psychoneuro 2005; 31(9): 412-413
DOI: 10.1055/s-2005-917974
Im Gespräch

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Interview mit Dr. Werner Kissling, Psychiatrische Klinik der Technischen Universität München - Informationspaket zur Rezidivprophylaxe in der Schizophrenietherapie (IRIS)

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Publication Date:
06 October 2005 (online)

 
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    Der Schock nach der ersten Episode einer schizophrenen Psychose sitzt bei den meisten Patienten tief. Dennoch ist die Compliance bei der dringend notwendigen Rezidivprophylaxe äußerst unzureichend. Information und Motivation von Patient und Angehörigen sind notwendig, um die Therapietreue der Betroffenen langfristig zu erhalten. IRiS, das Informationspaket zur Rezidivprophylaxe in der Schizophrenie, erleichtert niedergelassenen Psychiatern und Klinikern diese wichtige Aufgabe. Dr. Werner Kissling von der Psychiatrischen Klinik der Technischen Universität München hat bei der Entwicklung von IRiS federführend mitgearbeitet.

    Herr Dr. Kissling, welchen Stellenwert besitzt die Rezidivprophylaxe in der Therapie der Schizophrenie?

    Kissling: Schizophrene Patienten haben ein hohes Rezidivrisiko. Ohne medikamentöse Prävention liegt die Ein-Jahres-Rezidivrate nach einer schizophrenen Episode zwischen 60 und 80 Prozent. Mit einer effektiven Rezidivprophylaxe lässt sich diese Rate auf 10 bis 20% reduzieren. Ein Rezidiv beeinträchtigt jedoch nicht nur in der Akutsituation die Lebensqualität der Patienten. Vielmehr ist die Zahl der Rezidive ein direkter Prädiktor für die Prognose. Die Zeit, bis der Patient sich wieder erholt, wird nach jedem weiteren Rezidiv länger. Aber auch die Gesamtprognose verschlechtert sich mit jedem Rezidiv. Nach drei oder fünf Rezidiven ist die Chance, dass der Patient wieder voll arbeitsfähig wird oder voll remittiert, viel geringer, als wenn schon nach dem ersten Schub eine vernünftige Prophylaxe durchgeführt wird, die ein Rezidiv über längere Zeit verhütet. Alles spricht deshalb dafür, möglichst frühzeitig eine effiziente Prävention durchzuführen.

    Wo liegen aus Ihrer Sicht die größten Defizite in der Durchführung?

    Kissling: Die Notwendigkeit und die hohe Wirksamkeit der Rezidivprophylaxe sind unumstritten. Die Realität der Regelversorgung aber steht diesem Wissen diametral entgegen. Nur knapp 50% der Patienten sind compliant und führen eine Rezidivprophylaxe durch. Die Mehrzahl aber ist vom Sinn einer Rezidivprophylaxe à priori nicht überzeugt. Information und Motivation des Patienten und dessen Angehörigen sind deshalb zwingend notwendig. In unserem Gesundheitssystem, das Prävention nur unzureichend honoriert, ist es niedergelassenen Psychiatern aus zeitlichen und wirtschaftlichen Gründen aber kaum möglich, die notwendige Informations- und Motivationsarbeit zu leisten, um den Patienten vom Nutzen einer konsequenten Rezidivprophylaxe zu überzeugen. Selbst in psychiatrischen Kliniken wird Psychoedukation nur 20% der Patienten und gerade einmal 2% der Angehörigen angeboten. Da gibt es eine riesige Unterversorgung.

    Welchen Beitrag kann das Informationspaket zur Rezidivprophylaxe in der Schizophrenietherapie (IRiS) hier leisten?

    Kissling: IRiS macht es Psychiatern in Klinik und Praxis leichter, trotz Zeitdruck Patienten und deren Angehörige für eine konsequente Rezidivprophylaxe zu motivieren. Je nach dem, wie viel Zeit sie haben, finden sie in diesem Informationspaket unterschiedlich aufwändige Aufklärungsmaterialien:

    Praktisch ohne extra Zeitaufwand kann z.B. das nur zwei Seiten umfassende Informationsblatt den Patienten ausgehändigt werden. Auf der ersten Seite finden sich alle wichtigen Informationen, die zur Verhinderung von Rückfällen wichtig sind. Auf der Rückseite werden dem Patienten einfache Fragen gestellt, die dem Arzt Auskunft über die Verträglichkeit der derzeitigen Medikation, über die Compliance und die vom Patienten bevorzugte Art der Applikation geben.

    Diese Informationen sind ein wichtiger Startpunkt für die Rezidivprophylaxe und geben beispielsweise Aufschluss darüber, ob die aktuelle Medikation noch einmal geändert werden sollte. Ebenfalls ohne zusätzlichen Zeitaufwand kann man den ca. 30-seitigen IRiS-Ratgeber an Patienten und deren Angehörige verteilen. Er informiert den Leser mit laiengerechten Darstellungen und zahlreichen Bildern über alle Aspekte der Rezidivprophylaxe.

    Für die "Profis" enthält das IRiS-Paket ein Manual zur Durchführung einer psychoedukativen Sitzung zum Thema "Rezidivprophylaxe". Dieses kann entweder allein oder als Teil eines bestehenden psychoedukativen Programms durchgeführt werden. Ergänzt wird es durch Flipcharts, auf denen die wesentlichen Punkte veranschaulicht werden. Manual und Flipcharts erleichtern es dem Psychiater im Rahmen einer Psychoedukation über die Rezidivprophylaxe zu informieren.

    Besonders berücksichtigt wird in diesen Materialien die Depotbehandlung, weil sie als Alternative zur täglichen Medikamenteneinnahme in der Aufklärung häufig zu kurz kommt. Aus meiner Sicht sollte aber jeder Patient ausführlich über diese Applikationsform informiert werden, da sie für ihn einige Vorteile haben kann. Denn bei einer Depotbehandlung wird eine beginnende Noncompliance sofort erkannt, da der Patient entweder nicht zum vereinbarten Applikationstermin erscheint oder die Injektion direkt ablehnt. Der Arzt hat dann die Möglichkeit, auf ihn zuzugehen und ihn nochmals ausführlich zu informieren und zu motivieren.

    Bei der oralen Rezidivprophylaxe lässt sich dagegen selbst bei regelmäßigen Arzt-Patienten-Kontakten nicht sicher sagen, ob das Medikament tatsächlich kontinuierlich eingenommen wird und die beginnende Noncompliance bleibt oft lange unerkannt.

    Wie aufwändig ist es, IRiS in der täglichen Praxis einzusetzen?

    Kissling: Das kurze Informationsblatt, das wir auch in unserer Ambulanz benutzen, kann der Patient innerhalb weniger Minuten im Wartezimmer durchlesen und die Fragen beantworten. Anhand der Patientenbroschüre können sich Patienten und Angehörige in aller Ruhe zu Hause informieren.

    Wir haben sie im Vorfeld mit Patienten getestet und alle Sachverhalte so einfach dargestellt, dass sie für die Zielgruppe gut verständlich sind. Beim nächsten Arztbesuch kann der Arzt auf diese Informationen aufbauen oder aufgetretene Fragen gezielt beantworten. Psychoedukation ist zeitlich natürlich aufwändiger und wird deshalb derzeit hauptsächlich im stationären oder teilstationären Bereich praktiziert. Aber im Rahmen der integrierten Versorgung kann sie zunehmend auch von niedergelassenen Kollegen/-innen angeboten werden.

    IRiS ist meines Erachtens ein ideales Werkzeug, um zu dem so wichtigen Thema "Rezidivprophylaxe" auch im ambulanten Bereich Psychoedukation durchführen zu können.

    Wie können interessierte Kollegen und Kolleginnen mehr über IRiS erfahren?

    Kissling: IRiS wurde in Zusammenarbeit mit der Firma Janssen-Cilag entwickelt.

    Am besten wenden sie sich deshalb an den entsprechenden Außendienstmitarbeiter, der sicher gerne als Ansprechpartner zur Verfügung steht.