psychoneuro 2005; 31(10): 498
DOI: 10.1055/s-2005-922506
Bücher

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Buchbesprechung - Die dunklen Schatten unserer Vergangenheit

Further Information

Publication History

Publication Date:
17 January 2006 (online)

 
Table of Contents
    Zoom Image

    Hartmut Radebold: Die dunklen Schatten unserer Vergangenheit. Klett-Cotta Stuttgart 2005, New York 2005. ISBN 3-608-94162-2, 19,50 €

    Der Autor, ein sehr erfahrener und bekannter Psychoanalytiker, schreibt in dem vorliegenden Buch, dass "als Folge des im Zweiten Weltkrieges und in der direkten Nachkriegszeit erlebten Leides in weit größerem Umfang als bisher angenommen bis heute anhaltende psychische und psychosoziale, individuelle wie auch familiäre Probleme ..." auftreten können.

    Das kann sein, vieles spricht allerdings dagegen. Der Autor selber ist der Meinung, dass die aktuellen aber insgesamt spärlichen Forschungsarbeiten noch keine repräsentative und statistisch relevanten Aussagen ... zulassen. Er bezieht das allerdings auf die einzelnen Jahrgänge, also geboren zwischen 1925 und 1935, die in dieser Zeit litten und Traumata verarbeiten mussten.

    Der Autor schreibt an anderer Stelle, dass nicht jede traumatische Situation auf alle Menschen gleich wirkt und es darf nicht vergessen werden, dass Stutte seinerzeit bei einer sehr umfangreichen und relativ gründlichen Untersuchung an Kindern und Jugendlichen das Ausbleiben abnormer Reaktionen in und nach dem Krieg weder den mütterlichen Schutz, noch das kindliche Privileg vergessen zu können, dafür in Anspruch nahm, sondern er verwies auf die Prägewirkung der NS-Ideologie auf die Kinder und Jugendlichen, die einen stabilisierenden Faktor darstellte.

    Ganz gleich, wie man zu dieser Frage steht, jedenfalls muss vorläufig offen bleiben, ob es sich bei der Wiedererinnerung und Wiederbelebung der Vergangenheit um eine notwendige psychohygienische Maßnahme handelt, oder ob unnötigerweise Erinnerungen hochgespielt und dann "behandelt" werden. Die Tatsache, dass sich die 68er, (Rudi Dutschke geboren 1940, Rainer Langhans, geboren 1940, beide am Kriegsende 5 Jahre alt) über ihre Kriegserfahrung austauschten (Seite 59), ohne Belastung an sich zu entdecken und wahrzunehmen, hilft generell nicht weiter.

    Diese Einschränkungen setzen das Buch keineswegs herab. Der Autor, mit einer sehr einprägsamen und flüssigen Sprache begabt, zeigt unabhängig von den Theorien und fraglichen Vergangenheitsbelastungen in seiner Arbeit mit Senioren, wie man auf die Probleme der Alten eingeht und therapeutische Maßnahmen ergreift. Diese sind allgemeingültig und in besonderem Maße lesenswert. Es ist richtig, wie es im Klappentext heißt, dass man mit Hilfe dieses Buches leichter Hilfe leisten, Entlastung geben und eine erneute Stabilität bewirken kann.

    Das Buch verdient es, in der Gerontopsychiatrie und Gerontologie einen wichtigen Platz einzunehmen.

    F. Reimer, Weinsberg

     
    Zoom Image