psychoneuro 2005; 31(7/08): 357
DOI: 10.1055/s-2005-915957
Im Gespräch

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

16th International Bethel-Cleveland Clinic Epilepsy Symposium - Professor Bernd Pohlmann-Eden, Bethel, im Gespräch

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Publication Date:
07 September 2005 (online)

 
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    Im Juni 2005 fand das 16. Internationale Bethel-Cleveland Clinic Epilepsy Symposium statt, bei dem aus aktuellem Anlass auch das neu zugelassene Antiepileptikum Zonisamid vorgestellt wurde. Am Rande des Symposiums stand Prof. Pohlmann-Eden, Leiter des Epilepsie-Zentrums Bethel, gemeinsam mit Dr. Christian Brandt, dem Leiter der Abteilung für Allgemeine Epileptologie in Bethel, für ein Interview zur Verfügung.

    20 bis 40% der Epilepsie-Patienten haben trotz antiepileptischer Kombinationstherapien weiterhin Anfälle, wie ist das zu erklären?

    Pohlmann-Eden: Mit dieser Frage beschäftigte sich ein wichtiger Teil unseres "Bethel-Cleveland-Symposiums". Für den Menschen bleibt die Antwort auf diese Frage noch "mysteriös", wie Peter Carlen aus Toronto sagte. Aus Tiermodellen können wir jedoch ableiten, dass es u.a. eine genetisch bedingte Therapieresistenz gibt, Beeinträchtigung von Ionenkanälen und Ionenpumpen sowie Rezeptoren und Gewebeveränderungen. Wir vermuten, dass es weitere, bislang nicht identifizierte Mechanismen gibt.

    Lässt sich der Erfolg einer medikamentösen Therapie anhand von genetischen oder laborchemischen Markern vorhersagen?

    Pohlmann-Eden: Wir wissen, dass die Erfolgsaussichten einer medikamentösen Therapie sinken, wenn bereits mehrere Versuche zuvor ohne Erfolg geblieben sind. Wir haben leider noch keine Labormarker zur Verfügung, die uns zu Beginn einer Epilepsie die Vorhersage ermöglichen würden, ob eine medikamentöse Therapie - und wenn ja, welche - zum Erfolg führen wird. Dies bleibt bislang eine Hoffnung für die Zukunft.

    Durch spezifisch wirkende Medikamente können epileptische Anfälle zwar symptomatisch behandelt werden, der langfristige Krankheitsverlauf lässt sich damit aber nicht beeinflussen. Wird es in Zukunft auch antiepileptogen wirkende Medikamente geben?

    Pohlmann-Eden: Dies ist eine weitere Zukunftshoffnung. Medikamente, die nicht nur Anfälle unterdrücken, sondern auch das Voranschreiten einer Epilepsie verhindern, wären ein großer Durchbruch. Bislang konnte dies jedoch noch für kein Medikament überzeugend nachgewiesen werden.

    Die Epilepsie-Chirurgie hat in Bethel einen hohen Stellenwert und wird heute in Verbindung mit modernen bildgebenden Verfahren eingesetzt. Haben sich dadurch die OP-Techniken geändert bzw. wurden die OP-Indikationen erweitert?

    Pohlmann-Eden: Als eines der ganz großen epilepsiechirurgischen Zentren haben wir unsere diagnostischen Möglichkeiten verfeinern und in Zusammenhang mit modernen OP-Techniken die Erfolgsaussichten erhöhen können. Mittlerweile können auch Personengruppen von der Epilepsiechirurgie profitieren, bei denen man dies vor einigen Jahren noch nicht für möglich gehalten hätte, z.B. ältere Patienten, minderbegabte Patienten oder Patienten mit einer psychiatrischen Begleiterkrankung. Auch ist mittlerweile eine bessere Prognose des postoperativen Ergebnisses möglich.

    Wie beurteilen Sie unter diesen Gesichtspunkten den Stellenwert von Antiepileptika und gibt es Bedarf an neuen Substanzen?

    Pohlmann-Eden: Wir sind ja bereits auf die Grenzen der medikamentösen Therapie eingegangen, ohne aber deren Vorzüge zu benennen. 60 bis 80% der Betroffenen können ja mit den bisher verfügbaren Medikamenten anfallsfrei werden oder eine gute Besserung ihrer Epilepsie erfahren. Dies ist jedoch teilweise mit Nebenwirkungen verbunden. Diese Nebenwirkungen können offensichtlich sein oder auch subtile Langzeit-Nebenwirkungen, z.B. kognitiv oder mit Einfluss auf Hormone oder den Stoffwechsel. Neue Medikamente brauchen wir also nicht nur für die Menschen, die mit den bisher verfügbaren Medikamenten nicht anfallsfrei werden, sondern auch für die, die an Nebenwirkungen der Medikamente leiden.

    Kürzlich ist mit Zonisamid (Zonegran®) ein neues Antiepileptikum auf den Markt gekommen, das bereits in Japan und den USA erfolgreich angewendet wird. Wo ordnen Sie die Substanz ein und welche Erfahrungen haben Sie damit bisher gesammelt?

    Pohlmann-Eden: Wir haben bereits seit einigen Jahren Patienten auf individueller Basis mit Zonisamid behandelt. Von 15 Patienten, die wir in den Jahren 2003 bis 2005 mit diesem Medikament behandelt haben, nehmen fünf dieses Medikament nun mit einer mittleren Behandlungsdauer von fast zwei Jahren ein. Dies ist Erfolg versprechend, da wir einen zurückhaltenden Ansatz verfolgen und die Behandlung mit einem neuen Medikament Patienten mit wirklich schweren und schwer behandelbaren Epilepsien vorbehalten, bei denen zuvor bereits zahlreiche andere Therapiestrategien gescheitert sind.

    Zonisamid ist ein Benzisoxazol-Derivat und chemisch nicht mit anderen Antiepileptika verwandt. Sehen Sie darin Vorteile für die Kombinationstherapie?

    Pohlmann-Eden: Natürlich beinhaltet eine strukturelle Besonderheit eines Medikaments Hoffnungen für die Therapie. Wir haben jedoch in der Vergangenheit auch schon erleben müssen, dass Medikamente die in sie aus theoretischen Erwägungen gesetzten Hoffnungen nicht erfüllen konnten. Unsere ersten Erfahrungen mit Zonisamid sind ermutigend, wir brauchen jedoch Langzeiterfahrungen im Routine-Einsatz.