Einleitung
Einleitung
Die Zusammenhänge zwischen Sonnenlicht und der Entstehung melanozytärer Nävi („solare Nävogenese”) sind komplex [1]. Die durchschnittliche Zahl melanozytärer Nävi steigt während Kindheit und Jugend steil an, erreicht ein Maximum während der dritten Lebensdekade und fällt danach allmählich wieder ab [2]
[3]. Sonnenlicht führt zu einer akzelerierten Entstehung von Nävi, wodurch in unterschiedlichen Breitengraden aufwachsende Kinder und Jugendliche gleicher ethnischer Herkunft stark unterschiedliche Nävuszahlen aufweisen [4]. Diese breitengradabhängigen Unterschiede sind bei vergleichbaren Untersuchungen an Erwachsenen nicht mehr nachweisbar [5], es existieren sogar Hinweise für eine UV-abhängige Regression von Nävi [6]. Die Tatsache, dass Nävi - ähnlich wie Melanome - keine Bevorzugung von Körperstellen mit hoher kumulativer UV-Belastung [Gesicht, Handrücken] aufweisen, spricht für die Bedeutung von intermittierender, plötzlicher Sonnenbestrahlung. Obwohl ein Einfluss von Sonnenbränden vor dem 20. Lebensjahr auf die Nävuszahl in mehreren Studien nachgewiesen wurde [2]
[7]
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[9], reicht jedoch bereits eine moderate Sonnenexposition, um die Nävuszahl von Kindern und Jugendlichen zu erhöhen [10]. Die Bedeutung kindlicher Sonnenbrände wird auch dadurch relativiert, dass die Verwendung von Sonnenschutzmitteln keinen protektiven Einfluss auf die Erhöhung der Nävuszahl hat [11].
Für Kinder und Jugendliche existieren zahlreiche Studien, in denen die Zahl und Verteilung melanozytärer Nävi zusammen mit Angaben zu Lichtempfindlichkeit und verschiedenen Variablen der Sonnenexposition (z. B. Breitengrad, Freizeitgestaltung, Urlaube, Kleidung, Sonnenschutzmittel) statistisch analysiert wurden. Die Durchführung vergleichbarer Nävuszählstudien bei Erwachsenen ist aus verschiedenen Gründen erschwert: zum einen ist die Zählung schwieriger, da sich melanozytäre Nävi von anderen pigmentierten Hautveränderungen, insbesondere solaren Lentigines und seborrhoischen Keratosen, nur mit Erfahrung halbwegs sicher differenzieren lassen. Zum anderen sind die anamnestischen Angaben zur Sonnenexposition komplexer, die Erinnerung an Sonnenbrände ist weniger verlässlich. Aber auch die an und für sich einfache Frage zur Ermittlung des sog. Hauttyps nach Fitzpatrick [12], ob und wie schnell es zu Sonnenbrand und Bräunung kommt, ist gerade für ältere Menschen teilweise schwer zu beantworten. Aufgrund unterschiedlicher Lebensgewohnheiten und abweichender Auffassungen von Begriffen wie „Sonnenbrand” sind die Angaben verschiedener Altersgruppen daher nicht ohne weiteres vergleichbar.
Um Zusammenhängen zwischen Sonne und melanozytären Nävi nachzugehen, wurde in der vorliegenden Arbeit eine Fragebogenerhebung mit nachfolgender Nävuszählung bei 400 Probanden aller Altersstufen durchgeführt. Ein Ziel der Untersuchung war es, auch Angaben zu emotionalen Faktoren (Verhältnis zur Sonne, „Sonnenaffinität”) mit herkömmlichen Variablen zu vergleichen.
Material und Methoden
Material und Methoden
Zwischen Februar und August 2005 wurden Patienten, die sich zur ambulanten Behandlung in der Poliklinik der Lübecker Universitäts-Hautklinik vorstellten, um die Teilnahme an der Untersuchung gebeten. Damit umfasste das Kollektiv Probanden mit einem breiten Spektrum dermatologischer bzw. allergologischer Erkrankungen. Patienten mit der Vorgeschichte eines Melanoms wurden eingeschlossen, jedoch getrennt betrachtet. Von den Probanden wurde eine schriftliche Einverständniserklärung eingeholt. Die Studie war zuvor von der örtlichen Ethikkommission gebilligt worden. Nach Ausfüllen eines zweiseitigen Fragebogens folgte ein Kurzinterview, in dem auf Unklarheiten bei der Beantwortung einzelner Fragen eingegangen wurde. Der Fragebogen enthielt Fragen zu den zwei Bereichen Sonnenempfindlichkeit/Pigmentkonstitution bzw. Sonnenexposition (Abb. [1]).
Abb. 1 Fragebogen.
Anschließend wurden die bis auf die Unterhose entkleideten Probanden bei standardisierter Beleuchtung von einem erfahrenen Hautarzt (SK) bzw. einer in einer zweiwöchigen Trainingsphase genau instruierten Medizinstudentin (CW) untersucht. Bei stichprobenweise erfolgten Doppeluntersuchungen einzelner Probanden durch beide Untersucher lag die Varianz bezüglich der Nävusgesamtzahl und der Differenzierung verschiedener pigmentierter Hautveränderungen unter 5 %.
Im Gegensatz zu anderen Nävuszählstudien wurden auch Nävi mit einem Durchmesser von < 2 mm mit erfasst, sofern sie aufgrund ihrer Beschaffenheit als melanozytäre Nävi erkennbar waren. Es handelte sich bei diesen kleineren Pigmentmalen um rundliche, regelmäßig begrenzte, flache oder flach erhabene, einzeln stehende Hautveränderungen. Nachfolgend genannte Veränderungen wurden anhand morphologischer und auflichtmikroskopischer Charakteristika von melanozytären Nävi abgegrenzt: solare Lentigines (braune bis graubraune Makulae mit scharfer, z. T. unregelmäßiger Begrenzung), Epheliden (kleine, hellbraune Makulae) und seborrhoische Keratosen (breitbasige, flache Plaques mit Hornperlen). Die Zahl der melanozytären Nävi wurde nach Lokalisationen getrennt auf einem Körperschematableau eingetragen. Gesondert kartiert wurden Nävi > 5 mm Durchmesser, papillomatöse Nävi (Unna-Typ) sowie breitbasig aufsitzende, halbkugelig erhabene Nävi (Miescher-Typ). Die Daten zur Lokalisation und zu den genannten Subtypen werden jedoch im Rahmen einer separaten Arbeit analysiert und sind daher nicht im Ergebnisteil aufgeführt.
Zusammenhänge zwischen allgemeinen Faktoren (Alter, Geschlecht), Nävuszahl, konstitutionellen Faktoren (Haar-, Augenfarbe, Bräunungsfähigkeit, Lichtempfindlichkeit) und Angaben zur Sonnenexposition (Sonnenbrände, Freizeitgewohnheiten etc.) wurden statistisch analysiert. Die genannten Variablen wurden jeweils getrennt für Patienten mit bzw. ohne Melanom untersucht. Im Folgenden wurde zum Vergleich der Lageparameter zweier unabhängiger Stichproben der Mann-Whitney-U-Test verwendet. Dieses Verfahren stellt ein Pendant zum t-Test bei nicht notwendigerweise normalverteilten Messreihen dar. Bei mehr als zwei solcher Stichproben findet entsprechend der (globale) Kruskal-Wallis-H-Test als nichtparametrische Varianzanalyse Anwendung. Ferner diente der Chi-Quadrat-Test zur Analyse der Unabhängigkeit zweier Merkmale. Darüber hinaus wurde zur Beschreibung steigender bzw. fallender Merkmalsausprägungen die lineare Regressionsanalyse genutzt. Bei diesem Verfahren werden p-Werte explorativ zur Betonung tendenzieller Änderungen in den Merkmalsausprägungen verwendet.
Ergebnisse
Ergebnisse
Es wurden 400 Probanden (5 - 88 Jahre) in die Studie eingeschlossen. Das Durchschnittsalter lag für Patienten ohne Melanom („nicht-MM”) bei 52,5 Jahren (median 56 J, Standardabweichung [s] = 17,98; n = 353; 56,7 % weiblich; 43,3 % männlich), für Patienten mit Melanom („MM”) bei 58,6 Jahren (median 63 J, s = 15,14; n = 47; 55,3 % weiblich; 44,7 % männlich.). Das Durchschnittsalter bei Melanom-Diagnose betrug 52,5 Jahre (s = 17,78), die durchschnittliche Tumordicke nach Breslow 2,7 mm (s = 2,94).
Die Probanden hatten durchschnittlich 64 melanozytäre Nävi (median 35, s = 75,93; nicht-MM 56 Nävi [median 32], s = 63,30; MM 125 Nävi [median 80], s = 122,74; p < 0,01; U-Test). Es fand sich in keiner der Gruppen (nicht-MM, MM) ein signifikanter Geschlechtsunterschied. Die Aufschlüsselung nach Lebensdekaden zeigte für beide Gruppen ein Maximum der Nävuszahl im 3. Lebensjahrzehnt, danach eine allmähliche Abnahme (Abb. [2]).
Abb. 2 Durchschnittliche Zahl melanozytärer Nävi.
Probanden mit dem Untersuchungsbefund „blaue/graue/grüne Augen” bzw. der anamnestischen Angabe „rote oder blonde Haare in der Jugend” wiesen durchschnittlich keine höheren Nävuszahlen auf als Probanden mit „braunen Augen” bzw. „braunen oder schwarzen Haaren in der Jugend” (Tab. [1]). Auch die Zugehörigkeit zur MM-Gruppe zeigte keine Abhängigkeit von Haar- bzw. Augenfarbe.
Tab. 1 Nävuszahl in Abhängigkeit von konstitutionellen und UV-anamnestischen Variablen
Variable | Ausprägung | Durchschnittliche Nävuszahl |
Augenfarbe | blau/grau/grün braun | 64,1 61,9 |
Sonnenaffinität (Frage 1) | meiden mögen lieben ewig bleiben | 49,1 65,0 66,9 66,0 |
Hauttyp (Frage 2) | Hauttyp I Hauttyp II Hauttyp III Hauttyp IV | 55,1 75,6*1
68,1*1
53,2 |
Haarfarbe in der Jugend (Frage 3) | rot/blond braun/schwarz | 66,9 59,9 |
Sonnenbrände (Frage 4) | erinnerlich (pauschal) nicht erinnerlich konkret erinnerlich (Ort, Zeit) | 20,7*2
61,9 68,9 |
Frage 5 (Gelegenheiten der UV-Exposition) | 0 - 4 5 - 12 | 49,2*3
79,8*3
|
1 p < 0,05 für Hauttyp II und III gegenüber Hauttyp I und IV (nicht-MM)
2 p < 0,01 gegenüber „erinnerlich” und „konkret erinnerlich”
3 p < 0,05 für die Gesamtbetrachtung (Zunahme der Nävuszahl mit der Anzahl der Gelegenheiten der UV-Exposition) |
Die Hauttypen nach Fitzpatrick (Abb. [1], Frage 2) waren wie folgt verteilt: Hauttyp I nicht-MM 11,9 %/MM 21,3 %; Hauttyp II 19,8 %/19,1 %; Hauttyp III 39,1 %/40,4 %; Hauttyp IV 29,2 %/19,1 %. Probanden mit den Hauttypen II und III hatten durchschnittlich höhere Nävuszahlen als Probanden mit den Hauttypen I und IV (Tab. [1]). Dieser Unterschied war für die Gruppe der Nicht-Melanompatienten signifikant (p < 0,05; H-Test).
Der Zusammenhang zwischen dem emotionalen Verhältnis zur Sonne, das in der ersten Frage thematisiert wurde („meiden”, „mögen”, „lieben”, „ich könnte ewig…”), und den klassischen Hauttypen ist in Abb. [3] grafisch dargestellt. Man erkennt eine Zunahme der Sonnenaffinität von Hauttyp I bis IV. Die Angabe, die Sonne zwar zu mögen, aber bereits nach kurzer Exposition einen Schattenplatz aufzusuchen (Antwort 2), war mit 60 % die insgesamt häufigste Antwort (Antwort 1 „meiden” 11,5 %; Antwort 3 „lieben” 24,8 %; Antwort 4 „ich könnte ewig…” 3,8 %). Das durchschnittliche Lebensalter für die jeweilige Antwort sank von 61 Jahren („meiden”, s = 18,34) auf 40 Jahre („ ich könnte ewig…”, s = 16,55). Die durchschnittlichen Nävuszahlen waren bei den Probanden, die unbefangen mit der Sonne umgingen (Antworten 3 oder 4), etwas höher als bei den übrigen Probanden (Antworten 1 oder 2), die Unterschiede waren jedoch nicht signifikant (Tab. [1]). Melanompatienten gaben tendenziell eine geringere Sonnenaffinität an als Nicht-Melanompatienten.
Abb. 3 Zusammenhang zwischen Hauttyp nach Fitzpatrick und emotionalem Verhältnis zur Sonne (Sonnenaffinität).
Probanden, die sich an Sonnenbrände erinnern konnten (Frage 4, Antworten 1 bzw. 2), wiesen durchschnittlich eine höhere Nävuszahl auf als Probanden, die sich an keinen Sonnenbrand erinnerten (p < 0,01; H-Test), allerdings gaben nur 6 % der Probanden an, keinen Sonnenbrand gehabt zu haben (Antwort 3). Zwischen den Probanden, die sich an konkrete Sonnenbrände erinnern konnten (Antwort 1), und denen, die nur pauschal angaben, bereits Sonnenbrände gehabt zu haben (Antwort 2), zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der durchschnittlichen Nävuszahl (Tab. [1]). Probanden mit 0 - 50 Nävi konnten sich im Vergleich zu Probanden mit > 50 Nävi sogar signifikant häufiger an konkrete Sonnenbrände erinnern (p < 0,01; Chi-Quadrat-Test). Mit steigendem Lebensalter nahm die Erinnerung an Sonnenbrände leicht ab.
Die in Frage 5 angegebenen Freizeitgewohnheiten, Urlaubsreisen bzw. anderen Gelegenheiten einer UV-Exposition wurden addiert (zwischen 0 und 12 mögliche „UV-Kontakte”; Abb. [1]). Es zeigte sich, dass die durchschnittliche Nävuszahl signifikant mit der Zahl der angegebenen UV-Kontakte zunahm (p < 0,05; lineare Regression). Dabei war eine Zunahme der Nävuszahl besonders deutlich beim Übergang zwischen vier und fünf von den Probanden angegebenen Gelegenheiten einer UV-Exposition (Tab. [1]). Die durchschnittliche Anzahl der angegebenen UV-Kontakte stieg kontinuierlich von Antwort 1 („meiden”; 2,8 Kontakte; s = 1,65) bis Antwort 4 („ewig bleiben”; 6,3 Kontakte; s = 2,34; p < 0,01, lineare Regression). Durchschnittlich weniger UV-Kontakte wurden von älteren Probanden (p < 0,01; H-Test) sowie tendenziell auch von Melanompatienten angegeben.
Diskussion
Diskussion
Die Gesamtzahl melanozytärer Nävi als wichtigste Kenngröße der vorliegenden Arbeit betrug durchschnittlich 56 (nicht-MM) bzw. 125 (MM). Damit liegt diese Zahl etwas höher als in vergleichbaren Studien [5]
[8]
[13]
[14]
[15]. Dies lässt sich teilweise als Ausdruck der weltweit steigenden Inzidenz melanozytärer Nävi interpretieren [15]
[16]. Auch die ethnische Zusammensetzung des norddeutschen Untersuchungskollektivs begünstigt höhere Nävuszahlen. Insbesondere ist jedoch bei Vergleichen mit anderen Arbeiten zu beachten, dass wir im Gegensatz zu den meisten anderen Untersuchungen nicht nur Nävi ab einem Durchmesser von 2 oder 3 mm gezählt haben, sondern auch kleinere Hautveränderungen, sofern sie aufgrund ihrer Beschaffenheit als melanozytäre Nävi erkennbar waren. Cooke et al. [16] konnten zeigen, dass die Nävuszahlen ohne Größenlimitierung ca. 2 - 3-mal höher waren als bei einer Beschränkung auf Nävi ab 2 mm Durchmesser. Eine Identifikation von Nävi ab 2 mm Durchmesser, z. B. durch Verwendung einer Schablone, erschwert die praktische Durchführung einer Nävuszählung erheblich, ohne dabei mehr als eine willkürliche Grenzziehung darzustellen.
Die Altersverteilung der Nävuszahlen zeigte in Übereinstimmung mit anderen Untersuchungen ein Maximum in der 3. Lebensdekade [13]
[17]. Aus histologischen Studien an melanozytären Nävi aus verschiedenen Altersgruppen lässt sich ableiten, dass individuelle Nävi einem relativ charakteristischen Entwicklungsgang folgen, der schließlich in einer Regression mündet [18]
[1].
Die hoch signifikant höhere Nävuszahl bei Patienten mit Melanom deckt sich mit Daten aus anderen Studien [2]
[3]
[8]
[19]
[15]. Die Nävuszahl hat damit eine wichtige Bedeutung für die Identifizierung von Personen mit erhöhtem Melanomrisiko, welche einer intensiveren Kontrolle unterzogen werden sollten. Bei einer Zahl von 50 bzw. 100 Nävi war die Wahrscheinlichkeit, zur Gruppe der Melanompatienten zu gehören, gegenüber dem Durchschnitt um den Faktor 1,7 bzw. 2,7 erhöht. Garbe et al. [19] konnten zeigen, dass das Melanomrisiko etwa linear mit der Zahl melanozytärer Nävi steigt und bei einer Zahl von 50 Nävi ≥ 2 mm um den Faktor 4 - 5, bei 100 Nävi um das 8 - 10fache gegenüber dem Bevölkerungsdurchschnitt erhöht ist. Als Erklärung für den Zusammenhang zwischen Nävuszahl und Melanomrisiko sind neben dem gemeinsamen Risikofaktor Sonnenlicht vor allem gemeinsame genetische Prädispositionsfaktoren, z. B. BRAF-Mutationen, zu diskutieren [1].
Probanden mit den konstitutionellen Merkmalen „blaue/graue/grüne Augen” bzw. „rote oder blonde Haare in der Jugend” wiesen durchschnittlich keine höhere Nävuszahlen auf als Probanden mit „braunen Augen” bzw. „braunen/schwarzen Haaren in der Jugend”. Eine Korrelation zwischen hellerer Haar- bzw. Augenfarbe und höheren Nävuszahlen wurde in einigen, jedoch nicht in allen Nävuszählstudien gefunden [10]
[13]. Bei Kindern und Jugendlichen konnte gezeigt werden, dass rothaarige Personen geringere Nävuszahlen als blonde Personen aufweisen [20].
Zur Klassifikation der Hauttypen nach Fitzpatrick [12] wurden die Angaben der Probanden über Sonnenbrand- bzw. Bräunungsneigung herangezogen. Dabei wurde die entsprechende Frage im Fragebogen (Abb. [1], Frage 2) - entgegen der verbreiteten Wiedergabe in abgeänderter oder verkürzter Form [21] - in wörtlicher Übersetzung von Fitzpatrick übernommen. Die höchste durchschnittliche Nävuszahl wiesen Probanden mit Hautyp II auf, die Unterschiede waren jedoch für das Gesamtkollektiv nicht signifikant. Mackie et al. [13], Garbe et al. [8] und Kennedy et al. [2] fanden in ihren erwachsenen Kollektiven ebenfalls keine signifikante Korrelation zwischen Hauttyp und Nävuszahl. English et al. [22] berichteten bei schottischen Patienten sogar über eine signifikante Assoziation hoher Nävuszahlen mit den Hauttypen III bzw. IV und braunen Augen. Im Gegensatz hierzu konnte in mehreren Studien an Kindern und Jugendlichen eine Assoziation hoher Nävuszahlen insbesondere mit Hauttyp II gezeigt werden [10]
[23]. Der Zusammenhang zwischen Hauttyp und Nävuszahlen scheint daher in jüngerem Alter deutlicher ausgeprägt zu sein und könnte zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen differieren. Möglicherweise hat auch die genaue Formulierung der „Fitzpatrick-Frage” einen Einfluss auf die ermittelten Hauttypen.
Neben der klassischen Frage zum Hauttyp fragten wir - unseres Wissens erstmals in einer derartigen Untersuchung - auch nach dem emotionalen („persönlichen”) Verhältnis zur Sonne. Hierbei unterstellten wir, dass die Affinität zur Sonne („Sonnenaffinität”) eine für das tatsächliche Sonnenverhalten bedeutsame Variable darstellt, die möglicherweise nicht unmittelbar mit der Erythemschwelle bzw. der Bräunungskapazität verknüpft ist. Der Vergleich mit den Hauttypen nach Fitzpatrick ergab, dass nur ca. ein Drittel der Probanden mit Hauttyp I die Sonne grundsätzlich meidet. Der Großteil aller Probanden, darunter etwa 60 % der Probanden mit Hauttyp I und über 70 % der Probanden mit den Hauttypen II und III, gab an, die Sonne zu mögen, aber bereits nach kurzer Zeit einen Schattenplatz aufzusuchen. Ausgesprochene „Sonnenanbeter” (Frage 1, Antworten 3 oder 4) gehörten überwiegend, aber nicht ausschließlich, zu den Hauttypen III und IV. Dies lässt vermuten, dass der Hauttyp nach Fitzpatrick, sprich: die persönlichen Erfahrungen mit Bräunung bzw. Sonnenbrand, nicht die einzige Determinante für das persönliche Verhältnis zur Sonne darstellen. Die deutlich erhöhte Anzahl angegebener UV-Kontakte, die wir bei „Sonnenanbetern” messen konnten, unterstreicht andererseits den Einfluss emotionaler Faktoren auf das tatsächliche Sonnenverhalten. Den Hintergründen und Auswirkungen derartiger Faktoren sollte in zukünftigen Studien weiter nachgegangen werden, um diese z. B. im Rahmen von Präventionsmaßnahmen gezielt berücksichtigen zu können.
Um einen Einfluss des Schweregrads von Sonnenbränden auf die Nävogenese zu überprüfen, differenzierten wir zwischen Probanden, die a) lediglich pauschale oder aber b) konkrete örtliche und zeitliche Angaben zu stattgehabten Sonnenbränden machen konnten. Hierbei gingen wir davon aus, dass es sich bei den konkret erinnerten i. d. R. um schwerere Sonnenbrände handelte. Die Nävuszählung ergab jedoch zwischen den beiden Gruppen keine signifikanten Unterschiede. Kennedy et al. [2] ermittelten einen Zusammenhang zwischen der Erinnerung an schmerzhafte Sonnenbrände vor dem 20. Lebensjahr und einem erhöhten Anteil an Patienten mit > 10 Nävi. Garbe et al. [8] fanden ein erhöhtes Risiko für das Vorhandensein von > 50 Nävi bei zwei oder mehr angegebenen Sonnenbränden vor dem 20. Lebensjahr.
Die in unserer Studie messbare Zunahme der Nävuszahl mit der Zahl der angegebenen UV-Kontakte („Gelegenheiten”) weist auf die Bedeutung der Sonnenexposition für die Nävusentstehung hin. Studien an erwachsenen Probanden konnten allerdings nicht durchgehend einen Zusammenhang zwischen der kumulativen UV-Exposition und der Nävuszahl zeigen [2]. Für das Kindes- und Jugendalter ist der Einfluss der Sonnenbestrahlung, gemessen z. B. am Breitengrad des Wohnorts bzw. an der Zahl der Urlaubsreisen, auf die Entwicklung höherer Nävuszahlen gut belegt [15]. Die Nävogenese wird in der Kindheit bereits durch eine moderate Sonnenbestrahlung stimuliert. Entgegen älterer Annahmen stellen kindliche Sonnenbrände offenbar keinen unabhängigen signifikanten Risikofaktor dar [10].
Interessanterweise gaben Melanompatienten im Vergleich zu Nicht-Melanompatienten tendenziell sowohl weniger UV-Kontakte als auch eine geringere Sonnenaffinität an. Nach Literaturangaben leitet sich von einer hohen Lebenszeit-UV-Exposition zum Teil ein erhöhtes, zum Teil aber sogar ein erniedrigtes Melanomrisiko ab [2]
[19]. Allerdings könnte das Wissen um die pathogenetische Rolle von Sonnenlicht die Melanompatienten im Sinne von „erwünschteren” Angaben beeinflusst haben („recall bias”) [24].