Aktuelle Ernährungsmedizin 2006; 31: 17-27
DOI: 10.1055/s-2005-915365
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kohlenhydrate in der Regulation von Hunger und Sättigung

Carbohydrates and the Regulation of Hunger and SatietyV.  Schusdziarra1 , J.  Erdmann1
  • 1Else-Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin, Klinikum rechts der Isar, TU München
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Publication Date:
14 February 2006 (online)

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Zusammenfassung

Die Regulation der Nahrungsaufnahme erfolgt im Zusammenspiel von Magen, Zentralnervensystem und Fettgewebe. Der Verzehr einer Mahlzeit führt zu einer Aktivierung von Sättigungssignalen, die innerhalb von 30 - 60 min ein Maximum erreichen und zur Unterbrechung der Nahrungsaufnahme führen. Während der anschließenden Stunden nimmt das Sättigungsgefühl ab, während das Hungergefühl wieder ansteigt. Die initiale Sättigung entsteht im Wesentlichen durch Füllung des Magens. Die daraus resultierenden Dehnungsreize werden über vagale Afferenzen in die übergeordneten Regulationszentren im Hypothalamus geleitet, wo sie zu einer Aktivierung anorektischer Neurotransmitter führen. Das Auftreten des Hungergefühls wird unter anderem durch den Wiederanstieg des gastralen Hormons Ghrelin aktiviert, das im Hypothalamus zur vermehrten Freisetzung orexigener Neurotransmitter beiträgt. Diese akute Regulation von Sättigung und Hunger wird durch das Volumen der Nahrung und ergänzend in geringem Maß durch den Nährstoffgehalt bestimmt. Der Energiegehalt der konsumierten Nahrung ist keine Regelgröße. Dementsprechend ist die Energieaufnahme stark abhängig von der Energiedichte der verzehrten Lebensmittel. Frühe Untersuchungen aus den 80er-Jahren haben Kohlenhydraten einen größeren Sättigungseffekt als Fett zugeschrieben, während Protein wiederum einen stärkeren Einfluss auf die Aktivierung von Sättigungssignalen als Kohlenhydrate haben soll. Diese Experimente haben die sättigende Wirkung der einzelnen Makronährstoffe auf der Basis isokalorischer Testmahlzeiten verglichen, was bedeutet, dass die Volumina kohlenhydrathaltiger Mahlzeiten im Vergleich zu fettreichen Mahlzeiten immer größer ausgefallen sind. Legt man als Endpunkt der Nahrungsaufnahme Sättigung zugrunde, so ist die verzehrte Nahrungsmenge unabhängig vom Makronährstoffgehalt identisch und die Energieaufnahme entspricht der Energiedichte. Insgesamt haben Kohlenhydrate keinen nährstoffspezifischen Effekt auf die akute Sättigung. Ausmaß und Dauer von Sättigung und Hunger sowie die nachfolgende Nahrungs- und Energieaufnahme werden durch Kohlenhydrate ebenfalls nicht nährstoffspezifisch beeinflusst. Die Daten über Zucker und Nahrungsaufnahme sind sehr kontrovers. Detailliertere Studien mit realistischen Zuckermengen sind dringend erforderlich.

Abstract

Food intake is regulated by a coordination of gastric, central nervous system and adipose tissue functions. Meal ingestion activates satiety signals within 30 - 60 minutes to a maximum which leads to an interruption of food intake. During the following hours satiety signals decrease while hunger sensations regain increasing activity. Initial activation of satiety is mainly due to the filling of the stomach with subsequent distension of the gastric wall. This leads to activation of afferent vagal fibers which in turn stimulate anorectic hypothalamic neurotransmitters. The recurrence of hunger sensations is at least in part due to the increase of the gastric hormone ghrelin which stimulates orexigenic hypothalamic neurotransmitters. This acute postprandial control of hunger and satiety is regulated primarly bei the ingested volume of the food with a minor contribution of the nutrient content. The energy content of ingested food has no acute effect on satiety wich means that energy intake is largely determined by the energy density of the food items. Studies in the 80ies have suggsted that carbohydrates are more satiating than fat, while protein is superior in this context compared to the other two macronutrients. These experiments have compared the individual macronutrients on an isocaloric basis, which means that ingested amounts of carbohydrates were greater than those of fat-rich food. Food intake on the basis of satiation and satiety has shown that consumption of the various macronutrients is related to volume so that a nutrient specific satiation does not exist for carbohydrates. The extent and duration of satiety as well as subsequent food and energy intake is regulated neither by nutrient-specific effects. The available data about the role of simple sugars in feeding regulation are a matter of debate and require more extensive studies considering more realistic amounts of sugar intake with adequate control experiments.

Literatur

Prof. Dr. med. V. Schusdziarra

Else-Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin · Klinikum rechts der Isar · TU München

Ismaninger Straße 22

81675 München

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