psychoneuro 2005; 31(7/08): 352-353
DOI: 10.1055/s-2005-915954
Blickpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Depressionstherapie - Patientenrelevante Verbesserung unter Escitalopram

Further Information

Publication History

Publication Date:
07 September 2005 (online)

 
Table of Contents

Eine erfolgreiche medikamentöse Depressionsbehandlung wirkt schnell, zuverlässig und ist gut verträglich. Mit Escitalopram (Cipralex®), dem aktiven S-Enatiomer von Citalopram, steht in Deutschland seit September 2003 eine neue innovative Therapieoption zur Verfügung, die diese patientenrelevanten Vorteile bietet. Zur Depressionsbehandlung mit Escitalopram liegen bereits zahlreiche positive Therapieerfahrungen vor. Ebenso konnte die Überlegenheit von Escitalopram gegenüber der Vorgängersubstanz Citalopram durch mehrere Metaanalysen nachgewiesen werden. Diese Ergebnisse werden durch eine aktuelle direkte Vergleichsstudie bestätigt, welche die höchsten Qualitätsansprüche der evidenzbasierten Medizin (EbM) erfüllt.

#

Überlegen durch einzigartigen Wirkmechanismus

Escitalopram verfügt über einen einzigartigen dualen Wirkmechanismus am Serotonintransporter (SERT). Die hohe Affinität zu zwei verschiedenen Bindungsstellen unterscheidet das innovative Antidepressivum von anderen SSRI und SNRI. In zahlreichen in-vitro-Untersuchungen und verhaltenspharmakologischen Studien an Tieren konnte ein neurobiologisches Modell erarbeitet werden, das die therapeutische Überlegenheit gegenüber razemischem Citalopram plausibel erklärt [13].

Escitalopram ist die einzige bisher bekannte Substanz, die bei Besetzung einer sekundären Bindungsstelle des SERT die Eigenwirkung am primären Angriffspunkt deutlich verlängert und die Serotoninwiederaufnahmehemmung so messbar verstärkt. R-Citalopram, das im Razemat Citalopram immer zu gleichen Teilen wie Escitalopram enthalten ist, blockiert durch Besetzung dieser sekundären Bindungsstelle die volle Wirksamkeit von Escitalopram (Abb. [1]). Die Behandlung mit Citalopram ist also immer eine Escitalopramtherapie "mit angezogener Handbremse". Durch die Entfernung des wirksamkeitsbehindernden R-Citaloprams kann Escitalopram effektiv an beiden Bindungsstellen wirken. Damit ist Escitalopram aus pharmakologischer Sicht dem razemischen Citalopram überlegen und kann durch razemisches Citalopram nur unzureichend substituiert werden.

Zoom Image

Klinische Daten für einen Vergleich von Escitalopram mit Citalopram lagen bisher aus den Zulassungsstudien vor. Dort wurde Citalopram als aktive Referenz mitgeführt, die Fallzahlplanung war jedoch nicht auf den statistischen Nachweis einer therapeutischen Überlegenheit angelegt. Eine Überlegenheit von Escitalopram wurde in einer Reihe von Metaanalysen festgestellt [2], [5], [6], die konsistent eine signifikant bessere Wirkung von Escitalopram gegenüber Citalopram für verschiedene klinische Endpunkte nachweisen konnten. Subgruppenanalysen zeigten deutliche Hinweise auf therapeutische Vorteile von Escitalopram, besonders bei Patienten mit schweren Depressionen [9].

#

Direkte Vergleichsstudie bestätigt Überlegenheit nach höchsten EbM-Kriterien

Diese Ergebnisse aus den Metaanalysen werden durch eine aktuell publizierte direkte Vergleichsstudie von Moore et al. bestätigt [12]. In die prospektive, randomisierte Multicenterstudie wurden schwer depressive Patienten (n = 280) einbezogen, die ambulant entweder von Psychiatern oder Hausärzten behandelt wurden. Die statistisch auf Überlegenheit angelegte Studie erfüllt höchste EbM-Qualitätsansprüche und betrachtet für den klinischen Alltag typische Patienten (Alter median 44,1 Jahre; MADRS zu Therapiebeginn median 35,7). Im Laufe der achtwöchigen Therapie besserte sich die Symptomatik in der Escitalopramgruppe signifikant stärker als in der Citalopramgruppe (-22,4 vs. -20,3; p = 0,05). Die Responserate (MADRS-Reduktion ? 50 Prozent bezogen auf den Ausgangswert) lag bei Escitalopram-Patienten signifikant höher (76,1 Prozent vs. 61,5 Prozent; p = 0,009). Ebenso war die Remissionsrate (MADRS ? 12) bei den mit Escitalopram behandelten Patienten signifikant höher als bei den Patienten, die mit Citalopram behandelt worden waren (56,1 Prozent vs. 43,6 Prozent; p = 0,04) (Abb. [2]). Die Verträglichkeit war in beiden Gruppen gleich gut. Citalopram-Patienten brachen die Behandlung jedoch signifikant häufiger als Escitalopram-Patienten ab (15 vs. 6; p = 0,05), meist wegen mangelnder Wirksamkeit.

Zoom Image

Um die Ergebnisse von Studien auf ihre klinische Relevanz hin zu prüfen, hat sich die Betrachtung der "numbers needed to treat" (NNT) bewährt [8], [10]. Auch das neugegründete Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) will dieses Maß verstärkt nutzen, um Therapiealternativen zu vergleichen [7]. Der NNT-Wert berechnet sich aus 100 geteilt durch die Differenz zweier Behandlungsalternativen und gibt an, wie viele weitere Patienten behandelt werden müssen, um einen zusätzlichen Erfolg zu erzielen.

Nach den bei Moore et al. [12] angegebenen Response- und Remissionsraten [12] errechnen sich NNT von 7 (100/(76,1-61,5)) respektive 8 (100/(56,1-43,6)); es müssen also nur 7 bzw. 8 Patienten mit Escitalopram behandelt werden, um eine zusätzliche Response bzw. Remission zu erreichen (Abb. [3]). Dieses Ergebnis zeigt, dass der therapeutische Vorteil von Escitalopram klinisch gesichert (signifikant) und von hoher klinischer Relevanz ist. Zum Vergleich: Die NNT für die Primärprävention kardiovaskulärer Ereignisse mit Lipidsenkern (NNT = 94) und ACE-Hemmern (NNT = 208) sind 10 bis 20 mal höher [1], [14].

Zoom Image
#

Klinische Vorteile mit hoher Praxisrelevanz

Im klinischen Alltag sind ein schneller Wirkeintritt, die gute Verträglichkeit und eine zuverlässige Wirkung für den einzelnen Patienten bedeutsam und wichtig. Deshalb, so forderte Prof. Hans-Jürgen Möller auf der Konsensus-Konferenz "Innovation und Wandel in der Antidepressiva-Therapie in Deutschland" im April 2005 in München, dürfe die zurzeit in Deutschland geführte Innovations-Debatte nicht allein durch Gesundheitsökonomen und Methodiker entschieden werden. Möller warnte davor, neue Arzneimittel einseitig unter theoretisch-pharmakologischen Gesichtspunkten zu bewerten. Wichtige praktische Entscheidungskriterien wie etwa der initiale Wirkbeginn oder die Nutzen-Risiko-Relation bei einer breit gefächerten Patientenpopulation würden hierbei zu wenig berücksichtigt.

Ein Beispiel für ein überlegenes Nutzen-Risiko-Verhältnis geben zwei Studien, die Escitalopram mit Venlafaxin in mittlerer [11] und hoher [3] Dosierung direkt verglichen haben. Die mittlere Veränderung des MADRS war zu allen Zeitpunkten unter Escitalopram statistisch mindestens ebenso deutlich wie - numerisch aber leicht besser als - unter Venlafaxin. In der Studie von Montgomery [11] war nach zwei Wochen eine signifikant höhere Rate dauerhafter Besserungen und andauernden Wohlbefindens zu beobachten. Dem gegenüber stand in beiden Untersuchungen eine statistisch signifikant schlechtere Verträglichkeit von Venlafaxin, u.a. auch durch ausgeprägt noradrenerge Nebenwirkungen. Das gute Nutzen-Risiko-Verhältnis von Escitalopram trägt - neben dem günstigeren Preis - durch geringere Begleit- und Folgekosten zu einer gesundheitsökonomisch positiveren Bewertung von Escitalopram im Vergleich zu Venlafaxin bei [4].

#

Literatur

  • 1 ACE Inhibitor Myocardial Infarction Collaborative Group, Circulation 1998; 97: 2202-2212. 
  • 2 Auquier P . Robitail S . Llorca PM . Rive B . Int J Psych Clin Pract. 2003;  7 259-268
  • 3 Bielski RJ . Ventura D . Chang CC . J Clin Psychiatry. 2004;  65 1190-1196
  • 4 Croom KF . Plosker GL . CNS Drugs. 2004;  18 469-473
  • 5 Einarson TR . Int Clin Psychopharmacol. 2004;  19 305-310
  • 6 Gorman JM . Korotzer A . Su G . CNS Spectrums. 2002;  7 (1) 40-44
  • 7 www.iqwig.de/media/_ber_ uns/institut/files/2005_03_01_IQWiG_Methoden.pdf
  • 8 Laupacis A . Sackett DL . Roberts RS . N Engl J Med. 1988;  318 (26) 728-1733
  • 9 Llorca PM . Azorin JM . Despiegel N . Int J Clin Pract. 2005;  53 (3) 268-275
  • 10 Meyer FP . Hamburger Ärzteblatt. 2005;  3 124-125
  • 11 Montgomery SA . Huusom AK . Bothmer J . Neuropsychobiology. 2004;  50 (1) 57-64
  • 12 Moore N . Verdoux H . Fantino B . Int Clin Psychopharmacol. 2005;  20 131-137
  • 13 Sánchez C . Bøgesø KP . Ebert B . Reines EH . Braestrup C . Psychopharmacol. 2004;  174 163-176
  • 14 Sever PS . Dahlöf B . Poulter NR . et al.  . Lancet. 2003;  361 1149-1158
#

Literatur

  • 1 ACE Inhibitor Myocardial Infarction Collaborative Group, Circulation 1998; 97: 2202-2212. 
  • 2 Auquier P . Robitail S . Llorca PM . Rive B . Int J Psych Clin Pract. 2003;  7 259-268
  • 3 Bielski RJ . Ventura D . Chang CC . J Clin Psychiatry. 2004;  65 1190-1196
  • 4 Croom KF . Plosker GL . CNS Drugs. 2004;  18 469-473
  • 5 Einarson TR . Int Clin Psychopharmacol. 2004;  19 305-310
  • 6 Gorman JM . Korotzer A . Su G . CNS Spectrums. 2002;  7 (1) 40-44
  • 7 www.iqwig.de/media/_ber_ uns/institut/files/2005_03_01_IQWiG_Methoden.pdf
  • 8 Laupacis A . Sackett DL . Roberts RS . N Engl J Med. 1988;  318 (26) 728-1733
  • 9 Llorca PM . Azorin JM . Despiegel N . Int J Clin Pract. 2005;  53 (3) 268-275
  • 10 Meyer FP . Hamburger Ärzteblatt. 2005;  3 124-125
  • 11 Montgomery SA . Huusom AK . Bothmer J . Neuropsychobiology. 2004;  50 (1) 57-64
  • 12 Moore N . Verdoux H . Fantino B . Int Clin Psychopharmacol. 2005;  20 131-137
  • 13 Sánchez C . Bøgesø KP . Ebert B . Reines EH . Braestrup C . Psychopharmacol. 2004;  174 163-176
  • 14 Sever PS . Dahlöf B . Poulter NR . et al.  . Lancet. 2003;  361 1149-1158
 
Zoom Image
Zoom Image
Zoom Image