psychoneuro 2005; 31(7/08): 355-356
DOI: 10.1055/s-2005-915956
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

16th International Bethel-Cleveland Clinic Epilepsy Symposium - Zonisamid in der Kombinations-Therapie der fokalen Epilepsie

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Publication Date:
07 September 2005 (online)

 
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Mit Zonisamid (Zonegran®) steht seit Mitte Juni ein neues Antikonvulsivum für die Kombinationstherapie erwachsener Patienten mit fokalen epileptischen Anfällen mit und ohne sekundäre Generalisierung zur Verfügung. Neu ist die Substanz allerdings nur in Europa - in Japan und den USA ist das Antiepileptikum seit vielen Jahren auf dem Markt und wurde bisher bei über einer Million Patienten eingesetzt. Es zeichnet sich durch hohe Responseraten bei bisher therapie-refraktären Patienten aus und ist ein gut verträglicher Kombinationspartner. Beim 16th International Bethel-Cleveland Clinic Epilepsy Symposium in Bielefeld wurde Zonisamid jetzt einem kritischen Auditorium von 200 Epilepsie-Spezialisten vorgestellt.

Zonisamid wird vom Pharmaunternehmen Eisai als Hartkapseln in den Wirkstärken 25 mg, 50 mg und 100 mg vertrieben. Das Benzisoxazol-Derivat ist chemisch nicht mit anderen Antiepileptika verwandt. Es zeichnet sich - abgesehen von seiner in Studien und in der Langzeitbeobachtung bestätigten Wirksamkeit - durch ein besonders geringes Interaktionspotential aus. Das macht die neue Substanz zu einem interessanten Partner in der Kombinationstherapie therapierefraktärer Patienten, wie Dr. Christian Brandt vom Epilepsie-Zentrum Bethel erläuterte. Bekanntlich sprechen bis zu 35% der Epilepsie-Patienten auf eine Pharmakotherapie mit den verfügbaren Antiepileptika nicht an, sodass weiterhin Bedarf an neuen Medikamenten besteht. Novitäten werden üblicherweise zunächst für die Zusatztherapie fokaler epileptischer Anfälle zugelassen, so auch Zonisamid, wobei mit dieser Substanz schon umfangreiche Erfahrungen gesammelt wurden. "Das gewährleistet eine gewisse Sicherheit", so Brandt. Für Zonisamid gibt es gut belegte Therapieerfolge aus mehreren kontrollierten und offenen Studien, aber auch das Zentrum in Bethel habe mit der Substanz bereits gearbeitet. Die Studienlage im Einzelnen:

Grundlage für die europäische Zulassung von Zonisamid, das in Japan seit 1989 und in den USA seit 2000 auf dem Markt ist, waren vier plazebokontrollierte doppelblinde Studien mit insgesamt 845 Patienten. Die erste dieser Studien [2] fokussierte auf die Zusatztherapie mit Zonisamid bei Epilepsie-Patienten mit fokalen Anfällen. Einige der insgesamt 139 Studienteilnehmer kamen aus dem Epilepsie-Zentrum Bethel, "wir haben schon früh und mit Interesse die Entwicklung dieser Substanz verfolgt", so Brandt. Im Rahmen der europäischen Parallelgruppenstudie wurde Zonisamid langsam über vier Wochen von initial 1,5 mg/kg/d auf einen Plasmaspiegel von 20-30 ?g/ml individuell aufdosiert und dann für zwölf Wochen der laufenden Antiepileptika-Medikation zugegeben. Während dieser Zeit nahmen bei den mit Zonisamid behandelten Patienten die Krampfanfälle um 23% ab und unter Plazebo um 3% zu. Die durchschnittliche Anfallshäufigkeit sank in der Verumgruppe von zwölf auf sieben pro Monat. Auch die Responserate, definiert als Reduktion der Anfallshäufigkeit um mehr als 50%, war mit Zonisamid signifikant höher (30% vs. 9% unter Plazebo). In 6,2% der Fälle kam es unter Zonisamid zu einer Komplettremission der fokalen Anfälle. Die Plasmakonzentrationen der gleichzeitig verabreichten Antiepileptika änderten sich nicht markant nach zusätzlicher Gabe von Zonisamid. Häufigste Nebenwirkungen der Therapie waren Müdigkeit und Schwindel, die bei 60% im Vergleich zu 28% unter Plazebo auftraten. "In dieser wie auch in den anderen kontrollierten Studien kam es mit Zonisamid zu einer signifikanten Reduktion der Anfallshäufigkeit", resümierte Brandt.

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Gut verträgliche Option

In den kontrollierten Studien mit einer Laufzeit von bis zu 56 Wochen wurden für Zonisamid Responseraten von bis zu 52% ermittelt ([1]). In der zitierten Studie konnte unter der höchsten Dosierung von 500 mg Zonisamid die Frequenz fokaler Anfälle mehr als halbiert werden (Abb. [1]). Damit verbunden waren hohe Responseraten unter Zonisamid-Therapie (Abb. [2]), und zwar in den Behandlungsarmen mit 300 und 500 mg täglich. Die Autoren schlussfolgern aus den Ergebnissen, dass die Add-on-Therapie mit Zonisamid dosisabhängig eine wirksame und allgemein gut verträgliche Option für Patienten mit fokalen Anfällen ist. Der Bielefelder Epilepsie-Spezialist Brandt hat sich eingehend mit dem Nebenwirkungsprofil der Substanz beschäftigt und ist dabei auch Einzelmeldungen nachgegangen. So wurde von Nierensteinen unter hochdosierter Zonisamid-Therapie berichtet sowie von Sprachstörungen bei Zonisamid-Monotherapie in subtherapeutischer Dosis. In den kontrollierten Studien sind diese Raritäten aber nicht in signifikanter Häufigkeit aufgetreten. Das gleiche gilt für Oligohydrosis und Hyperthermie, die bei antiepileptisch behandelten Kindern bei warmem Wetter gelegentlich beobachtet wurden. Patienten und ihre Angehörigen sollten davon wissen und durch ausreichende Flüssigkeitsaufnahme und dem Verzicht auf körperliche Anstrengung an heißen Tagen gegensteuern.

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Zonisamid wirkt in der empfohlenen Dosierung von 300-500 mg gegen ein breites Spektrum von Anfällen (nach 1)

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Zonisamid zeigt hohe Responseraten in der Add-on-Therapie fokaler epileptischer Anfälle (nach 1)

Der besondere Fall

Beim Epilepsie-Symposium in Bethel wurde der Fall einer 33jährigen Frau mit rechtsseitiger Frontallappenepilepsie vorgestellt, die mehrmals pro Woche hypermotorische Anfälle hatte. Sie war bereits epilepsiechirugisch vorbehandelt und pharmakoresistent auf zehn antiepileptisch wirkende Substanzen. Sie erhielt dann eine Add-on-Therapie mit Zonisamid. Unter der aktuellen Medikation mit 350 mg Lamotrigin, 450 mg Valproat und 300 mg Zonisamid konnte die Anfallsfrequenz auf ein bis zwei Anfälle pro Monat gesenkt werden, der Therapieerfolg hält seit neun Monaten an.

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Offene Studien mit hohen Remissionsraten

Der positive Gesamteindruck von Zonisamid habe sich in offenen Studien bestätigt, so Brandt. In einer retrospektiven Analyse von 1600 Patienten wurde dabei eine hohe Responserate und auch ein erheblicher Anteil von anfallsfreien Patienten unter der innovativen antiepileptischen Therapie ermittelt. 80% der Patienten kamen im klinischen Setting mit Zonisamid-Dosen von 200 bis 400 mg täglich aus. Die Responseraten mit 50%iger Anfallsreduktion kletterten auf bis zu 60%. Besondere Aufmerksamkeit verdient die hohe Zahl an Komplettremissionen unter Therapie: Bis zu 43% der Patienten hatten keine fokalen Anfälle mehr, "das ist ein Befund, der jetzt in Langzeitstudien überprüft werden sollte", so Brandt.

Zonisamid ist in Japan auch zur Therapie von Kindern mit generalisierten und fokalen Anfällen zugelassen; Basis dafür war ein umfangreiches Studienprogramm mit jungen Patienten. Brandt stellte dazu eine Studie mit 131 Kindern im Durchschnittsalter von neun Jahren vor, die an verschiedenen epileptischen Anfallsformen litten. Bei 77% von ihnen wurde mit Zonisamid eine Anfallsreduktion von mindestens 50% erreicht, 30% wurden anfallsfrei. Das Indikationsspektrum könne sich laut Brandt auch in Europa noch diesbezüglich erweitern. Die Substanz scheint auch bei selteneren Anfallsformen wie dem West-Syndrom, dem Infantilen Spasmus und der progressiven Myoclonus-Epilepsie wirksam zu sein, wie Kasuistiken vermuten lassen.

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Tägliche Einmalgabe ist möglich

Die Bioverfügbarkeit von Zonisamid beträgt nahezu 100%, dazu kommt eine lange Halbwertszeit von etwa 60 Stunden. Dadurch ist nach stabiler Einstellung eine einmal tägliche Einnahme bei konstanter Dosierung möglich. Die maximale Plasmakonzentration wird im Allgemeinen nach zwei bis fünf Stunden erreicht. Im Übrigen sind die erreichten Serumspiegel streng dosisabhängig, wodurch der Therapieeffekt vorhersehbar und gut steuerbar sei, so Brandt. Die Serumalbuminbindung beträgt 40 bis 50%. Zonisamid wird über die Leber verstoffwechselt und hauptsächlich über die Nieren ausgeschieden. Das Cytochrom P450-System wird kaum beeinflusst; es gibt keine Interaktionen mit häufig verordneten Antiepileptika wie Valproat oder Lamotrigin. Zwar können CYP3A4-Induktoren wie Phenytoin, Carbamazepin und Phenobarbital die Plasma-Clearance von Zonisamid etwas beschleunigen, allerdings ist das bei Zugabe von Zonisamid zu einer vorbestehenden Therapie klinisch kaum relevant. Wichtig scheint auch der Hinweis, dass Zonisamid die Serumkonzentrationen von Ethinylestradiol und Norethisteron nicht verändert und deshalb auch von Patientinnen eingenommen werden kann, die mit oralen Kontrazeptiva verhüten.

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Multipler Wirkmechanismus

Die antikonvulsive Wirkung von Zonisamid wurde in verschiedenen Epilepsie-Modellen untersucht. Demnach wirkt die Substanz im Wesentlichen über eine Blockade spannungsabhängiger Natriumund Kalziumkanäle. Dadurch wird die Aktivität eines epileptischen Herdes gehemmt und dessen Ausbreitung vom Kortex auf subkortikale Strukturen verhindert. Zusätzlich moduliert Zonisamid die GABA-vermittelte neuronale Inhibition. Daraus ergibt sich das Bild eines Breitspektrum-Antiepileptikums, das in Dosierungen von 300 bis 500 mg/Tag eine anhaltende Wirksamkeit zeigt, so erläuterte Brandt.

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Literatur

  • 1 Brodie MJ . et al . Dose-dependent safety and efficacy of zonisamide: a randomized, double-blind, placebo-controlled study in patients with refractory partial seizures.  Epilepsia. 2005;  46 (1) 31-41
  • 2 Schmidt D . et al . Zonisamide for add-on treatment of refractory partial epilepsy: a European double-blind trial.  Epilepsy Research. 1993;  15 73-76
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Literatur

  • 1 Brodie MJ . et al . Dose-dependent safety and efficacy of zonisamide: a randomized, double-blind, placebo-controlled study in patients with refractory partial seizures.  Epilepsia. 2005;  46 (1) 31-41
  • 2 Schmidt D . et al . Zonisamide for add-on treatment of refractory partial epilepsy: a European double-blind trial.  Epilepsy Research. 1993;  15 73-76
 
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Zonisamid wirkt in der empfohlenen Dosierung von 300-500 mg gegen ein breites Spektrum von Anfällen (nach 1)

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Zonisamid zeigt hohe Responseraten in der Add-on-Therapie fokaler epileptischer Anfälle (nach 1)