [147].
Statt der Wachstumsfaktoren können auch ihre kodierenden Gene in Zielzellen eingeschleust werden. Dies kann entweder über virale oder non-virale Vektoren erfolgen. Andere Alternativen sind die direkte intrazelluläre Injektion extrem kleiner Mikrosphären, die mit DNS umhüllt sind, oder die so genannte Elektroporation. Dabei wird eine Elektrode intrakutan appliziert oder auf die Wundoberfläche gelegt. Gepulste elektrische Felder erhöhen die Permeabilität der Zellmembran und erlauben die Einschleusung von DNS aus dem Extrazellulärraum. Im Augenblick sind die genetischen Codes für jeweils TGF-β (Transforming Growth Factor-β), PDGF (Platelet Derived Growth Factor) und FGF (Fibroblast Growth Factor) entschlüsselt. Die Codes für TGF-α (Transforming Growth Factor-α), VEGF (Vascular Endothelial Growth Factor) und IGF (Insulin Growth Factor) sollen folgen. Künftig könnte die Gen-Therapie prä-, intra- und postoperativ eingesetzt werden, um die jeweils beteiligten Wachstumsfaktoren zeit- und phasengerecht zu stimulieren [148] [149] [150].
#Literatur
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The number of eccrine sweat glands in human skin. In: Montagna W, Ellis RA, Sivler AF (eds) Advances in Biology, Vol. 3,. Oxford; Pergamon Press 1962: 1 - 14 Schaumberg-Lever G, Lever W F. Secretions from human apocrin glands. J Invest Derm. 1975; 64 38
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Dr. Marc Oliver Scheithauer
HNO-Klinik und Poliklinik · Universitätsklinikum Ulm
Prittwitzstraße 45 · 89075 Ulm
Email: marc.scheithauer@medizin.uni-ulm.de
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Dr. Marc Oliver Scheithauer
HNO-Klinik und Poliklinik · Universitätsklinikum Ulm
Prittwitzstraße 45 · 89075 Ulm
Email: marc.scheithauer@medizin.uni-ulm.de