Z Orthop Ihre Grenzgeb 2005; 143(2): 138-140
DOI: 10.1055/s-2005-868442
Orthopädie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der Oberflächenersatz der Hüfte - ein wiederentdecktes Verfahren zur Behandlung der Koxarthrose beim jungen Erwachsenen

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Publication Date:
29 April 2005 (online)

 
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Dr. Andreas von Stockert

Der Oberflächenersatz der Hüfte ist eine bereits seit den 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts bekannte Operationsmethode, die in England von Philip Wiles sowie McKee entwickelt wurde. Weitere Meilensteine des Oberflächenersatzes sind mit den Namen Sir Charnley sowie Judet in Frankreich und Wagner in Deutschland verbunden. Zur Anwendung kamen verschiedene Gleitbelag-paarungen, schon damals als Hartbelag-paarungen in Metall-Metall-Version, Keramik-Keramik-Version, Keramik-Teflon, Plexiglas und Polyäthylen-Keramik/Metallpaarungen.

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Frühere Ergebnisse längerfristig enttäuschend

Die mittel- und langfristigen Ergebnisse dieser Oberflächenersätze enttäuschten jedoch oft, auch wenn in Einzelfällen Standzeiten von bis zu 20 Jahren und darüber bekannt wurden. Problematisch war zum anderen die Entwicklung einer Femurkopfnekrose unterhalb der aufgebrachten Kappe. Der Oberflächenersatz wurde nach der Wagner-Ära daher von vielen Operateuren wieder verlassen und ist erst seit Anfang der 90er-Jahre von Derek McMinn in Birmingham neu entwickelt und verfeinert worden. Dabei handelt es sich um eine Metall-Metall-Gleitbelagpaarung mit einer relativ großvolumigen Metallschale und einem ebenso großen Metallkopf.

In der weiteren Folge kam es zur Trennung zwischen Vertrieb und Hersteller, so dass neben dem BHR-Oberflächenersatz auch das Urprodukt der Firma Corin in Form der Cormet-Hüfte auf dem Markt ist. Ab dem Jahr 2003 erfolgte die Vorstellung der Durom-Hip durch die Firma Centerpulse/Zimmer mit einer Metasul-Gleitpaarung. Die Grundlage des Oberflächenersatzes ist die möglichst knochensparende Resektion im Bereich des Hüftkopfes, um im Falle einer Revision und möglichem Wechsel eine weitere "Verteidigungslinie" bei der Weiterbehandlung gerade des jungen Patienten mit einer Koxarthrose und entsprechend langer Lebenserwartung zu erhalten. Den grundsätzlichen Vorteilen eines Oberflächenersatzes, der geringen Knochenresektion im Bereich des Hüftkopfes, der durch den großen Hüftkopf hervorragenden Beweglichkeit der Hüfte sowie der damit verbundenen Luxationssicherheit stehen die Nachteile einer relativ stärkeren Knochenresektion im Pfannenlager, die Möglichkeit einer Hüftkopfnekrose unter der Kappe und die erhöhte Gefahr einer Schenkelhalsfraktur gegenüber. Die Alternative zum Oberflächenersatz liegt in der Implantation einer der modernen Kurzschaftprothesen und damit verbundener geringerer Knochenresektion im Bereich des Schenkelhalses sowie dem Einbau einer konventionellen Pressfit-Pfanne mit entsprechend abriebstabiler Gleitpaarung des Hüftkopfes und Inlays.

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Oberflächenersatz am Hüftgelenk in der zweiten Ära

Vom Februar 2003 bis November 2004 wurde in unserer Abteilung bei 30 Patienten ein Hüftoberflächenersatz implantiert. Es handelte sich dabei um 12 Frauen und 18 Männer. Die Altersspanne der Patienten lag zwischen 23 und 66 Jahren bei einem Durchschnitt von 48 Jahren.

Vier Patienten waren unter 40 Jahren, 15 Patienten unter 50 Jahren. Die Indikation wurde bei ausgeprägter Koxarthrose gestellt. Entscheidend für die Indikationsstellung bzw. Differenzialindikation gegenüber einer Kurzschaftprothese war das Größenverhältnis des Hüftkopfes zur ursprünglichen Gelenkpfanne, die Pfannentiefe, insbesondere der vorhandene subchondrale Knochen und die Konfiguration des Schenkelhalses mit einer stärkeren Taillierung nach dem Maximaldurchmesser des Hüftkopfes. Die Indikation wurde in der Einführungsphase streng gestellt.

Der Oberflächenersatz der Hüfte stellt in unseren Augen ein gutes Verfahren zur Behandlung der Koxarthrose beim jüngeren Erwachsenen dar. Die bisher guten kurzfristigen Ergebnisse, insbesondere das Ausbleiben größerer und verfahrenstypischer Komplikationen wie der Schenkelhalsfraktur und der Hüftkopfnekropse bzw. des Materialversagens der Frühlockerung der Pfanne führen wir in unserem Patientengut darauf zurück, dass die Indikationsstellung streng erfolgte und nur die Patienten einem Oberflächenersatz zugeführt wurden, bei denen die Pfanne ausreichend groß und tief war und der Schenkelhals die erforderliche Taillierung hinter dem Maximaldurchmesser des Hüftkopfes aufwies. Da in unserer Klinik auch die Kurzschaftprothese vom Typ Mayo in Kombination mit einer konventionellen Pressfit-Pfanne mit Keramik-Inlay oder einem speziellen hochvernetztem Polyäthylen-Inlay zum Einsatz kommt, kann eine suffiziente Alternative angeboten werden, um auch die Patienten mit entsprechend "ungünstiger" Schenkelhals-Pfannenkonstellation möglichst knochensparend zu behandeln.

Alle Patienten erhielten peri- und postoperativ eine medikamentöse Behandlung mit einem nicht steroidalen Antirheumatikum zur Ossifikationsprophylaxe. Die Belastungsaufnahme erfolgte am ersten postoperativen Tag mit 20 kg Teilbelastung für zwei Wochen, danach Übergang auf halbes Körpergewicht und Vollbelastung nach durchschnittlich vier Wochen. Zur Auswertung der klinischen Ergebnisse wurde der Harris-Hip-Score gewählt. Die Patienten wurden prospektiv präoperativ sowie 1 Jahr und 2 Jahre nach der Implantation nachuntersucht.

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Operationstechnik

Der Oberflächenersatz der Hüfte wird in unserer Klinik zum ganz überwiegenden Teil (über 80%) vom dorsalen Zugang in Seitenlage des Patienten eingebracht. Die Operation erfolgt dabei unter Abtrennung der Außenrotatoren sowie nach Anschlingen der Teilinzision der Glutaeus-maximus-Sehne, um eine Luxation des Hüftkopfes nach ventral zu ermöglichen. Der Hüftkopf wird in eine zuvor gebildete Tasche vor das Hüftgelenk luxiert und die Pfanne nach Bestimmung der kleinstmöglichen Hüftkopfgröße entsprechend aufgefräst. Nach Einschlagen der Hüftpfanne im Pressfit wird der vorher luxierte Hüftkopf wieder in die Pfanne hineinluxiert bzw. nach dorsal aufgerichtet und dann nach Einbringen eines Peilstabes über geführte Fräsen entsprechend dem Aufsitz der Oberflächenersatzkappe zugeformt.

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Abb. 1: 53-jährige Patientin, Koxarthrose mit Chondromatose, präoperativ.

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Abb. 2: 53-jährige Patientin, Koxarthrose mit Chondromatose. 1 Jahr postoperativ.

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Abb. 3: 33-jährige Patientin, posttraumatische Koxarthrose, präoperativ.

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Abb. 4: 34-jährige Patientin, posttraumatische Koxarthrose. 1 Jahr postoperativ.

Die Oberflächenkappe wird mit einem Führungsdorn in den Schenkelhals auf den entsprechend abgefrästen Hüftkopf aufzementiert. Das Eindringverhalten des Zementes in den Hüftkopf kann durch Saugung an einer in den Trochanter minor eingebrachten Kanüle zusätzlich erhöht werden. Nach Aushärten des Zementes erfolgt die Reposition und Kontrolle des Hüftspieles und der Luxationssicherheit. Die zuvor abgetrennten Außenrotatoren sowie die Glutaeus-maximus-Sehne werden abschließend reinseriert.

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Zufriedene Patienten

Im unmittelbaren postoperativen Verlauf kam es zu folgenden Komplikationen:

Einmal trat eine stärkere Nachblutung auf bei einem Patienten mit einer postinfektiösen Koxarthrose, die eine radiologische Intervention mittels Embolisation notwendig machte. Bereits intraoperativ war eine verstärkte Blutungsneigung aufgefallen. Weitere besondere Komplikationen traten nicht auf. Es fiel eine allgemein stärkere Schwellungsneigung des operierten Beines auf, was ursächlich mit einem verstärkten Lymphödem durch die vorübergehende Luxation des Hüftkopfes in die ventral gebildete Tasche erklärt wurde. Ein signifikanter Unterschied zwischen dem ventralen und dorsalen Operationszugang fand sich dabei jedoch nicht. Die für den Eingriff typischen Komplikationen blieben bisher aus. So kam es insbesondere nicht zu einer Ischiadicusparese oder sonstigen Nervenläsionen, einer Schenkelhalsfraktur, einer Hüftkopfnekrose, einer Frühlockerung sowie Luxation der Hüfte. Auch Infektionen traten nicht auf. Die Operationszeit lag zu Beginn bei 2 Stunden und verkürzte sich im Laufe der Lernkurve bis auf 70-80 Minuten.

Der intraoperative Blutverlust lag zwischen 500 und 1000 ml, Fremdblut musste in keinem Fall substituiert werden.

Die Auswertung der Patienten erfolgte nach dem Harris-Hip-Score.

Es konnten 29 von 30 Patienten (97%) nachuntersucht werden. 28 von 29 Patienten (96%) waren mit dem OP-Ergebnis zufrieden und würden den Eingriff wiederholen lassen. Zum Teil wurde er bereits auf der Gegenseite wiederholt. In einem einzigen Fall war eine Patientin mit dem OP-Ergebnis unzufrieden, da eine eingeschränkte Beugung von nur 80° vorlag, ohne dass dafür eine falsche Pfannenpositionierung oder ein mechanisches Problem ausfindig gemacht werden konnte.

In 2 von 29 Fällen (7%) trat eine Verschlechterung der präoperativen Beweglichkeit auf; zum einen die oben genannte Patientin, zum zweiten eine Patientin mit einem Morbus Still und ohnehin deutlich eingeschränkter Beweglichkeit, wobei sich diese Patientin aufgrund ihrer deutlichen Beschwerdebesserung trotz Bewegungseinschränkung den Eingriff auf der Gegenseite durchführen lassen möchte. Sämtliche Patienten gaben unmittelbar postoperativ sowie in der weiteren Folge eine deutliche Beschwerdebesserung an. Die Leistungs- und Sportfähigkeit wurde von 27 Patienten als gesteigert beschrieben. In Einzelfällen wurden wenige Wochen nach der Operation bereits wieder 3000 m hohe Berge bestiegen oder Tanzturniere bestritten.

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Abb. 5: 60-jähriger Patient, beidseitige Koxarthrose. rechts nach Cormet-Oberflächenersatz.

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Abb. 6: 61,5-jährige Patient, beidseitige Coxarthrose. rechts nach Cormet/links nach Durom-Cup. 1 Jahr postoperativ.

Der Harris-Hip-Score ergab präoperativ einen Mittelwert von 49 bei einer Spanne von 28-89. Im Verlauf des ersten Jahres stieg der Harris-Hip-Score im Schnitt auf 92 an bei einer Spanne von 56-100, um sich im Verlauf des zweiten Jahres bei den bisher auszuwertenden Patienten auf durchschnittlich 98 bei einer Spanne von 94-100 zu steigern. Aufgrund der geringen Fallzahl dienen die letztgenannten Werte jedoch nur als Orientierung.

Literatur beim Autor

Andreas von Stockert, Michael Ames, Ralph Fischer

Abteilung Orthopädie II im Klinikum Karlsbad-Langensteinbach

 
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Dr. Andreas von Stockert

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Abb. 1: 53-jährige Patientin, Koxarthrose mit Chondromatose, präoperativ.

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Abb. 2: 53-jährige Patientin, Koxarthrose mit Chondromatose. 1 Jahr postoperativ.

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Abb. 3: 33-jährige Patientin, posttraumatische Koxarthrose, präoperativ.

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Abb. 4: 34-jährige Patientin, posttraumatische Koxarthrose. 1 Jahr postoperativ.

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Abb. 5: 60-jähriger Patient, beidseitige Koxarthrose. rechts nach Cormet-Oberflächenersatz.

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Abb. 6: 61,5-jährige Patient, beidseitige Coxarthrose. rechts nach Cormet/links nach Durom-Cup. 1 Jahr postoperativ.