psychoneuro 2005; 31(2): 77-80
DOI: 10.1055/s-2005-865113
Schwerpunkt

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Neurobiologische Grundlagen des Schmerzgedächtnisses

The Neurobiological Basis of Pain MemoryJürgen Sandkühler1
  • 1Zentrum für Hirnforschung, Abteilung für Neurophysiologie Medizinische Universität Wien
Further Information
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Korrespondenzadresse:

Prof. Jürgen Sandkühler

Medizinische Universität Wien

Zentrum für Hirnforschung

Abteilung für Neurophysiologie

Spitalgasse 4

A-1090 Wien, Österreich

Email: juergen.sandkuehler@meduniwien.ac.at

Publication History

Publication Date:
04 March 2005 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Entzündungen, Traumata und operative Eingriffe führen regelmäßig zu Sensibilisierungen von Nozizeptoren (periphere Sensibilisierung) und häufig auch von nozizeptiven Nervenzellen im Zentralnervensystem (zentrale Sensibilisierung). Während die periphere Sensibilisierung meist auf die Dauer der peripheren Schädigung begrenzt ist, kann die zentrale Sensibilisierung die primären Schmerzursachen überdauern und dann zur Chronifizierung von Schmerzen beitragen. Neuere Befunde haben eine Reihe von bislang ungelösten Fragen klären können und zum besseren Verständnis der zentralen Ursachen von Schmerzen beigetragen.

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Summary

Inflammation, trauma and surgical procedures cause sensitisation of nociceptive nerve endings (peripheral sensitisation). This is often accompanied by sensitisation of neurons in the central nervous system (central sensitisation). Peripheral sensitisation typically ceases when the primary cause for pain disappears. In contrast, central sensitisation may outlast the injury and may than contribute to chronic pain. Latest developments in pain research have shed light on mechanisms of central sensitisation and memory traces for pain.

Bei Gesunden spielt das nozizeptive System eine wichtige Rolle für die Homöosthase. Es erkennt Noxen und kann adäquates Verhalten einleiten, dazu zählen Wegziehreflexe, Vokalisationen, Flucht- und Vermeidungsverhalten. In dem Bereich einer bereits eingetretenen Gewebeschädigung sinkt die Schmerzschwelle ab und trägt damit der erhöhten Vulnerabilität des Gewebes Rechnung. Allodynie und Hyperalgesie können dann als adaptive Mechanismen angesehen werden. Das dadurch ausgelöste Schonverhalten kann den Heilungsprozess begünstigen.

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Grundelemente des nozizeptiven Systems

Nozizeptoren kommen in allen Organen mit Ausnahme des Nervensystems vor. Die Weiterleitung der nozizeptiven Information erfolgt über langsam leitende, dünne, schwach myelinisierte Ad- oder nicht myelinisierte C-Fasern. Die sensiblen Nervenfasern enden im Hinterhorn des Rückenmarks oder in den sensiblen Trigeminuskernen, wo die Information synaptisch auf sehr unterschiedliche Typen von Nervenzellen umgeschaltet wird. Nozizeptive Neurone im Rückenmark oder den Trigeminuskernen können eine aufsteigende Projektion zu Hirnarealen wie dem Thalamus, dem Periaqueduktalen Grau oder dem Parabrachialen Areal besitzen, sie können Interneurone sein, deren Axone das Rückenmark nicht verlassen, und z.B. Teil eines Reflexbogens darstellen. Nozizeptive Neurone können darüber hinaus auch hemmende Neurone sein, die antinozizeptiv im Sinne einer negativen Rückkoppelung wirken.

Im Zentralnervensystem unterliegt die Verarbeitung nozizeptiver Information dem hemmenden Einfluss der körpereigenen Schmerzabwehr. Zentraler Bestandteil dieser körpereigenen Schmerzabwehr ist die absteigende Hemmung vom Hirnstamm zum Rückenmark. Diese absteigende Hemmung ist tonisch aktiv und für eine normale Schmerzempfindlichkeit unerlässlich. Die körpereigene Schmerzabwehr folgt einem zirkadianen Rhythmus und kann in besonderen Situationen wie z.B. akuten Stresssituationen noch zusätzlich aktiviert werden. Somit ist eine Anpassung der Schmerzempfindung und des Schmerzverhaltens an die jeweils gegebene Situation möglich.

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Das Schmerzgedächtnis

Bei Entzündungen und peripheren Verletzungen kommt es in der Regel zu einer Sensibilisierung von Nozizeptoren für die Dauer der primären Schmerzursache. Die resultierende Hyperalgesie und Allodynie tragen der besonderen Schutzbedürftigkeit des geschädigten Gewebes Rechnung und können daher als adaptive Reaktion angesehen werden. Zusätzlich kann es zu einer Sensibilisierung in Teilen des nozizeptiven Systems im Rückenmark und im Gehirn kommen. Dadurch werden Schmerzreaktionen bei Reizen im geschädigten Areal weiter verstärkt. Die „Zentrale Sensibilisierung” kann darüber hinaus das Areal der Hyperalgesie vergrößern und gesundes Gewebe mit einbeziehen, das an das erkrankte Gebiet unmittelbar angrenzt. Die krankhaft gesteigerte Schmerzempfindlichkeit im angrenzenden, nicht geschädigten Areal nennt man sekundäre Hyperalgesie. Zentrale Sensibilisierung kann so den Schutz des geschädigten Gewebes weiter erhöhen. Die zentrale Sensibilisierung kann bestehen bleiben, auch wenn die primäre Schmerzursache bereits ausgeheilt und vollständig verschwunden ist. Diese anhaltenden Sensibilisierungen sind dann inadäquat und stellen keinen sinnvollen Schutzmechanismus dar. Schmerz ist dann nicht länger Symptom einer Erkrankung oder Schädigung, sondern bekommt einen eigenständigen Krankheitswert, man spricht dann auch von der Schmerzkrankheit.

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Mechanismen des Schmerzgedächtnisses

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Synaptische Langzeitpotenzierung

Bei einem Teil der Synapsen im Rückenmark oder im Gehirn kann es aktivitätsabhängig zu einer lang anhaltenden Steigerung der Übertragungsstärke kommen. Diese synaptische Langzeitpotenzierung (engl. synaptic long-term potentiation, LTP) wurde zuerst im Hippokampus entdeckt und gilt heute als der wichtigste zelluläre Mechanismus von Lernen und Gedächtnis. Eine aktivitätsabhängige LTP kommt auch an Synapsen zwischen nozizeptiven C-Fasern und Neuronen im oberflächlichen Hinterhorn des Rückenmarks vor. Diese Form der LTP wird als eine Ursache für die Hyperalgesie angesehen, da sie die Antworten auf Schmerzreize verstärkt [11] [13]. Eine LTP an Synapsen nozizeptiver C-Fasern kann durch Entzündungen, periphere Verletzungen oder akute periphere Nervenläsionen ausgelöst werden. Die Aktivierung von Glutamatrezeptoren vom Subtyp der NMDA-Rezeptoren, von metabotropen Glutamatrezeptoren (mGLUR), sowie von Neurokinin-1-Rezeptoren (NK1) für Substanz P führt bei einem Teil der nozizeptiven Neurone im Hinterhorn des Rückenmarks zu einem starken Anstieg der freien zytosolischen Kalziumionenkonzentration. Kalziumionen stellen einen universellen Trigger für eine große Zahl von Signaltransduktionswegen in Nervenzellen dar. In den betreffenden nozizeptiven Nervenzellen des Rückenmarks kommt es zu einer Aktivierung von kalziumabhängigen Enzymen, unter anderem der Proteinkinase C und der Kalzium-Kalmodulin-abhängigen Proteinkinase II. Dies führt zur Phosphorylierung von Proteinen, z.B. von Glutamatrezeptoren, und damit zu einer Veränderung der Zelleigenschaften. Unter anderem wird die Wirkung des erregenden Neurotransmitters Glutamat verstärkt. Schwache Schmerzreize führen nun anhaltend zu gesteigerten Reizantworten bei diesen Neuronen. Die synaptische Langzeitpotenzierung betrifft selektiv eine Gruppe von nozizeptiven Neuronen in Lamina I, die den NK1-Rezeptor besitzen und eine aufsteigende Projektion zum Periaqueduktalen Grau oder dem Parabrachialen Areal haben [4]. Selektive Zerstörung dieser Nervenzellpopulation führt bei Versuchstieren zu einer deutlich abgeschwächten Hyperalgesie und Allodynie nach Entzündungen und Nervenverletzungen, nicht jedoch zu veränderten Schmerzreaktionen bei akuten Schmerzen [9]. Diese neuen Erkenntnisse zeigen erstmals, dass die Verarbeitung von akuten Schmerzreizen bei nicht vorgeschädigtem Gewebe zumindest teilweise über andere nozizeptive Bahnen verläuft als die Nozizeption bei Entzündungen, Traumata und Nervenverletzungen.

Diese Schlussfolgerung aus tierexperimentellen Versuchen wird durch Befunde am Menschen bestätigt. Kürzlich wurden Korrelate der synaptischen LTP bei der Schmerzwahrnehmung von Probanden beobachtet [5]. Die Reizung von Substanz-P-haltigen sensiblen Nervenfasern führt zu einer lang anhaltenden Steigerung der Schmerzempfindlichkeit für das gereizte und das unmittelbar angrenzende Hautareal. Mit modernen bildgebenden Verfahren konnte beim Menschen gezeigt werden, dass beim Entzündungsschmerz andere Hirnareale aktiviert werden als beim Akutschmerz [6]. In diesen Versuchen wurden Hitzereize entweder auf normale oder auf entzündete Hautpartien appliziert. Die Intensität der Hitzereize wurde so eingestellt, dass die Probanden eine identische Schmerzintensität von 5,8 auf der visuellen Analogskala angaben. Bei Hitzereizen auf normaler Haut wurden wesentlich weniger Hirnareale aktiviert, als bei gleich stark empfundenen Hitzereizen auf entzündeter Haut. Obwohl die Schmerzintensität als jeweils gleich stark empfunden wurde, waren die Hitzereize auf entzündeter Haut als aversiver empfunden als auf normaler Haut. Auch diese Befunde am Menschen zeigen, dass bei der Hyperalgesie andere Teile des nozizeptiven Systems involviert sind, als beim Akutschmerz.

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Gestörte Hemmung

Entzündungen und Nervenverletzungen können darüber hinaus die physiologische, tonisch aktive Hemmung im Rückenmark beeinträchtigen. Die wichtigsten hemmenden Neurotransmitter im Rückenmark sind γ-Aminobuttersäure (GABA) und Glyzin. Sowohl GABAerge als auch glyzinerge Neurone können in ihrer Funktion gestört werden. Durch gentechnisch veränderte Mauslinien ist es nun erstmals möglich, gezielt von glyzinergen oder GABAergen Nervenzellen im Rückenmark abzuleiten und so ihre Eigenschaften zu bestimmen. Wir konnten zeigen, dass bei Entzündungen die glyzinerge Übertragung im Rückenmark durch einen prä-synaptischen Mechanismus abgeschwächt ist [8]. Hemmung der glyzinergen oder GABAergen Übertragung im Rückenmark führt im Tierversuch zur Hyperalgesie und Allodynie [3]. Die Zahl der GABAergen Neurone und die GABAerge Immunreaktivität im Rückenmark ist nach Nervenläsionen deutlich reduziert. Möglicherweise ist hieran der apoptotische Zelltod durch die neurotoxische Wirkung von exzessiv freigesetzem Glutamat ursächlich beteiligt.

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Epileptiforme Erregungen

Einige Formen von einschießenden Schmerzen bei Neuropathien weisen phänomenologische Gemeinsamkeiten mit epileptiformen Anfällen auf. Dazu zählt die Auslösbarkeit durch harmlose Reize, die Refraktärphase nach einem Anfall, der stereotype Ablauf eines Anfalles sowie das Ansprechen auf antiepileptische Medikamente. Kürzlich konnte gezeigt werden, dass das neuronale Netzwerk im Rückenmark tatsächlich in der Lage ist, epileptiforme Entladungen auszubilden, die auf antiepileptische Substanzen nicht jedoch auf Opioide ansprachen [10]. Zukünftige Arbeiten werden zeigen, welche Rolle epileptiforme Entladungen im nozizeptiven System bei neuropatischen Schmerzen zukommt.

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Obsolete Mechanismen

Zwei in der Vergangenheit genannte Mechanismen der Schmerzchronifizierung sind dagegen nach heutigem Kenntnisstand obsolet. Dazu zählt das Aussprossen von niederschwelligen Ab-Fasern in nozizeptiven Regionen des Hinterhorns. In früheren Arbeiten wurde gezeigt, dass ein Farbstoff, der normalerweise nur von niederschwelligen Ab-Fasern aufgenommen und transportiert wird, nach einer Nervenläsion auch in oberflächlichen Schichten des Hinterhorns sichtbar ist, in denen normalerweise nur nozizeptive Ad- und C-Fasern enden. Dieser Befund wurde interpretiert als ein Hinweis auf das Aussprossen von niederschwelligen Ab-Fasern in die oberflächlichen Laminae I und II des Hinterhorns. Dies sollte erklären, dass nach Nervenläsionen Erregungen von Ab-Faserafferenzen zu Schmerzempfindungen führen. Tatsächlich konnten spätere Arbeiten jedoch beweisen, dass niederschwellige Ab-Fasern auch nach Nervenläsionen nur in ihrem angestammten Areal in tiefen Schichten des Hinterhorns enden. Die Anfärbung mit dem Markierungsstoff für niederschwellige Ab-Fasern, die man nach Nervenläsionen im oberflächlichen Hinterhorn gefunden hatte, war dagegen darauf zurückzuführen, dass nach Nervenläsionen nicht mehr nur Ab-Fasern, sondern auch nozizeptive C-Fasern diesen Markierungsstoff aufnehmen und transportieren [12].

„Wind-up” wird gelegentlich als Ursache für eine gesteigerte Schmerzempfindlichkeit nach Entzündungen oder Nervenläsionen angeführt. In seiner ursprünglichen Definition ist wind-up jedoch ein normales Kodierverhalten von einem Teil der nozizeptiven Nervenzellen im Hinterhorn des Rückenmarks [7]. Auch ohne Entzündungen oder Nervenläsionen zeigt ein Teil der Neurone bei C-Faser Reizung mit 0,5-5 Erregungen pro Sekunde zu Beginn eines Reizes eine Zunahme der Reizantworten. Dieses wind-up ist in den ersten 10-15 Sekunden der C-Faser Erregung zu beobachten und kann dazu führen, dass Reizantworten auch bei niedrigen Schmerzreizen ausgelöst werden, wenn diese über mehrere Sekunden bestehen bleiben. Wind-up kann also als ein adaptiver Mechanismus bezeichnet werden, um adäquates Schmerzverhalten bei anhaltenden, akuten, leichten Schmerzreizen zu erzwingen. Mechanismen der zentralen Sensibilisierung wie synaptische LTP oder Verlust der physiologischen Hemmung können die Stärke von wind-up erhöhen und die Entladungsfrequenzen in C-Fasern, die wind-up auslösen, absenken. Veränderungen des wind-up können damit zur Quantifizierung einer zentralen Sensibilisierung herangezogen werden.

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Vermeiden des Schmerzgedächtnisses

Als gemeinsamer Auslöser für die verschiedenen Mechanismen des Schmerzgedächtnissen kommt die exzessive Freisetzung von Neurotransmittern wie Glutamat und Neuropeptiden wie Substanz P in Frage. Maßnahmen, die die gesteigerte Freisetzung verhindern oder die übermäßige Rezeptoraktivierung unterbinden kommen daher prinzipiell für die präventive Analgesie (engl.: pre-emptive analgesia) in Betracht. Die körpereigene Schmerzabwehr löst im Hinterhorn des Rückenmarks eine prä- und postsynaptische Hemmung der Übertragung nozizeptiver Information aus. Als hemmende Überträgerstoffe sind Opioide, Monoamine wie Noradrenalin und Serotonin sowie die hemmenden Neurotransmitter GABA und Glyzin bekannt. Eine Schwächung der körpereigenen Schmerzabwehr hat zur Folge, dass normalerweise harmlose Schmerzreize zu einer zentralen Sensibilisierung führen können. Dies mag die unterschiedliche Anfälligkeit von Patienten erklären, bei offenbar gleichen Schmerzursachen ein Schmerzgedächtnis auszubilden. Bei insuffizienter körpereigener Schmerzabwehr oder bei starken Schmerz auslösenden Gewebeschäden kann die zusätzliche Gabe von Opioiden, von a2-Adrenorezeptoragonisten oder von antiphlogistischen Analgetika zur präventiven Analgesie notwendig sein [1]. Dagegen stellt der Verlust der Schmerzempfindung und des Bewusstseins bei einer Narkose z.B. durch inhalative Narkotika keinen Schutz vor Sensibilisierung dar. Auch bei tiefer chirurgischer Narkose kann sich im Rückenmark ein Schmerzgedächtnis ausbilden.

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Kann man das Schmerzgedächtnis löschen oder überschreiben?

Die präventive Analgesie kann nur eingesetzt werden, wenn der Zeitpunkt einer Schmerzursache, z.B. eines operativen Eingriffs, von vornherein bekannt ist. Bei der überwiegenden Mehrzahl der Schmerzpatienten haben Sensibilisierungen jedoch bereits stattgefunden. Es ist daher von großem klinischen Interesse, Mechanismen zu identifizieren, das Schmerzgedächtnis wieder zu löschen. Nach heutigem Kenntnisstand sind die Sensibilisierungen wie synaptische Langzeitpotenzierung im Rückenmark oder eine gestörte Hemmung nicht irreversibel, sondern können sich innerhalb von Tagen bis Jahren wieder spontan zurückbilden. Eine ausreichende Schmerztherapie ist dann erforderlich, um ein Auffrischen des Schmerzgedächtnisses zu verhindern und eine spontane Rückbildung zu ermöglichen. Bei einigen wenigen Patienten können offenbar Gegenirritationsverfahren wie die transkutane elektrische Nervenstimulation oder bestimmte Formen der Nahpunktakupunktur Signaltransduktionswege in nozizeptiven Nervenzellen aktivieren, die der Bildung und der Aufrechterhaltung des Schmerzgedächtnisses entgegen wirken [2].

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Glossar

  • Noxe: Reiz, der in der Lage ist, Gewebe zu schädigen oder zu verletzen, wie z.B. mechanische oder thermische Reize hoher Intensität, chemische Substanzen, elektromagnetische Strahlung oder Entzündungen.

  • Nozizeptor: Sinnesfühler für Schmerz, freie Nervenendigung, die normalerweise eine hohe Erregungsschwelle besitzt, und daher nur durch noxische Reize erregt werden kann.

  • Nozizeptives System: Teil des Peripheren und Zentralen Nervensystem, das durch noxische Reize erregt wird. Dazu zählen Nozizeptoren und die dazu gehörigen sensorischen Nervenfasern sowie nozizeptive Nervenzellen im Rückenmark und im Gehirn.

  • Schmerz: Nach der Definition der „Internationalen Gesellschaft zum Studium des Schmerzes” (IASP) ist Schmerz eine unangenehme sensorische oder emotionale Erfahrung, die mit einer tatsächlichen oder potenziellen Gewebeschädigung einher geht oder mit Begriffen einer solchen Schädigung beschrieben werden kann.

  • Hyperalgesie: Abnorm starkes Schmerzerleben bei Schmerzreizen.

  • Allodynie: Schmerzerleben durch Reize, die normalerweise keine Schmerzen auslösen, wie z.B. leichte Berührungsreize.

  • Schmerzgedächtnis: Erhöhte Empfindlichkeit des nozizeptiven Systems, die durch Schmerzreize wie z.B. Entzündungen, Traumata, operative Eingriffe ausgelöst wurde und diese überdauert.

Weitere Definitionen zum Thema unter: www.iasp-pain.org/terms-p.html#Pain

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Abb. 1 Nozizeptive Neurone in Lamina I, die den NK1-Rezeptor für Substanz P exprimieren und eine direkte aufsteigende Projektion zum Gehirn besitzen, weisen nach starken konditionierenden Schmerzreizen eine LTP an Synapsen mit C-Fasern auf. Andere nozizeptive Neurone in Lamina I werden durch identische Reize dagegen nicht sensibilisiert. A zeigt ein Schema der Versuchsanordnung. In einem Schnittpräparat des Rückenmarks wird die Hinterwurzel elektrisch gereizt. Dies führt zur Erregung von C-Fasern und zu erregenden postsynaptischen Strömen in monosynaptisch verbundenen Lamina I Neuronen im Rückenmark. Unten ist ein solcher Strom gezeigt. Die Amplitude und die Fläche über der Kurve sind ein Maß für die synaptische Übertragungsstärke. Diese ist in B auf den Ordinaten gegen die Ableitdauer auf der Abzisse aufgetragen. Gezeigt sind die Mittelwerte der synaptischen Stärke aus jeweils sechs Versuchen. Bei Projektionsneuronen (oben) führen konditionierende, hochfrequente Stimuli der Hinterwurzel (HFS) zu einem Anstieg der freien zytosolischen Kalziumionenkonzentration (rechte Spur) und zu einer Steigerung der synaptischen Übertragungsstärke. Bei Interneuronen sind identische Reize praktisch wirkungslos (unten). Modifiziert nach Ikeda et al. 2003.

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Literatur

  • 1 Bromley L, Richmond C, Brandner B, Woolf C. Pre-emptive analgesia.  Anaesthesia. 1995;  50 176-177
  • 2 Carlsson CP, Sjolund BH. Acupuncture and subtypes of chronic pain: assessment of long-term results.  Clin J Pain. 1994;  10 290-295
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  • 4 Ikeda H, Heinke B, Ruscheweyh R, Sandkühler J. Synaptic plasticity in spinal lamina I projection neurons that mediate hyperalgesia.  Science. 2003;  299 1237-1240
  • 5 Klein T, Magerl W, Hopf HC, Sandkühler J, Treede RD. Perceptual correlates of nociceptive long-term potentiation and long-term depression in humans.  Journal of Neuroscience. 2004;  24 964-971
  • 6 Lorenz J, Cross D, Minoshima S, Morrow T, Paulson P, Casey K. A unique representation of heat allodynia in the human brain.  Neuron. 2002;  35 383-393
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  • 8 Müller F, Heinke B, Sandkühler J. Reduction of glycine receptor-mediated miniature inhibitory postsynaptic currents in rat spinal lamina I neurons after peripheral inflammation.  Neuroscience. 2003;  122 799-805
  • 9 Nichols ML, Allen BJ, Rogers SD. et al. . Transmission of chronic nociception by spinal neurons expressing the substance P receptor.  Science. 1999;  286 1558-1561
  • 10 Ruscheweyh R, Sandkühler J. Epileptiform activity in rat spinal dorsal horn in vitro has common features with neuropathic pain.  Pain. 2003;  105 327-338
  • 11 Sandkühler J. Learning and memory in pain pathways.  Pain. 2000;  88 113-118
  • 12 Shehab SA, Spike RC, Todd AJ. Evidence against cholera toxin B subunit as a reliable tracer for sprouting of primary afferents following peripheral nerve injury.  Brain Research. 2003;  964 218-227
  • 13 Willis WD. Long-term potentiation in spinothalamic neurons.  Brain Res Rev. 2002;  40 202-214
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Korrespondenzadresse:

Prof. Jürgen Sandkühler

Medizinische Universität Wien

Zentrum für Hirnforschung

Abteilung für Neurophysiologie

Spitalgasse 4

A-1090 Wien, Österreich

Email: juergen.sandkuehler@meduniwien.ac.at

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Literatur

  • 1 Bromley L, Richmond C, Brandner B, Woolf C. Pre-emptive analgesia.  Anaesthesia. 1995;  50 176-177
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Abb. 1 Nozizeptive Neurone in Lamina I, die den NK1-Rezeptor für Substanz P exprimieren und eine direkte aufsteigende Projektion zum Gehirn besitzen, weisen nach starken konditionierenden Schmerzreizen eine LTP an Synapsen mit C-Fasern auf. Andere nozizeptive Neurone in Lamina I werden durch identische Reize dagegen nicht sensibilisiert. A zeigt ein Schema der Versuchsanordnung. In einem Schnittpräparat des Rückenmarks wird die Hinterwurzel elektrisch gereizt. Dies führt zur Erregung von C-Fasern und zu erregenden postsynaptischen Strömen in monosynaptisch verbundenen Lamina I Neuronen im Rückenmark. Unten ist ein solcher Strom gezeigt. Die Amplitude und die Fläche über der Kurve sind ein Maß für die synaptische Übertragungsstärke. Diese ist in B auf den Ordinaten gegen die Ableitdauer auf der Abzisse aufgetragen. Gezeigt sind die Mittelwerte der synaptischen Stärke aus jeweils sechs Versuchen. Bei Projektionsneuronen (oben) führen konditionierende, hochfrequente Stimuli der Hinterwurzel (HFS) zu einem Anstieg der freien zytosolischen Kalziumionenkonzentration (rechte Spur) und zu einer Steigerung der synaptischen Übertragungsstärke. Bei Interneuronen sind identische Reize praktisch wirkungslos (unten). Modifiziert nach Ikeda et al. 2003.