Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32(1): 3
DOI: 10.1055/s-2006-932697
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Dem (Haus-)arzt vertrauen

Katrin Große1 , Ulrich Rendenbach2
  • 1Universitätsklinik Dresden Carl Gustav Carus
  • 2Allgemeinmedizin Universität Leipzig
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Publication Date:
14 February 2006 (online)

Mein Vertrauen in die Medizin ist erschüttert.” So könnte sich ein Patient äußern. Heißt das, dass er enttäuscht wurde und nun auch meine Arbeit, die des Hausarztes, argwöhnisch hinterfragt? Was bedeutet das für unser Arzt-Patient-Verhältnis?

Vertrauen scheint eine sehr verzwickte Angelegenheit zu sein, ein Wort, welches zwar rasch zur Anwendung kommt, ja selbstverständlich scheint im Sinne einer Pflicht des Arztes, dem Patienten zu glauben, ihn ernst zu nehmen, seine Angelegenheit vertraulich und diskret zu behandeln. Genauer befragt, verzichten viele Fachbücher auf Erklärungen und schweigen über diesen Begriff.

Vertrauen geht offenbar mit einem Vorschuss einher, den wir anderen geben in einem förderlichen wohlwollenden Sinne. Das Gesagte muss nicht geprüft, verifiziert werden, ob es „richtig” oder „falsch” ist, es ist einfach so (vgl. H. v. Foerster, M. Bröcker, „Teil der Welt”, S. 322, Heidelberg: 2002). Dies gilt wechselseitig sowohl für den Patienten als auch den Arzt.

Der Patient unterstellt Fachkompetenz, offenbart seine körperlichen und seelischen Nöte, ohne genau wissen zu können, welche therapeutischen Konsequenzen beispielsweise daraus erwachsen können. Der Arzt hingegen baut auf die ehrliche Darstellung seines Patienten. Ohne gegenseitiges Vertrauen scheint eine gelingende Behandlung von Patienten unmöglich.

Einhergehend mit den verunsichernden gesellschaftlichen Entwicklungen, die sich sehr rasch in den letzten Jahren abspielten und immer mehr zuspitzen, scheint auch die Frage nach dem Vertrauen gegenüber Ärzten im Allgemeinen und Hausärzten im Besonderen brisanter. Ökonomische Sachzwänge haben auf beiden Seiten das geläufige Modell eines beratenden Arztes, der den Patienten als Mensch denn als Wirtschaftsobjekt sieht, in Frage gestellt. Ebenso verändert sich die Rolle vom Leidenden, Kranken, der beim Heiler Zuspruch und Linderung sucht zum Kunden eines Dienstleistungssystems mit dem Auftrag Gesundheit. Berechnungen werden angestellt. Wie viel kostet mich der Patient? Welche therapeutischen Maßnahmen muss ich zusätzlich erbringen, um keine größeren Einkommenseinbußen hinzunehmen? Wie viel Misstrauen sollte ich entwickeln, um Menschen mit Rentenbegehren, Doktorshopping herauszufiltern?

Der Patient scheint ähnlich überfordert. Einerseits ist er verunsichert über die wachsende Flut an Informationen bezüglich des Krankheitswissens via Medien, Internet, zahllosen Ratgebern und Gesundheitskursen. Andererseits muss er letztlich selbst zunehmend Entscheidungen über die Behandlungen treffen und die angebotenen Dienstleistungen selbst prüfen und mitbestimmen, zumal er sie ja mitbezahlt. Fragen wie: „Was soll und muss mein Arzt mir geben? In welchem Maße will er nur an mir verdienen? Welcher ärztlichen Meinung soll ich glauben?” werden unfreiwillig gestellt.

Krankenkassen versuchen sich in „Hausarztmodellen”, um künstlich eine Anbindung an einen Arzt zu erwirken. Ist damit auch Vertrauen geschaffen? Wie möchten wir selbst in der Rolle des Patienten behandelt werden? Was schafft Vertrauen? Ist es, dass wir uns Zeit nehmen für das Anliegen der Patienten, genau zuhören und sie „dort abholen wo sie stehen”? Sind wir offen und geben maximale Transparenz unserer ärztlichen Entscheidungen und Therapien? Beziehen wir den Patienten aktiv und selbstverantwortlich in den therapeutischen Prozess ein? Sie sollen selbstbestimmt und gut beraten Ärzte und Behandlungsangebote auswählen und vergleichen können. Dabei scheinen fachliche und menschliche Kompetenz unverzichtbar.

Also, stellen wir uns der Vertrauensfrage!

Dipl.-Psych. Katrin Große

Universitätsklinik Dresden Carl Gustav Carus

Dr. med. Ulrich Rendenbach

Allgemeinmedizin Universität Leipzig