psychoneuro 2006; 32(2): 106
DOI: 10.1055/s-2006-933650
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Herrmann-Simon-Preis - Was die Bevölkerung über psychisch Kranke denkt

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Publication Date:
03 March 2006 (online)

 
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    Die Einstellung der Bevölkerung zu Psychopharmaka hat sich seit Beginn der 90er Jahre deutlich gebessert. Auch die Kenntnisse um die biologischen Ursachen der Depression und Schizophrenie und ihre generelle Akzeptanz sind besser geworden. Trotzdem hat sich die persönliche Distanz zu diesen Patienten nicht verringert. Auch das Vorurteil gegenüber Psychopharmaka als abhängigkeitserzeugend hielt sich hartnäckig. Diesen zwiespältigen Einblick in aktuelle Ergebnisse der psychiatrischen Einstellungsforschung lieferte Prof. Dr. Matthias Angermeyer, Leipzig, Träger des Herrmann-Simon-Preises 2005, auf einer Pressekonferenz.

    Angermeyer erhielt den Hermann-Simon-Preis für Sozialpsychiatrie, Epidemiologie, Versorgungsforschung und rehabilitative Psychiatrie als Würdigung seiner wissenschaftlichen Lebensleistung zur Erforschung der Stigmatisierung psychisch Kranker. Die mit 12500 Euro dotierte Auszeichnung steht unter der Schirmherrschaft der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) und wird von Lundbeck Deutschland gestiftet. Angermeyer und Mitarbeiter verglichen in zwei Erhebungen - 1990 und 2001 - in den alten Bundesländern die Vorstellungen der Bevölkerung zu den Ursachen der Schizophrenie, den Hilfesuch- und Therapieempfehlungen und der Beurteilung von Psychopharmaka (Angermeyer und Matschinger, 2004 und 2005). In diesem Zeitraum nahm der Anteil von Personen, die eine "Erkrankung des Gehirns", "belastende Lebensereignisse" und "Vererbung" von 45-55% bis auf rund 75% zu. Gleichzeitig sank die Zahl derer, die "Willensschwäche" angaben, von 50% in 1990 auf rund 35% in 2001.

    Psychiater und Psychotherapeuten wurden 2001 von rund 80% der Befragten als Anlaufstelle angegeben; 1990 lagen die Hausärzte mit knapp zwei Drittel der Nennungen vorne. Selbsthilfegruppen verharrten bei rund 60% (Mehrfachnennungen möglich). Dem positiveren Image der Psychiater und Psychotherapeuten entspricht auch das gewachsene Vertrauen in Psychopharmaka (1990:33%; 2001: 60% der Therapieempfehlungen). Mit rund 80% ist das Vertrauen in psychotherapeutische Interventionen aber weiterhin deutlich am höchsten (1990: 70%). Trotzdem glaubten 1990 und 2001 rund 70% der Befragten, dass Psychopharmaka abhängig machen.

    Dr. Alexander Kretzschmar

    Pressekonferenz "Verleihung des Hermann-Simon-Preises für Sozialpsychiatrie, Epidemiologie, Versorgungsforschung und rehabilitative Psychiatrie 2005", veranstaltet von Lundbeck Deutschland, 17. Januar 2006 in München