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DOI: 10.1055/s-2006-932233
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Rekombinante Präparate erhöhen die Sicherheit - Kein Infektionsrisiko für Hämophiliepatienten
Publication History
Publication Date:
01 February 2006 (online)
- Schon leichte Erschütterungen können Hämatome bedingen
- Übertragung von Infektionen - Restrisiko besteht noch immer
- Sicherer Ersatz von Gerinnungsfaktoren
Hämophiliepatienten sind auf die Gabe von Gerinnungsfaktoren angewiesen. Allerdings ist jeder neu entdeckte Erreger bei den heute noch vielfach verabreichten Blutplasmaprodukten ein mögliches Infektionsrisiko. Die Bluterkranken bei der Lösung dieses Problems zu unterstützen, hat sich jetzt das "Bündnis zur Förderung der Sicherheit von Hämophilen e.V." (BFSH e.V.) vorgenommen. Ein wesentlicher Schritt zur Steigerung der Therapiesicherheit besteht dabei in der Anwendung von Konzentraten aus rekombinanten Gerinnungsfaktoren. Das betonte der Sprecher und Geschäftsführer des neu gegründeten Vereins, Prof. H. Storch, Erfurt.
Die Gründung des Bündnisses geht auf eine Initiative der Hersteller von biotechnologisch gewonnenen Gerinnungsfaktoren-Konzentraten in Deutschland zurück. Diese sind Baxter Deutschland GmbH, München, Bayer Vital GmbH, Leverkusen, Novo Nordisk Pharma GmbH, Mainz, und Wyeth Pharma GmbH, Münster. "Unser Ziel ist, durch offenen Austausch zwischen den an der Therapie Beteiligten die Lebensqualität und Sicherheit der Hämophilen zu fördern", sagte Storch. Hierfür wurde auch eine Internetplattform eingerichtet: www.bfsh.info.
#Schon leichte Erschütterungen können Hämatome bedingen
Weltweit leiden über 400000 Menschen an Hämophilie, meist durch einen genetisch bedingten Defekt des Gerinnungsfaktors VIII. In Deutschland sind etwa 8000 Menschen betroffen. Bei etwa der Hälfte der Patienten ist die Blutungsneigung derart ausgeprägt, dass sie dauerhaft auf die Gabe von Gerinnungsfaktoren angewiesen sind.
Die Erstdiagnose erfolgt aufgrund der geringen Inzidenz der Erkrankung oft erst sehr spät. Zwei von drei Bluterkranken bleiben ohne Diagnose. "Die Erkrankung verläuft in der Regel keineswegs so spektakulär wie von vielen angenommen", hob Storch hervor. Seinen Ausführungen nach sind es meist unscheinbare Verletzungen, die zu Blutungen führen können. Und diese müssen nicht unbedingt sichtbar sein. So können selbst leichte Erschütterungen zu Hämatomen in den tragenden Gelenken führen. Kleine Kinder zwischen ein und zwei Jahren sind besonders stark gefährdet, da sie in ihrem ersten Bewegungsdrang häufig stürzen oder sich stoßen. Probleme entstehen vor allem an den Knien, am Sprunggelenk und an der Hüfte. Die Verletzungen verursachen nicht nur starke Schmerzen. Bei unzureichender Behandlung können die Gelenke deformieren und dies kann eine Behinderung zur Folge haben.
Die Therapie der Wahl besteht in einem Ersatz der fehlenden oder defekten Gerinnungsfaktoren durch Plasmapräparate oder rekombinant hergestellte Gerinnungsfaktoren. Meist ist es der Faktor VIII, seltener der Faktor IX. Da das Verletzungsrisiko bei Kindern größer ist, erhalten sie in der Regel prophylaktisch bis zu dreimal pro Woche eine Behandlung. Erwachsene Hämophiliepatienten verabreichen sich den fehlenden Gerinnungsfaktor nach Bedarf.
#Übertragung von Infektionen - Restrisiko besteht noch immer
Obwohl die Sicherheit der Plasmapräparate von menschlichen Blut- und Plasmaspendern in den letzten Jahren enorm gesteigert werden konnte, bleibt dennoch ein Restrisiko. Zwar ist eine Übertragung von HIV, wie in den 1980er Jahren geschehen, heute nahezu ausgeschlossen. Neue Viren jedoch, die sich schnell weltweit verbreiten und bislang noch nicht im Visier der medizinischen Ermittler stehen, sind eine potenzielle Gefahr für die Bluterkranken.
Problematisch ist insbesondere, wenn die etablierten Tests neue Viren noch nicht erfassen können oder wenn sie sich der Abreicherung bzw. Inaktivierung entziehen. Das ist laut Storch insbesondere dann der Fall, wenn es sich um nicht umhüllte Viren handelt.
"Die Ereignisse der 1980er Jahre dürfen sich nicht wiederholen", forderte Storch. Er wies in diesem Zusammenhang auch auf die gegenwärtig nicht auszuschließende Gefahr einer Übertragung der neuen Variante der Creutzfeldt-Jakob-Erkrankung hin. Deswegen kam es in der jüngsten Vergangenheit in Europa bereits vorsätzlich zu Rückrufen einzelner Plasmaprodukte, die zur Behandlung von Gerinnungsstörungen auch in Deutschland angewendet wurden.
#Sicherer Ersatz von Gerinnungsfaktoren
Während Plasmapräparate aus menschlichem Blut von Spendern gewonnen werden, stammen rekombinante Präparate aus Zellkulturen. Deshalb kann eine Übertragung von Krankheitserregern, wie sie bei Spendern vorkommen, beim Einsatz rekombinanter Präparate nahezu ausgeschlossen werden.
Allerdings kommt derzeit nur knapp die Hälfte der Bluterkranken in Deutschland in den Genuss dieser sicheren Therapie, laut Storch ein unhaltbarer Zustand. Er verglich die Situation mit anderen Ländern wie beispielsweise Kanada, den USA, Großbritannien oder Frankreich. Dort werden bereits in über 80% der Fälle rekombinante Gerinnungsfaktorkonzentrate zur Behandlung der Hämophilie A eingesetzt. Storch sagte wörtlich: "Wir bemühen uns, dass Deutschland bei einem vergleichsweise hohen Stand im Verbrauch von Gerinnungsfaktoren für Hämophilie hinsichtlich der Sicherheit der Präparate nicht den Anschluss an die internationale Entwicklung verliert."
M. Wiehl, Frankfurt
Quelle: Pressekonferenz anlässlich der Gründung des "Bündnisses zur Förderung der Sicherheit von Hämophilen e.V."