Psychosen treten bei 10-40 % der Patienten mit Morbus Parkinson auf. Bei medikamentös unbehandelten Patienten sind sie seltener und manifestieren sich meist im Zusammenhang mit der dopaminerg wirksamen Antiparkinsonmedikation [14]. Die Entwicklung einer Psychose bei Patienten mit Morbus Parkinson verstärkt die Behinderung durch die Erkrankung und ist nicht selten der Grund für eine stationäre Krankenhausbehandlung oder Heimunterbringung der Patienten [9].
Die zu verzeichnende steigende Prävalenz von Psychosen bei Morbus Parkinson ist zum Teil auf die erhöhte Lebenserwartung der Patienten, zum Teil auch als Folge der immer erfolgreicheren Therapie der motorischen Symptome des Morbus Parkinson zurückzuführen. Die Symptome der Psychose bei Morbus Parkinson zeigen ein ebenso vielgestaltiges Spektrum wie die anderen nicht-motorischen und motorischen Symptome der Erkrankung. Psychosen manifestieren sich bei den Patienten als Störungen der Wahrnehmung, vor allem als optische Halluzinationen, des inhaltlichen Denkens als Wahnerleben, als dysphorische Stimmung, Antriebssteigerung und gesteigertes, enthemmtes Sexualverhalten.
Pathophysiologie
Die motorischen Symptome des Morbus Parkinson sind auf ein Dopamindefizit als Folge degenerativer Veränderung dopaminerger Neurone vor allem im Mittelhirn und Striatum zurückzuführen [7]. Mit fortschreitender Erkrankung kommt es zu einer postsynaptischen Hypersensitivität der Dopaminrezeptoren, die auch für die Levodopa induzierten Dyskinesien und Fluktuationen verantwortlich gemacht werden [11].
Frontaler Kortex, limbisches System und Projektionen zu den Basalganglien sind beteiligt an der Regulation von Emotionen und Entstehung von Psychosen. Neuere Untersuchungen zeigen, dass die degenerativen Veränderungen beim Morbus Parkinson nicht auf die Basalganglien beschränkt sind, sondern auch andere Strukturen, wie z.B. die limbische Schleife, betreffen [1]. Postsynaptische Hypersensitivität monoaminerger Rezeptoren in genau diesen Strukturen des zentralen Nervensystems könnte daher analog zu der bekannten Hypersensitivität dopaminerger Rezeptoren in den motorischen Schleifen das Entstehen psychotischer Symptome bedingen [11]. Eine Hypersensitivität serotonerger Rezeptoren als Folge der Degeneration serotonerger Projektionen vom Nucleus raphe des Hirnstammes zu kortikalen Arealen könnte ebenfalls ein Grund für die Manifestation psychotischer Störungen bei Patienten mit Morbus Parkinson sein. Dies könnte auch die besondere antipsychotische Wirksamkeit neuerer Neuroleptika erklären, die eine Affinität für dopaminerge und serotonerge Rezeptoren aufweisen.
Untersuchungen zum Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und Psychose deuten darauf hin, dass es speziell einen Zusammenhang zwischen bestimmten Störungen des REM-Schlafes und dem Auftreten von Halluzinationen geben könnte. Der Zusammenhang zwischen kognitiven Einschränkungen und Psychose bei Patienten mit Morbus Parkinson gab Anlass zu der Hypothese, dass auch andere als die monoaminergen Neurotransmitter an der Entstehung der Psychose beteiligt sein könnten, was entsprechende therapeutische Konsequenzen hätte (s.u.) [11].
Risikofaktoren und klinisches Bild
Es sind eine Reihe von Risikofaktoren bekannt, die die Wahrscheinlichkeit für die Manifestation psychotischer Symptome bei Patienten mit Morbus Parkinson erhöhen [Tab. 1]. In der Regel treten die Symptome der Psychose nicht abrupt in voller Ausprägung auf, sondern entwickeln sich langsam. Dieser Prozess ist progredient und durch bestimmte Vorboten und Frühsymptome charakterisiert [Tab. 2].
Bei nicht dementen Patienten mit Morbus Parkinson entwickeln sich die Symptome der Psychose in der Regel schrittweise über eine leichte Beeinträchtigung kognitiver Defizite, Schlafstörungen, Persönlichkeits- und Verhaltensänderungen, Störungen der Wahrnehmung und des inhaltlichen Denkens (Wahn). Schlafstörungen manifestieren sich als lebhafte Träume oder Alpträume, Reduktion der Schlafqualität, Ein- und Durchschlafstörungen, Reduktion der Gesamtschlafzeit, Tagesmüdigkeit, motorische Aktivität in REM-Phasen (REM-sleep behavior disorder) und nächtliche Myokloni. Eine prospektive Untersuchung über sechs Jahre konnte den Zusammenhang zwischen Schlafstörungen und Halluzinationen nicht bestätigen, wobei die Untersuchungsintervalle relativ lang waren [4]. Diese Studie belegt allerdings auch die hohe Inzidenz (62 %) von Halluzinationen bei Patienten mit Morbus Parkinson.
Hinsichtlich der Persönlichkeit stellen sich oft subtile Veränderungen ein. Die betroffenen Patienten werden fordernder gegenüber ihren Angehörigen, werden gereizter, zeigen eine geringere Toleranz gegenüber Frustrationen, werden egozentrischer und verkennen ihre eigenen Einschränkungen und die Belastung für die sie versorgenden Menschen. Dieses Verhalten stellt einen deutlichen Gegensatz zu Ausprägungen prämorbider Persönlichkeitsstrukturen wie Ordentlichkeit, Pünktlichkeit, Reserviertheit und Kontrolliertheit dar. Bei weiter erhaltener Einsichtsfähigkeit entwickeln sich dann optische Halluzinationen, die aus illusionären Verkennungen z.B. von Lichtschatten entstehen. Akustische oder taktile Halluzinationen sind extrem selten. Anfangs mögen diese Halluzinationen hauptsächlich in der Dämmerung, später dann auch tagsüber auftreten. Bei den Wahninhalten dominieren Verfolgungs- und Beeinträchtigungswahn, Misstrauen und häufig Eifersuchtswahn. Bei weiterer Progredienz der Psychose treten Agitation und aggressives Verhalten hinzu, was die Möglichkeit der Versorgung durch Angehörige im häuslichen Setting limitiert und zur Hospitalisierung der Betroffenen führt.
Behandlung der Psychose bei Morbus Parkinson
Als erster Schritt sollten mögliche komorbide metabolische, toxische oder infektiöse Ursachen abgeklärt und korrigiert werden, die nicht selten eine nicht beachtete Ursache der psychotischen Symptome darstellen. Insbesondere sollte eine Überprüfung des Wasser- und Elektrolythaushaltes vorgenommen werden, der häufig bei Patienten im höheren Lebensalter gestört ist.
In einem weiteren Schritt sollte eine Anpassung der Antiparkinsonmedikation vorgenommen werden. Hierzu sollten der Reihe nach vorsichtig folgende Substanzklassen abgesetzt werden: Anticholinergika, Amantadine, Selegelin. Ein Erfolg ist nach einigen Tagen zu erwarten, wobei sich meistens zuerst der Schlaf verbessert. Als nächstes sollten Dopaminagonisten und langwirksame Dopaminomimetika abgesetzt werden. Ein völliges Absetzen der gesamten dopaminergen Medikation, sog. „drug holidays”, ist kontraindiziert und kann zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen. Beschrieben wurden Zustände, ähnlich dem malignen neuroleptischen Syndrom, mit Rhabdomyolyse, Fieber, Stupor, Koma und Tod [12]
[14]. Falls der Patient Antidepressiva erhält, sollte die Notwendigkeit dieser Therapie kritisch überprüft werden, da die Therapie mit Antidepressiva bei Patienten mit Morbus Parkinson mit dem Auftreten einer Psychose assoziiert sein kann [8].
Bei diesem Vorgehen respondieren hinsichtlich der Symptome der Psychose initial ca. 50 % der Patienten mit Morbus Parkinson bezüglich der psychotischen Symptome. Bei vielen kommt es jedoch zu einer Verschlechterung der motorischen Symptome, so dass die Einleitung einer neuroleptischen Therapie unumgänglich ist. Falls die Patienten wegen krisenhafter Zuspitzung von Halluzinationen oder wahnhaften Denkstörungen stationär behandelt werden müssen, ist eine schrittweise Reduktion der Antiparkinsonmedikation nicht möglich und eine sofortige Gabe und schnelle Aufdosierung von Neuroleptika notwendig, die auf die Symptome der Psychose in der Regel besser wirken als Benzodiazepine.
Spezifische antipsychotische Therapie
Da die Dosis-Wirkungskurven antipsychotischer und extrapyramidaler Effekte bei traditionellen Neuroleptika eng beieinander liegen, sind diese wegen verstärkender Wirkung auf die motorischen Defizite bei Patienten mit Morbus Parkinson kontraindiziert [9]. Patienten mit Morbus Parkinson sind aufgrund der degenerativen Vorschäden in den Basalganglien und nigrostriatalen Projektionsbahnen [1] besonders empfindlich für extrapyramidal-motorische Effekte der Neuroleptika. Es sollten daher nur Substanzen verwendet werden, bei denen extrapyramidal-motorische und antipsychotische Dosis-Wirkungskurven möglichst weit voneinander entfernt liegen. Derzeit stehen als neuere Neuroleptika Clozapin, Amisulprid, Risperidon, Olanzapin, Quetiapin, Ziprasidon und Aripiprazol für die Behandlung der Psychose zur Verfügung. Für Amisulprid und Aripiprazol liegen keine Daten vor. Die Gabe von Risperidon und Olanzapin wird wegen deutlicher negativer Effekte auf die motorischen Symptome bei Patienten mit Morbus Parkinson nicht empfohlen [3]. Allerdings muss darauf hingewiesen werden, dass unter neueren Neuroleptika bei Patienten im fortgeschrittenen Alter die Motalität erhöht ist, weshalb die FDA eine „boxed warning” verfügt hat. Dies könnte auch für ältere Neuroleptika zutreffen, wurde aber nicht untersucht.
Clozapin
Die meisten, auch kontrollierten Daten, existieren zu Clozapin, das wirksam und nur mit sehr geringen und vorübergehenden Effekten auf die Motorik eingesetzt werden kann. Die Anfangsdosis sollte zwischen 6,25 und 12,5 mg/Tag liegen, die mittlere therapeutische Dosis liegt bei 25 bis 37,5 mg/Tag, und eine maximale Dosis von 100 mg/Tag sollte nicht überschritten werden [14]. Günstig ist die Antitremorwirkung der Substanz. Die sedierende Komponente kann bei Gabe am Abend genutzt werden. Wichtig ist eine langsame Aufdosierung, da sonst Unverträglichkeiten zum Absetzen führen und das Risiko eines deliranten Zustandes stark erhöht wird. Unter der Behandlung mit Clozapin besteht dosisunabhängig das Risiko der Agranulozytose, was mit häufigen Kontrollen des Blutbildes verbunden ist. Clozapin ist nur als Medikament dritter Wahl bei Patienten mit schizophrenen Psychosen zugelassen und unterliegt einer kontrollierten Verschreibung [6]. Störungen der Orthostase, Hypotension und Sialorrhoe sind häufige, dosisabhängige Komplikationen [14]
[15].
Quetiapin
Das am zweitbesten untersuchte Neuroleptikum bei Patienten mit Morbus Parkinson und Psychose ist Quetiapin. Es existieren offene Studien, in denen bei mehr als 200 Patienten eine gute Wirksamkeit auf die Symptome der Psychose gezeigt werden konnte. Nach einer vorsichtigen Eindosierung mit maximal 25 mg/Tag scheint eine therapeutische Dosis von 75 mg/Tag ausreichend wirksam zu sein [14]. Komplikationen sind Sedierung und orthostatische Hypotension sowie leichte Effekte auf die Motorik, die geringfügig stärker zu sein scheinen als bei Clozapin, obwohl hier keine vergleichenden, randomisierten Studien vorliegen.
Ziprasidon
Über Wirksamkeit und Verträglichkeit von Ziprasidon bei dieser Indikation liegen erste Daten vor. Ziprasidon zeigt in der Behandlung von Patienten mit schizophrenen Psychosen gute Wirksamkeit und ein geringes Risiko für extrapyramidal-motorische Effekte und tardive Dyskinesien auch bei höheren Dosierungen, geringe Sedierung und keine anticholinergen Wirkungen [13]. Es scheint, dass auch eine wirksame und sichere Therapie bei Patienten mit Psychose und Morbus Parkinson durchgeführt werden kann. Diese Indikation wurde bis jetzt an mehreren Fallserien untersucht, wobei in einer Arbeit fünf Patienten im Rahmen einer Akutbehandlung wegen Agitiertheit Ziprasidon parenteral erhielten (5, 10, unveröffentlichte Ergebnisse). Eingesetzt wurde Ziprasidon in einer Dosierung von 20 bis 40 mg/Tag. Diese Indikation sollte weiter überprüft werden.
Azetylcholinesteraseinhibitoren
Ob Azetylcholinesteraseinhibitoren neben therapeutischen Effekten bei Patienten mit Morbus Parkinson und Demenz auch Wirksamkeit hinsichtlich der Psychose zeigen, ist Gegenstand gegenwärtiger Untersuchungen, die auf der Hypothese einer gemeinsamen Ätiologie dieser Störungen beruhen. Offene Studien mit Rivastigmin und Donezepil geben Hinweise auf eine Reduktion der Psychose, ohne die motorischen Störungen zu verschlechtern [14].
Ausblick
Halluzinationen und wahnhaftes Denken als Symptome einer Psychose sind häufige Komplikationen bei Patienten mit Morbus Parkinson mit erheblichen Konsequenzen für die Versorgung der Patienten. Bei der Sichtung der Literatur zu dieser Thematik erscheint es jedoch, dass die Grundlagen der Terminologie nicht immer klar sind und die Begriffe Halluzination, Wahn, Psychose und Delir ungenau definiert und differenziert werden. Angaben zu anderen psychopathologischen Aspekten psychotischer Störungen wie z.B. Störungen des Ich-Erlebens oder Minus-Symptomatik liegen nicht vor. Ebenfalls existieren kaum Untersuchungen zum Langzeitverlauf von Symptomen und Therapieeffekten oder zu möglichen Residualsymptomen, wie sie bei schizophrenen Psychosen beschrieben werden, was bei einer postulierten gemeinsamen Ätiologie von Psychose und Demenz therapeutisch relevant wäre. Wegen der Eskalation der Symptomatik wäre es wünschenswert, ein praktikables Instrument für die frühe Diagnose einer Psychose bei Patienten mit Morbus Parkinson zur Hand zu haben, wie es kürzlich von Mitarbeitern der Klinik der Neurologie der Universität Marburg vorgestellt wurde [2].