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DOI: 10.1055/s-2005-866733
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Hennig-Vertigo-Preis 2004 - Fahrtauglichkeit unter Alkohol?
Publication History
Publication Date:
04 April 2005 (online)
Ein Blutalkoholgehalt von 0,6‰, wie er in vielen Ländern beim Fahren derzeit noch erlaubt ist, kann die Fahrtauglichkeit bereits erheblich einschränken. Dies zeigen Untersuchungen von Priv.-Doz. Dr. Frank Schmähl, Oberarzt an der HNO-Klinik der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster.
Frank Schmähl hat für seine umfangreichen Arbeiten auf dem Gebiet der Schwindel- und Gleichgewichtsforschung vor kurzem den Hennig-Vertigo-Preis 2004 erhalten. Seine aktuelle Untersuchung befasste sich mit der Auswirkung des Alkohols auf die Blickfeldstabilisierung. Ein kompliziertes Wechselspiel zwischen Gleichgewichtsorgan und Gehirn sorgt beim gesunden Menschen dafür, dass ihm nicht schwindlig wird. Eine wichtige Funktion haben dabei die Augen. Sie erhalten aus dem Hirnstamm die vom Gleichgewichtsorgan empfangenen Informationen, ihre Muskeln bewegen dann den Augapfel exakt entgegen der Bewegung von Kopf oder Körper und halten so das Blickfeld stabil. Die drei Bogengänge im Gleichgewichtsorgan registrieren Drehbewegungen, die Otolithenorgane sind für lineare Bewegungen zuständig, wie z.B. das Auf- und Abbewegen des Kopfes. Störungen des vestibulo-okulären Reflexes führen dazu, dass Bilder auf der Netzhaut verwischen und ein scharfes Sehen nicht mehr möglich ist. Schmähl konzentrierte seine Untersuchungen auf die von den Otolithenorganen registrierten geradlinigen Bewegungen und konstruierte für die Untersuchungen zusammen mit Prof. W. Stoll, Münster, einen Hubstuhl, mit dem die Blickfeldstabilisierung gemessen werden kann.
Bei der Untersuchung der Frage, in welchem Maße Alkohol die Ergebnisse beeinflusst, wurden die Probanden zunächst auf einen Alkoholspiegel von 0,6 bis 0,7‰ gebracht. Die ernüchternden Ergebnisse: Im Ruhezustand konnten die leicht alkoholisierten ebenso wie die nüchternen Probanden die auf einem Bildschirm dargebotenen Zahlen zu 100% erkennen, bei Auf- und Abbewegung aber nur noch zu 75%. Die nüchternen Probanden hatten auch hier keine Probleme.
Die Analyse zeigt, dass bei den alkoholisierten Probanden die Augenbewegung zu spät der Bewegung des Stuhls folgt. Die normale Latenzzeit von 20 bis 30 Millisekunden hatte sich mehr als verdoppelt.
Auch wenn es nur Verzögerungen im Millisekundenbereich sind - in Verkehrssituationen kann diese verlängerte Latenzzeit entscheidend sein. Mit dem Hubstuhl gibt es eine neue Möglichkeit zur differenzierten Diagnostik des Schwindels, ein weiteres Mosaiksteinchen zur besseren Abklärung eines weit verbreiteten Leidens.
gb