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DOI: 10.1055/s-2005-867132
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Beispiel eines diagnostischen Verwirrspiels - Aortenaneurysma oder Morbus Ormond ? Morbus Ormond oder Aortenaneurysma?
The Case of a Diagnostic Puzzle - Aortic Aneurysm or Ormond's Disease? Ormond's Disease or Aortic Aneurysm?Publication History
Publication Date:
25 April 2005 (online)
- Anamnese
- Körperliche Untersuchungsbefund
- Bisherige Befunde der Auftragsdiagnostik vom Hausarzt
- Eine präoperative Kontrollsonographie (ca. 3 Monate nach Diagnosestellung) ergab Folgendes
- Diagnose
- Verlauf
- M. Ormond
- Manöverkritik
- The Case of a Diagnostic Puzzle - Aortic Aneurysm or Ormond's Disease? Ormond's Disease or Aortic Aneurysm?
Anamnese
45-jähriger, normgewichtiger Patient (180 cm/70 kg), seit 5 Monaten Schmerzen im linken Mittelbauch mit Ausstrahlung in linke Leiste und Gewichtsabnahme von 16 kg.
20 Zigaretten pro Tag seit > 20 Jahren, arterielle Hypertonie und Hypercholesterinämie bekannt. Im 8. Lebensjahr Schädelhirntrauma. Bis auf eine Appendektomie und eine Nasenseptumkorrektur hatte er bisher keine Operationen. Seit 1 œ Jahren ist er wegen einer Depression in Behandlung und derzeit psychisch stabil.
#Körperliche Untersuchungsbefund
unauffällig
#Bisherige Befunde der Auftragsdiagnostik vom Hausarzt
Laborchemisch erhöht waren das Cholesterin i. S. und die Blutsenkungsgeschwindigkeit (34/62 mm n. W.); BB und CRP unauffällig. Die Endoskopie des Magen-Darm-Trakts ergab bis auf ein kleines Sigmaademon ohne hochgradige intraepitheliale Neoplasie ebenfalls keine richtungsweisenden Befunde. Sonographisch wurde ein kleines infrarenales teilthrombosiertes Aortenaneurysma mit einem maximalem Durchmesser von 4,6 cm diagnostiziert (Abb. [1]). Zur Befundbestätigung stellte der Hausarzt den Patienten in einem nahe gelegenen Zentrum für Innere Medizin vor. Hier wurde die Diagnose nach 2 stationären Kurzaufenthalten, einem ambulanten Abdomen-CT, einer Aortographie, Koronarangiographie und einer Kontrollabdomensonographie bestätigt. Wegen der Beschwerden des Patienten wurde eine Operation des Bauchaortenaneurysma empfohlen.
Fig. 1 Cross section: aorta.
#Eine präoperative Kontrollsonographie (ca. 3 Monate nach Diagnosestellung) ergab Folgendes
Aortensklerose mit einzelnen Plaques, kein Aneurysma. Sowohl die Vena cava inferior als auch die Aorta und deren Äste sind von einer echoarmen homogenen Masse ummauert (Abb. [2]). Die Ummauerung der Vena cava ist im Vergleich zu Abb. [1] gut erkennbar herausgearbeitet. Sie reicht von infrarenal bis zu den Iliakalgefäßen. Im Farb-Doppler läuft die A. mesenterica ungehindert durch die Masse hindurch (Abb. [3]). Die Ureteren sind nicht betroffen und das Nierenhohlsystem nicht gestaut.
Fig. 2 Cross section: aorta and vena cava inferior.
Fig. 3 Longitudinal section: Aorta and mesenteric a. inferior
#Diagnose
#Morbus Ormond (Primär idiopatische Retroperitonealfibrose)
Sonographisch lässt sich die Retroperitonealfibrose einfach von einem arteriosklerotischen Aneurysma unterscheiden. Der M. Ormond umkleidet die Aorta, welche im Falle einer Arteriosklerose die Plaques am Gefäßrand, also innen, trägt (Abb. [4]). Beim Bauchaortenaneurysma sind die Thromben innerhalb des dilatierten Lumens wandständig abzugrenzen (Abb. [5]). Nur bei einer Perforation eines Bauchaortenaneurysma wird das Hämatom als periaortale Masse erkennbar, Letzteres geht mit einer akuten Symptomatik einher.
Fig. 4 Ormond's Disease.
Fig. 5 Aorta aneurysm.
Die von der Aorta abgehenden Gefäße verlaufen bei der Retroperitonealfibrose unauffällig, allenfalls komprimiert oder gestreckt. Zudem umkleiden fibrotische Massen auch die Vena cava inferior.
#Verlauf
Nach Sicherung der Diagnose mittels offener Biopsie aus dem retroperitonealen Tumor und Nachweis von dichten lymphoplasmazellulären Entzündungszeichen begannen wir eine Prednisolontherapie (1 mg/kg KG über 2 Wochen und weitere 3 Monate 20 mg/die). Im Verlauf deutliche Regression des Befundes auf ca. die Hälfte der Ausdehnung (Abb. [6] u. [7]). Klinisch ebenfalls deutliche Besserung der Bauchschmerzen und Gewichtszunahme. Eine immunsuppressive Therapie ist sinnvoll, solange eine Aktivität und keine vollständige Fibrose vorliegt. Die Aktivität lässt sich durch Kontrastmittelaufnahme in der CT oder im MRT beurteilen.
#M. Ormond
Definitionsgemäß eine primär idiopatische Bindegewebsvermehrung mit Ummauerung von Gefäßen und Ureteren. Männer sind 2-3 x häufiger betroffen als Frauen, und das mittlere Lebensalter bildet den Häufigkeitsgipfel der Erkrankung. Am wahrscheinlichsten ist ein Autoimmunmechanismus als Ursache anzunehmen. Die sekundären Formen der Retroperitonealfibrosen sind vermutlich getriggert durch unterschiedliche Reize (unlösliche Lipide aus artheriosklerotischen Gefäßwänden, Urinextravasion posttraumatisch, Kunststoffe bei aortofemoralen Prothesen ...). Die Symptomatik ist unspezifisch wie Lumbalschmerz, Bauchschmerz und Gewichtsabnahme. In der Regel wird die Diagnose erst im fortgeschrittenen Stadium durch Harnstau infolge Ureterkompression gestellt. Laborchemisch findet sich in 98% der Fälle eine BSG-Erhöhung. Die Sonographie ist diagnostisches Mittel der ersten Wahl, zumal die Patienten wegen der oft unspezifisch milden Symptomatik nicht primär mit CT oder MRT untersucht werden. Nicht zuletzt wegen der Differenzialdiagnose einer karzinomatösen Retroperitonealfibrose ist die Diagnosesicherung über eine Biopsie zu fordern. Bei fehlendem Ansprechen auf Kortison ist Azathioprin Erfolg versprechend. Die Prognose ist sehr unterschiedlich und ohne genauere Angaben in der Literatur. Die häufigste Todesursache stellen die Harninfektion und die postrenale Niereninsuffizienz dar.
#Manöverkritik
Die bestehenden atherogenen Riskofaktoren lenken den Untersucher auf eine falsche Fährte, und dieser gibt sich mit der scheinbar klaren Diagnose eines Aortenaneurysmas zufrieden.
Die Erst- und Fehldiagnose eines infrarenalen Aortenaneurysmas "überlebt", ohne diese anzuzweifeln, eine angesehene Klinik in 3 verschiedenen Abteilungen.
Die Anamnese un Beschwerden des Patienten werden in Anbetracht der vermeintlich klaren Diagnose ignoriert. Es ist prinzipiell ratsam, jede Diagnose kritisch zu hinterfragen.
Ein treffender Spruch für jegliche bildgebende Diagnostik ist:
Man sucht nur, was man kennt, und findet nur, was man sucht.
#The Case of a Diagnostic Puzzle - Aortic Aneurysm or Ormond's Disease? Ormond's Disease or Aortic Aneurysm?
#Case History
45-year-old patient of normal weight (180 cm/70 kg), complaining of pain in the left abdomen radiating into the left groin for 5 months, weight loss of 16 kg. 20 cigarettes/day for > 20 years; diagnosis of hypertension and hypercholesterinaemia. Brain concussion at the age of 8. Appendectomy and correction of the nasal septum in the past. Treatment for depression in the last 1 œ years, psychologically stable at present.
#Physical examination
normal
#Results of diagnostic investigations by the patient's physician
Laboratory results: Elevated serum cholesterol and erythrocyte sedimentation rate (34/62 mm); normal blood cell count and CRP. Endoscopic examination of the gastro-intestinal tract only yielded a small adenoma of the sigmoid without high-grade intraepithelial neoplasia on the whole, there were no conclusive findings. Sonographically, a small, partially occluded, infrarenal aortic aneurysm of maximally 4.6 cm in diameter could be diagnosed (Fig. [1]). The patient's physician referred him to a near-by centre for internal medicine for confirmation of these findings. The diagnosis was confirmed after 2 short hospital admissions, an abdominal CT carried out on an out-patient basis, aortic and coronary angiography and a further ultrasound scan of the abdomen. The patient was advised to undergo surgery of the aortic aneurysm.
#A pre-operative ultrasound scan (3 months after establishing the diagnosis) yielded the following
Sclerosis of the aorta, no aneurysm. The inferior vena cava and the aorta with its branches are embedded in a homogenous hypoechoic mass (Fig. [2]). Compared to Fig. [1], the tissue surrounding the vena cava can be distinguished very well. The mass extends from an infra-renal position towards the iliac vessels. Colour Doppler sonography shows the mesenteric a. inferior to be unaffected (Fig. [3]). The ureters and the renal pelvis on both sides are unobstructed.
#Diagnosis
Ormond's disease (Primary idiopathic retroperitoneal fibrosis)
Sonographically, retroperitoneal fibrosis can easily be distinguished from a sclerotic aortic aneurysm. The tissue in Ormond's disease surrounds the aorta (Fig. [4]), and the sclerotic plaques, if arteriosclerosis is present, can be seen protruding into the lumen of the vessel. In the case of an aortic aneurysm, thrombus formation adhering to the inside wall of the dilated vessel can be delineated (Fig. [5]). Only after perforation of an abdominal aortic aneurysm can the haematoma be detected as a periaortal mass. In this case, there will be acute symptoms of vessel rupture.
The vessels branching from the aorta are basically unaffected in retroperitoneal fibrosis. They might be slightly compressed or stretched. Typically, fibrotic masses also surround the inferior vena cava.
#Clinical course
After confirmation of the diagnosis through surgical biopsy, yielding dense inflammatory tissue with lympho-plasmacellular infiltrates, the patient was started on prednisolone (1 mg/kg for 2 weeks, followed by 20 mg/day for a further 3 months). A significant regression of the infiltration to about half its size could be observed during this time (Fig. [6] and [7]). There was also marked clinical improvement with weight gain and a decrease in abdominal pain. Immuno-supressive therapy is effective as long as there are signs of active disease and fibrosis is not complete. The extent of activity of the process can be judged by contrast enhancement in CT or MRI scans.
#Ormond's disease
By definition, this entity is characterised by primary idiopathic formation of connective tissue, surrounding vessels and ureters. Men are affected 2-3 x more often than women, with a peak occurrence of the disease in middle age. The most likely cause is an autoimmune mechanism. Secondary forms of retroperitoneal fibrosis are probably triggered by different stimuli (such as insoluble lipids from arteriosclerotic vessel walls, post-traumatic extravasation of urine, material from aorto-femoral prosthesis...). Symptoms are non-specific, such as back pain, abdominal pain or weight loss. Diagnosis is often not established until urinary retention through compression of the ureters occurs. Laboratory tests yield an elevated ESR in 98% of cases. Sonography is the diagnostic tool of first choice, as symptoms are non-specific and mild, and most patients are not primarily referred for CT or MRI examination. Confirmation of the diagnosis by biopsy is mandatory in order to rule out malignant retroperitoneal fibrosis. If the patient does not respond to cortisone treatment, azathioprine might be effective. Prognosis is variable, statements in the literature being inconclusive. The most common cause of death is urinary tract infection and post-renal failure.
#Critical view of proceedings
Existing atherogenic risk factors lead the investigator in the wrong direction, and the seemingly clear diagnosis of an aortic aneurysm is gladly accepted. The initial diagnosis and mis-diagnosis of an infra-renal aortic aneurysm "survives" without being doubted in 3 different departments of a well-renowned hospital.
Clinical history and complaints of the patient are ignored in view of the seemingly certain diagnosis. It is always advisable to critically question any diagnosis. A poignant line for any diagnostic imaging technique is:
One only searches for the known, and one only finds what is searched for.
M. Mauch, Sigmaringen