Ab Beginn 2006 sind alle Bundesbehörden verpflichtet, sämtliche Internetangebote barrierefrei zu gestalten. Das heißt für alle, also auch für behinderte Nutzer zugänglich zu machen. Mehr als drei Jahre sind vergangen, seit mit dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG, bundesrecht.juris.de/bgg/index.html) und der Barrierefreien Informationstechnik-Verordnung (BITV, bundesrecht.juris.de/bitv/index.html) die rechtlichen Grundlagen hierfür verabschiedet wurden. Viele Internet-Nutzer haben trotzdem keine Ahnung, was der Begriff umfasst. Viele Ärzte befürchten zudem, dass sie wegen ihrer Praxis-Website Probleme bekommen, wenn diese nicht „barrierefrei” ist.
Anti-Diskriminierung: Gleiche Chancen für alle
Anti-Diskriminierung: Gleiche Chancen für alle
Barrierefreiheit oder „Web Accessibility” (WA), also Zugänglichkeit im Netz bedeutet, dass Menschen mit Behinderungen das Internet nutzen können. Oder noch genauer: Alle Nutzer sollen Inhalte wahrnehmen und verstehen und auf Websites problemlos navigieren und interagieren können. Das Grundgesetz (Art. 3, Abs. 3) und das BGG verpflichten hierfür zur Anti-Diskriminierung.
Es sind eine ganze Menge von potentiellen Beschränkungen zu berücksichtigen, beispielsweise: Abnehmendes Sehvermögen, eingeschränkte Feinmotorik, nachlassendes Kurzzeitgedächtnis, Probleme mit Navigation, Anglizismen, unverständliche Fachsprache oder Abkürzungen. Eine Kernforderung der Barrierefreiheit betrifft Flexibilität, beispielsweise von Schriftgrößen, Farben oder Navigation. Auch technischen Beschränkungen soll entgegengewirkt werden: Egal ob eine Website mit einem PC-Browser, einem Mobiltelefon, einem Text-Browser eines Terminals, einem PDA angesteuert wird - immer soll die Information übermittelbar sein (Plattformunabhängigkeit, unabhängig von Betriebssystem oder Software).
Software zur Erstellung von barrierefreien Websites
Software zur Erstellung von barrierefreien Websites
Die Verbesserung der Web-Zugänglichkeit, die Verminderung von Barrieren im Internet, ist - nach ein wenig Einarbeitung - kein großes Problem für intelligente, kompetente Webdesigner. Nicht zuletzt, da barrierefreie Websites dem Aufbau von Informations-Angeboten entsprechen, wie sie schon lange vor dem Internet konzipiert wurden (z. B. SGML - Standard Generalized Markup Language, die „Mutter” von HTML). Typische Eigenschaften sind: Einfache Struktur, einfache HTML-Codierung, sauberer Code, strikte Trennung von Inhalt und Layout, einfache, übersichtliche Navigation oder ausreichende Farbkontraste. In den letzten Jahren hinzugekommen sind XHTML („extended HTML”, z. B. Ausgabefähigkeit auf beliebigen Medien) und CSS („Cascading Style Sheets”, Formatierungssprache für strukturierte Dokumente). Diese Erweiterungen ermöglichen zum Beispiel die Verwendung von relativen Einheiten (z. B. größenskalierbare Schriften) oder von Alternativtexten für graphische Elemente, die Ausgabe einer Seite zum Beispiel in einem Sprachausgabe-Programm oder mittels Braille-Ausgabe. Mittlerweile gibt es vielerlei Software, die die Erstellung und Pflege von barrierefreien Websites problemlos ermöglicht.
Angemessene Aufbereitung von Online-Inhalten
Angemessene Aufbereitung von Online-Inhalten
Auch die mediengerechte Aufarbeitung von Online-Inhalten (z. B. Größe von präsentierten Bildern) und eine zielgruppengerechte Sprache (Schreibstil, Niveau) können Barrieren verringern. Menschen mit geistiger Behinderung oder Lernschwäche, Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist („bildungsferne Milieus”), aber auch Jugendliche und ältere Menschen stoßen oft auf Verständnisbarrieren bei relevanten Themen wie Kommunalpolitik, Recht, Gesundheit oder Finanzen. Einfache Sprache meint übrigens nicht „kindliche Simplifizierung”, sondern eine „angemessene Aufbereitung von Inhalten”. Denkbar sind unterschiedliche Textversionen für Einsteiger und Experten oder graphisch animierte Darstellungen. Bei einer Praxis-Homepage bedeutet Zugänglichkeit also einen „bedürfnisorientierten Einstieg” bei den gebotenen Informationen.
Das Grundgesetz und das BGG verpflichten zur Barrierefreiheit
Das Grundgesetz und das BGG verpflichten zur Barrierefreiheit
„Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.” Das BBG und die BITV konkretisieren das Diskriminierungsverbot des Grundgesetz-Artikels 3, Absatz 3 für Internetangebote und verpflichten Bundesbehörden zur Barrierefreiheit.
Für Bundesländer gelten entsprechende Gesetze, die in Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen bereits verabschiedet sind. Bislang hat allerdings nur Bremen auch die zugehörige „Internet-Verordnung” erlassen - im Oktober 2005. Landesbehörden haben nun 18 Monate Zeit zur Barrierenreduzierung.
Für ärztliche Praxis-Homepages oder (private) Krankenhäuser ist in Deutschland derzeit keine Internet-Zugänglichkeit explizit per Gesetz vorgeschrieben. Anders als für die bundesunmittelbaren Körperschaften des öffentlichen Rechtes gilt dies auch (derzeit noch) für die kassenärztlichen Vereinigungen, Krankenkassen oder Ärztekammern. Trotzdem haben schon einige KVen und Kassen erste Übungen in Barrierefreiheit absolviert.
Tipps: Für den Internet-Browser Firefox gibt es zwei Erweiterungen, die die Barrierefreiheits-Umstellung oder Tests erleichtern. „TAW3 with a click” (addons.mozilla.org/extensions/moreinfo.php?id=1158&application=firefox) ruft einen der zahlreichen US-Webdienste auf, die die jeweilige Seite genau unter die Lupe nehmen. „Mozilla Accessibility Extension” (addons.mozilla.org/extensions/moreinfo.php?id=1891&application=firefox) soll primär Surfern mit Behinderung die WWW-Nutzung leichter machen. Für Entwickler von barrierefreien Internetpräsenzen ist das Plugin aber ebenfalls gut geeignet. Prädikat: Äußerst empfehlenswert!