Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32(1): 47
DOI: 10.1055/s-2006-932711
Praxismanagement

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Chancen und Risiken für Ärzte

Integrierte VersorgungKlaus Schmidt
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Publication Date:
14 February 2006 (online)

Experten gehen davon aus, dass die Integrierte Versorgung die Normalform der medizinischen Versorgung in Deutschland werden wird. Bis Ende September waren bereits 1407 Verträge zur Integrierten Versorgung abgeschlossen worden, und zu 75 % sind Krankenhäuser daran beteiligt. Die Laufzeit für die 1 %ige Anschubfinanzierung ist bereits bis 2008 verlängert worden.

Zukunftsbild der Versorgung

Auf der Medica 2005 in Düsseldorf zeichnete Dr. Ernst Bruckenberger, Ex-Krankenhausreferent im Niedersächsischen Sozialministerium, das Zukunftsbild der Versorgung: Bei den Leistungsanbietern wird es durch steigende Anforderungen an Qualität und Wirtschaftlichkeit, den medizinisch-technischen Fortschritt und den verstärkten Einsatz privaten Kapitals zu einem Konzentrationsprozess kommen. Gleichzeitig wird der Ärzte-Mangel zunehmen - bis 2015 ist mit einem Abgang von 7500 Ärzten allein aufgrund der Altersstruktur zu rechnen - und in einzelnen Regionen ist ein Bevölkerungsrückgang von rund 30 % zu erwarten. Das jetzige zweigleisige Facharzt-System wird langfristig durch ein eingleisiges System abgelöst, in dem der Facharzt sowohl ambulant als auch stationär arbeitet.

Die künftige Integrierte Versorgung wird laut Bruckenberger durch ausreichende Investitionsmittel in Verbindung mit stärkerer Privatisierung gekennzeichnet sein. Der Einsatz der Telemedizin ist dabei eine unbedingte Voraussetzung. Die Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen wird sich angleichen, indem generell Fallpauschalen gebildet werden. Zudem entstehen neue Angebotsstrukturen in Gestalt von Gesamtanbietern für ambulante und stationäre Versorgung sowie Rehabilitation.

Niedergelassene Ärzte erwarten sich nur wenige Vorteile

Die niedergelassenen Ärzte haben Angst, dass sie bei der Integrierten Versorgung wie in einem riesigen Räderwerk zermahlen werden, glaubt Prof. Harald Korb, Ärztlicher Direktor der Personal Healthcare Telemedicine Services GmbH. Er zieht diesen Schluss aus Umfrageergebnissen der TU Berlin zur Integrierten Versorgung unter Ärzten auf der Medica 2004. Sie offenbaren, dass das Wissen gering, aber die Angst groß ist.

Die befragten Ärzte erwarten sich von der Integrierten Versorgung nur wenige Vorteile, sagte Dipl.-Ing. Christoph Bogenstahl von der TU Berlin, der die Ergebnisse der Befragung, an der zu 41 % Hausärzte teilgenommen hatten, Ende November auf der Medica 2005 in Düsseldorf vortrug. Beklagt wurde vor allem, dass es zu wenig Informationen darüber gebe und dass es an Einflussmöglichkeiten durch die Ärzte fehle. Der wirtschaftliche Nutzen sei nicht erkennbar und eine Steigerung der Behandlungsqualität ebenso wenig.

Krankenhäuser als die Partner für interessierte Leistungserbringer

Ganz anders sehen dagegen die Krankenhäuser die Integrierte Versorgung. Holger Strehlau-Schwoll, derzeit Geschäftsführer der Horst-Schmidt-Kliniken in Wiesbaden und ab Januar 2006 Chef der Vivantes Kliniken in Berlin, hält die Krankenhäuser für die geborenen Partner für alle interessierten Leistungserbringer, weil sie allein in der Lage seien, die Integrierte Versorgung zu managen. Die KV könne das gar nicht sein, weil sie ein Monopol sei - „und Monopole wollen erhalten bleiben”. Das einzige Problem sieht er derzeit darin, wie man den Patienten klar machen soll, dass sie sich freiwillig in die Integrierte Versorgung einschreiben - „Sie sind sehr schwer zu motivieren”.

Auf jeden Fall ist die Integrierte Versorgung für ihn der Weg in die Zukunft, weg vom Kollektiv- und hin zum Einzelvertrag. Heute flössen zwar erst 1 % in die Integrierte Versorgung, doch morgen vielleicht schon 20 %.

Chancen für Niedergelassene durch Verträge über Komplexpauschalen

Niedergelassene Ärzte haben durchaus Chancen in der Integrierten Versorgung, meinte Dr. Manfred Mayer, Allgemeinarzt und Vorstandsmitglied des Gesundheitsnetzes Rhein-Neckar-Dreieck. Das Netz hat Verträge mit Krankenkassen und Kliniken über Komplexpauschalen abgeschlossen. Die Patienten kommen über finanzielle Anreize wie den Erlass der Praxisgebühr in die Modelle. Ein Arzt, der teilnimmt, muss von der Sache überzeugt sein, stellte er fest. Die Krankenkassen erwarten sich mehr Qualität zu gleichen Kosten oder gleiche Qualität zu niedrigeren Kosten.

Dass es Probleme mit der Integrierten Versorgung in der täglichen Arbeit gibt, verschwieg Mayer nicht:

  • Es gibt eine Vielzahl von Vereinbarungen.

  • Die Versorgungslandschaft ist zersplittert. Welcher Facharzt ist für welchen IV-Vertrag zuständig?

  • Der Dokumentationsumfang ist enorm. Nötig wäre ein EDV-System, das den Ärzten die Arbeit abnimmt.

  • Die Abrechnungsmodalitäten sind verwirrend.

  • Es gibt Mindereinnahmen trotz Mehrarbeit.

  • Die Verträge werden nicht mit besonders qualifizierten, sondern mit allen interessierten Ärzten abgeschlossen.

Klaus Schmidt

Planegg

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