Z Orthop Ihre Grenzgeb 2005; 143(2): 142-144
DOI: 10.1055/s-2005-868444
Orthopädie aktuell

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ist die Vakuum-Behandlung bei septischen Komplikationen der Hüftendoprothetik eine Therapieoption?

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Publication Date:
29 April 2005 (online)

 
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Dr. Jens Kelm

Bei einer Gesamtinfektionsrate (primär und sekundär) zwischen 0,4 und 2,3% ist bei 170000 primären Hüftprothesenimplantationen und 7500 Wechseloperationen jährlich mit ca. 1000-2500 infizierten Hüftendoprothesen zu rechnen.

Die Therapie des periprothetischen Infektes zählt zu den optimierbaren Verfahren der septischen Chirurgie. Das Problem, insbesondere beim prothesenerhaltenden Vorgehen, besteht in der persistierenden Sekretion verbunden mit einem hohen Pflegeaufwand und einem geringen Patientenkomfort.

Obwohl die Vorteile der VAC-Therapie, wie Granulationsförderung, sichere Sekretableitung und Keimzahlreduktion mit dem Konzept der prothesenerhaltenden Sanierung periprothetischer Infekte übereinstimmt, wird dieses Verfahren in der Orthopädie nur selten genutzt.

Wir haben in Homburg die VAC-Therapie in unser Behandlungskonzept, sowohl beim prothesenerhaltenden Vorgehen als auch beim zweizeitigen Prothesenwechsel, integriert und bisher 13 Patenten mit unterschiedlichen Indikationen und Infektausgangssituationen mithilfe der Vakuum-Behandlung versorgt (Tab. [1]).

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Therapiekonzept

Unser Therapiekonzept besteht aus:

1. Radikale chirurgische Sanierung und Einlage von Polyvinylschwämmen mit transkutaner Schlauchausleitung unter schichtweisem Wundverschluss,

2. Vakuum-Therapie mit kontinuierlichem Sog von zunächst 200 mmHg,

3. Adjuvante resistenzgerechte i.v. Antibiose für 4 Wochen, danach Oralisierung für weitere 2 Wochen.

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Operatives Vorgehen

Die operative Sanierung beginnt mit der Kontrastierung der Infekthöhle mit Methylenblau. Dadurch ist eine direkte intraoperative Exploration des Infektausmaßes möglich, wobei in der Regel immer das Prothesenmaterial in den Infekt einbezogen ist. Mit der exakten Präparation der Gewebeschichten in die Tiefe erfolgt ein radikales chirurgisches Debridement/Nekrektomie in gleicher Weise. Nach der Entfernung aller austauschbaren Prothesenkomponenten (Inlay, Prothesenkopf) wird die debridierte und lavagierte Wundhöhle (Abb. [1]) durch ein mit einem Antiseptikum getränktes Bauchtuch austamponiert. Nach ausreichender Einwirkzeit und Entfernung des Bauchtuches wird der OP-Situs mit weiteren 15 l Flüssigkeit jetlavagiert und die entfernten Prothesenanteile durch Neuteile ersetzt. Ventral und dorsal der Prothese bzw. beim Girdlestones-Zustand in die Resektionshöhle werden nun die zurechtgeschnittenen Polyvinylschwämme platziert (Abb. [2]) und deren Schlauchableitungen durch alle Gewebeschichten transkutan ausgeleitet. Die folgende spannungsfreie Rekonstruktion der Gewebeschichten (Abb. [3]) erlaubt, neben einem luftdichten Wundverschluss, eine verbesserte Gewebedurchblutung, was zur Infektsanierung beiträgt, und eine verbesserte biomechanische Funktion der Hüfte ermöglicht. An die transkutan ausgeleiteten Schläuchen erfolgt die Montage der VAC-Pumpe (Abb. 4), die zunächst auf einen kontinuierlichen Unterdruck von 200 mmHg eingestellt wird.

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Abb. 1: Sauber debridierte und lavagierte Wundhöhle mit entfernten, austauschbaren Prothesenkomponenten (Inlay, Prothesenkopf).

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Abb. 2: Zurechtgeschnittene periprothetisch platzierte (ventral und dorsal) Polyvinylschwämme mit transkutaner Schlauausleitung in situ.

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Abb. 3: Rekonstruierte und spannungsfrei adaptierte Weichteilschicht nach metikulöser Präparation.

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Weiterer Verlauf

48-72 h postoperativ ist ein allmählicher Übergang von hämorrhagischem in seröses Sekret zu beobachten. Daraufhin wird der Sog auf 150 mmHg vermindert. In der Regel 10 Tage nach Schwammimplantation ist eine deutliche Reduktion mit nahezu Sistieren der Sekretmenge, einhergehend mit einem CRP-Abfall festzustellen, was uns die Indikation zur Schwammentfernung stellen lässt. Unter schichtweiser Eröffnung der Wunde werden die Schwämme entfernt. Erneut folgt eine intensive Jetlavagierung. In den Fällen, wo die Resistenzsituation es sinnvoll erscheinen lässt, wird das freiliegende Prothesenmaterial mit Sulmycinschwämmen umschieden. Anschließend wird die Wunde spannungsfrei unter exakter Rekonstruktion der Gewebeschichten verschlossen und die Haut mit Klammern adaptiert.

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Fast immer Infektsanierung

In 12 von 13 Fällen konnten wir eine primäre Infektsanierung erreichen. Die Anzahl der Verbandswechsel reduzierte sich von 2-mal täglich vor der VAC-Therapie auf 2-tägige in der ersten bzw. 3-tägige Verbandswechsel in der zweiten Woche während der Vakuum-Behandlung.

In einem mittleren Follow-up von 15 Monaten [3/58] trat nur in einem Fall ein erneuter periprothetischer Infekt durch einen anderen Keim auf.

Bei einer Patientin konnte mithilfe der VAC-Therapie der Infekt nicht saniert werden. Hier lag eine Mischinfektion aus Staph. epidermidis, MRSA, Enterobacter und Candida albicans vor. Erst durch einen Prothesenausbau und die Implantation eines PMMA-Antibiotikum-Spacers war in diesem Fall die Infektsanierung gelungen. Weiterhin war bei einer multimorbiden (Leberzirrhose und Thrombozytopenie) Patientin am 8. postoperativen Tag eine Blutung festzustellen. Die frühzeitig durchgeführte Schwammentfernung hatte keinen negativen Einfluss auf den weiteren Krankheitsverlauf.

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Fazit

Obwohl die VAC-Therapie nicht zu den Standardkonzepten der Sanierung periprothetischer Infekte zählt, bietet sie bei ausgewählten Indikationen eine suffiziente Therapieoption. Indikationen sind persistierende, sezernierende Infekte beim prothesenerhaltenden Vorgehen und beim Resektionszustand, die Anwendung bei hochvirulenten Mischinfektionen scheint fragwürdig. Ein größerer Patientenkomfort und ein geringerer Pflegeaufwand sind möglich, eine frühe ambulante Behandlung dieser Fälle ist denkbar.

Dr. Jens Kelm, Diplom-Sportlehrer,

Klinik für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie, Universitätsklinikum des Saarlandes

 
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Dr. Jens Kelm

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Abb. 1: Sauber debridierte und lavagierte Wundhöhle mit entfernten, austauschbaren Prothesenkomponenten (Inlay, Prothesenkopf).

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Abb. 2: Zurechtgeschnittene periprothetisch platzierte (ventral und dorsal) Polyvinylschwämme mit transkutaner Schlauausleitung in situ.

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Abb. 3: Rekonstruierte und spannungsfrei adaptierte Weichteilschicht nach metikulöser Präparation.