PiD - Psychotherapie im Dialog 2006; 7(2): 220
DOI: 10.1055/s-2006-932646
Resümee
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der Körper in der Psychotherapie

Arist  von Schlippe, Ulrich  Streeck
Further Information

Publication History

Publication Date:
24 May 2006 (online)

Das Thema „Körper” hat sich - selbst noch mit den Beschränkungen, die wir ihm auferlegen mussten - als ausgesprochen facettenreich erwiesen. Auf der anderen Seite hat sich herausgestellt, dass die therapeutische Praxis im Bereich der so genannten Körperpsychotherapien erstaunlich viele Gemeinsamkeiten aufweist. Im Editorial haben wir darauf verwiesen, dass wir, wenn wir in unserem Fach vom Körper sprechen, uns nicht nur in einer biologischen, sondern vielmehr in vieler Hinsicht in einer kulturell geprägten metaphorischen Welt bewegen. Menschen sind Wesen in Sprache, aus ihr gibt es „kein Entrinnen”, und so sind in unserer Kultur auch körperliche Phänomene vom ersten Moment ihres Auftretens an von sprachlichen Prozessen umspielt und in ein Netzwerk aus Geschichten, Metaphern, kurz: von Sinnumwelten eingebettet.

Damit wird Körper auch jenseits von Körpertherapie zu einem Thema der verschiedenen Ansätze, in denen Körperlichkeit und Körper auf so unterschiedliche Weise thematisiert werden, dass ein gemeinsamer Nenner schwer zu finden ist. Unser Heft zeigt sehr deutlich, dass die Zeiten simplifizierender Konstruktionen körperlicher und seelischer Zusammenhänge vorbei sind. An die Stelle einfacher Kausalverknüpfungen ist das Interesse getreten, den Körper zu thematisieren und seine Resonanz zu nutzen, um sich selbst verstehen zu lernen. Aufmerksamkeit kann heilend sein, sie kann helfen, sich den Körper „zum Freund” zu machen. Das Wechselspiel zwischen atmosphärischer Körperwahrnehmung und dem Auftreten von Gedanken, Bildern, Bewegungsimpulsen und Gefühlen bietet sich dabei geradezu als Zugang für die Gestaltung therapeutischer Prozesse an. In diesem sensiblen Wechselspiel liegt die besondere Qualität des „Körpergedächtnisses” verborgen, in dem frühe Beziehungs- und Welterfahrungen verdichtet sind. Praktisch alle Ansätze betonen dabei den Atem, der vielfach als „Königsweg” zum Körper bezeichnet wird. Die Arbeit am und mit dem Körper muss offenbar nicht auf die Einzelsituation beschränkt bleiben, sondern der Körper lässt sich auch in Gruppensettings und in der Paartherapie als wichtiger Zugang nutzen.

Trotz der vielen unterschiedlichen Facettierungen bleibt für uns am Ende dieses Heftes der Eindruck, dass das Thema nicht zur Polarisierung geeignet ist. Achtsamkeit im Umgang mit dem Körper wird in allen psychotherapeutischen Ansätzen thematisiert. Die theoretischen Hintergründe sind in den jeweiligen Fachsprachen mehr oder weniger ausführlich ausgearbeitet, doch steht in unserer Sicht eher das Verbindende im Vordergrund: Es geht um die Frage, wie daran gearbeitet werden kann, dass eine liebevolle Beziehung zum eigenen Körper möglich und (wieder-)aufgebaut wird.

Besonders bewegt hat es uns, zu erfahren, dass eine unserer Autorinnen das Erscheinen ihres Textes nicht mehr miterleben kann: Hildegund Heinl, eine Pionierin der Gestalt- und Körpertherapie verstarb im vergangenen Jahr. PiD-LeserInnen kennen sie aus ihrem Interview, das in dem Heft über chronische Krankheiten (Heft 1, 2002) erschienen ist, in dem sie über ihre Erfahrungen nach einem Schlaganfall berichtete: „… und wieder blühen die Rosen”.

    >