psychoneuro 2005; 31(12): 587
DOI: 10.1055/s-2006-931808
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Diabetische Polyneuropathie

Werner A. Scherbaum
Further Information

Publication History

Publication Date:
18 January 2006 (online)

Ich bin sehr dankbar dafür, dass in diesem Heft von psycho neuro das Thema der diabetischen Neuropathie behandelt wird. Patienten mit solchen Problemen finden sich in nahezu jeder Arztpraxis und Klinik. Der Phänotyp der diabetischen Neuropathie ist wie ein Chamäleon, so sehr variieren die klinischen Bilder. Kein Wunder, dass in einer kürzlichen Erhebung nur etwa 30 % der behandelnden Ärzte eine diabetische Polyneuropathie korrekt diagnostiziert hatten.

Mindestens jeder dritte Diabetiker ist von einer klinisch manifesten peripheren Neuropathie betroffen. Meist liegt eine sensible symmetrische distale Neuropathie vor. Fokale oder multifokale Neuropathien sind relativ selten. Die diabetische Neuropathie ist eine diabetesspezifische Folgeerkrankung mit erheblichen Konsequenzen. Sie kann durch Schmerzen, verschiedenartige Funktionsstörungen von Organen und durch sekundär auftretende Fußulzera zu einer signifikanten Einschränkung der Lebensqualität führen. Dies betrifft insbesondere auch die erektile Dysfunktion, von der jeder zweite männliche Diabetiker betroffen ist. Die erektile Dysfunktion ist eine weitaus unterdiagnostizierte, weil in der Arztpraxis zu wenig angesprochene Störung, für die es heute aber relativ gute Behandlungsmöglichkeiten gibt. Hier sollten die Patienten auf spezialisierte medizinische Zentren hingewiesen werden, die eine adäquate Diagnostik durchführen und die gesamte Palette der therapeutischen Möglichkeiten anbieten können.

Da eine diabetische Neuropathie definitionsgemäß erst nach Ausschluss anderer Formen von Neuropathie diagnostiziert werden kann, ist i.d.R. für die initiale Zuordnung eine fachneurologische Untersuchung erforderlich. In diesem Heft werden von Spezialisten aus den Fachgebieten Neurologie, Diabetologie, Urologie, Kardiologie und Gastroenterologie die wichtigsten Facetten dieses Krankheitskomplexes beleuchtet. Dies betrifft die Epidemiologie, Diagnostik und Differenzialdiagnostik der diabetischen Polyneuropathie, die Therapie der diabetischen Polyneuropathie, die kardiovaskuläre autonome Neuropathie, die Gastroparese und die erektile Dysfunktion. Damit wird sehr gut sichtbar, dass die verschiedenen Ausprägungen der diabetischen Neuropathie einer fachspezifischen Diagnostik und Therapie bedürfen.

Vermeidbare bzw. therapierbare Risikofaktoren für die Ausbildung bzw. Progression der diabetischen Polyneuropathie sind eine unzureichende Stoffwechseleinstellung, chronischer Alkoholabusus, arterielle Hypertonie und Nikotinkonsum. Es ist daher verständlich, dass die Schulung und Aufklärung der Patienten einen hohen Stellenwert einnehmen. Insbesondere senkt eine Schulung zur sachgemäßen Fußpflege bei diesen Patienten das Risiko für Fußulzera und Amputationen.

Ich hoffe und wünsche, dass Ihnen die Lektüre dieses Schwerpunktheftes neue Anregungen für die Behandlung Ihrer eigenen Patienten geben kann.

Prof. Dr. med. Werner A. Scherbaum

Düsseldorf