Ernährung & Medizin 2005; 20(4): 159
DOI: 10.1055/s-2005-925531
Editorial

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Malassimilation - ein Stiefkind der Ernährungstherapie?

Christine Metzner
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Prof. Dr. Dr. Christine Metzner

Arbeitsgruppe Ernährungsmedizin der Medizinischen Klinik III des Universitätsklinikums Aachen

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
04. Dezember 2006 (online)

Inhaltsübersicht

Die Ernährungsanamnese sollte zu jedem Check-up gehören

Die Kombination von Maldigestion (Verdauungsstörung) und Malabsorption (Störung der Nährstoffaufnahme) führt zur Malassimilation (Verwertungsstörung) von Makro- wie von Mikronährstoffen (Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente). Dabei wird leicht übersehen, dass eine Fettmalassimilation stets von einer Malassimilation der fettlöslichen Vitamine A, D, E und K sowie der Carotinoide begleitet wird. Deshalb sollte eine ernährungstherapeutische Intervention nicht nur mittelkettige Triglyceride (MCT) oder eine Mischung aus MCT und langkettigen ungesättigte Fettsäuren (z.B. Omega-3-Fettsäuren) berücksichtigen, sondern gleichzeitig auch die fettlöslichen Vitamine. Hinzu kommt noch Calcium, weil bei einer Fettmalabsorption gleichermaßen die intestinale Calciumverwertung gestört ist.

Das Spektrum der Erkrankungen, die mit einer Maldigestion und/oder einer Malabsorption einhergehen, erstreckt sich im weiten Bogen von Leber-/Gallenblasen-Erkrankungen über die chronische Pankreatitis/Pankreasinsuffizienz und Mukoviszidose bis hin zu chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, z.B die glutensensitive Enteropathie (Zöliakie, einheimische Sprue), die Enteritis regionalis Crohn, die Colitis ulcerosa und die Strahlenenteritis. Die Notwendigkeit einer Supplementation von Calcium und Vitamin D3 geht in aller Regel in eine ärztlich verordnete Ernährungstherapie ein, ebenso die Berücksichtigung einer bestehenden Laktoseintoleranz. Das Erfordernis eines ausreichenden antioxidativen Potenzials zur Abmilderung von erhöhtem oxidativem Stress der intestinalen Mukosa hingegen wird in der Ernährungsberatung meist nicht berücksichtigt. Ebenso oft wird der Umstand nicht bedacht, dass die Verdauung der Nahrung und die Absorption von Mikronährstoffen allein schon durch den Alternsgang und eine medikamentöse Therapie gestört sein kann, beispielsweise im Fall von Folsäure und Vitamin B12. Hier kann eine präventive oder frühe orale Supplementation die aus der Malassimilation resultierenden Folgen und Einschnitte in der Lebensqualität vielfach verhindern oder zumindest minimieren.

20-50 % der Senioren weisen eine atrophische Gastritis auf [2]. Die Einnahme von Protonenpumpen-Hemmern führt artifiziell dazu. Infolge des Hemmens der Magensäureproduktion kommt es außer zur Malabsorption der genannten B-Vitamine noch zu einer Alkalisierung im Dünndarmmilieu, was leicht zur bakteriellen Fehlbesiedelung und zur Bildung unwirksamer Cobalamine führt. Im Gegensatz zu Vitamin B12 aus proteinhaltigen Lebensmitteln benötigt Vitamin B12 aus Supplementen zur Absorption den Intrinsic-Factor nicht, so dass eine Nahrungsergänzung mit Cobalamin zur alltagstauglichen Variante werden kann. Die orale Verabreichung ist allerdings für die Auffüllung geleerter Speicher ungeeignet; hier hat nach wie vor die parenterale Applikation Vorrang.

Das Rationalisierungsschema 2004 berücksichtigt die Diätetik beim Malassimilationssyndrom nur im Rahmen von Sonderdiäten, zu denen u. a. die gastroenterologischen gerechnet werden. Leider wird in Tabelle 4 unter A.b) nicht auf die Mikronährstoffe eingegangen, wohingegen bei Lebererkrankungen mit Komplikationen (Mangelernährung, Aszites, Enzephalopathie) » ... eine Supplementierung von Vitaminen und Spurenelementen als praktisches Vorgehen« empfohlen wird [1].

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Fazit

Beim Erheben der Ernährungsanamnese und bei der klinischen Untersuchung muss zum einen verstärkt auf das Vorliegen einer Malassimilation von Nährstoffen und besonders auf die von Mikronährstoffen geachtet werden. Zum anderen ist dafür Sorge zu tragen, dass in die Ernährungstherapie / Ernährungsberatung alltagstaugliche Empfehlungen einbezogen werden.

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Literatur

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Prof. Dr. Dr. Christine Metzner

Arbeitsgruppe Ernährungsmedizin der Medizinischen Klinik III des Universitätsklinikums Aachen

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Literatur

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Prof. Dr. Dr. Christine Metzner

Arbeitsgruppe Ernährungsmedizin der Medizinischen Klinik III des Universitätsklinikums Aachen