Notfall & Hausarztmedizin 2006; 32(4): 171
DOI: 10.1055/s-2006-941406
Blickpunkt

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Umdenken erforderlich - Kürzer krank durch gezielte Antibiotikatherapie

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Publication Date:
17 May 2006 (online)

 
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Mit der Identifikation des Milzbrandbazillus durch Robert Koch im Jahr 1876 zielte die beginnende Antibiotikatherapie in erster Linie darauf, den Erreger zu eliminieren. "Dabei stand immer die Pharmakodynamik im Vordergrund", betonte Prof. Dr. Horst Koch aus Beeskow auf einer Veranstaltung der Bayer Vital GmbH in Hamburg. In den 80er Jahren erweiterte sich der Blickwinkel auf die Pharmakokinetik. Seit etwa zehn Jahren erlangt der Zusammenhang zwischen Erreger, Patient und Antibiotikum immer mehr Bedeutung. So bestehen laut Koch deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Antibiotikagruppen, obwohl sie in den Leitlinien noch immer als gleich behandelt werden. Beispielsweise werden Betalaktamantibiotika und Cephalosporine mit Chinolonen gleichgestellt, weil sie mikrobiologisch gleich wirken. Dagegen zeigt die klinische Erfahrung, dass Chinolone offensichtlich den Infektionsverlauf, die Zeit bis zur nächsten Exazerbation und die Sterblichkeit senken können.

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Immunmodulation fördert Abklingen der Entzündung

"Bei Entzündungsprozessen lernen wir ständig dazu", betonte Prof. Dr. Johannes Bogner aus München. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass Lipid-Mediatoren aus dem Arachidonsäuremetabolismus an der Kontrolle und dem Abklingen der Inflammation beteiligt sind. Lipoxine, Resolvine und Protectine verzögern den Eintritt weiterer Granulozyten, reduzieren die Gefäßpermeabilität und stimulieren Makrophagen zur Abräumung apoptotischer Zellen. Auch eine Pilotstudie belegte, dass die Zugabe nichtsteroidaler Antirheumatika zu einem Antibiotikum beim Erysipel und bei Cellulitis zu einer schnelleren Heilung führt ([1]). Bei COPD zeigte die MOSAIC[1]-Studie, dass eine fünftägige Therapie mit Moxifloxacin[2] zu einer signifikant höheren klinischen Heilungsrate bei der akuten Exazerbation führte als eine siebentägige Therapie mit herkömmlichen Antibiotika. Moxifloxacin besitzt eine hohe Bakterizidie und immunologische Potenz und verlängerte zudem signifikant die Zeit bis zur nächsten Exazerbation ([2]). Als deutlicher Hinweis auf die immunmodulatorische Komponente wird auch die raschere Fieberfreiheit bei Pneumoniepatienten angesehen. In-vitro-Ergebnisse ergaben, dass sich in Anwesenheit von Moxifloxacin zudem die Zytokinfreisetzung und die Phagozytose verstärkte.

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Gezielter Einsatz von Antibiotika unterbricht Circulus vitiosus

Die meisten Probleme in der Praxis sieht Dr. Manfred Möller aus Hanau in geringen mikrobiologischen Kenntnissen der Allgemeinmediziner, geringen Kenntnissen antibiotisch wirksamer Substanzen sowie der Fülle - größtenteils unbekannter, oft buchförmiger - Leitlinien. Andererseits stehe die ambulante Pharmakotherapie unter einem enormen Kostendruck. Dennoch kritisierte er, dass an Antibiotika gespart werde, die 5-7 Tage verabreicht werden, obwohl der eigentliche Kostenblock aus chronischen Erkrankungen bestehe. Die Folgen einer unvollständigen Keimelimination zum Beispiel einer COPD durch Gabe eines "Alibiantibiotikums" sind häufig, sodass der Patient in einen Circulus vitiosus aus Exazerbation, Inflammation und Verschlechterung der Lungenfunktion gerät. Als Wege aus diesem Teufelskreis fordert Möller den gemäßigten und gezielten Einsatz von Antibiotika: "Es wird nur auf klar erkennbare Ziele geschossen." Zudem appelliert er an eine stadiengerechte Auswahl von Antibiotika anstatt "sinnloser Eskalationstherapie". Durch Ausnützen des Synergieeffekts aus antibakterieller und antientzündlicher Aktivität mancher Antibiotika könnte so der Circulus vitiosus unterbrochen werden.

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Derzeitige Verschreibungspraxis ist nicht wirtschaftlich

Auch Dr. Maria Kubin aus Wuppertal warnte vor einer einseitigen Betrachtung der Kosten. "Was ist mit den Folgekosten, wenn vermeintlich preiswerte Behandlungen nicht erfolgreich sind?", fragte sie. Daten dazu lieferte die SAVE[3]-Studie, eine ökonomische Analyse, die die Wirtschaftlichkeit einer Behandlung mit Moxifloxacin bei der ambulant erworbenen Pneumonie mit anderen Antibiotika verglich. In dem mathematischen Modell wurden drei Behandlungsregime verglichen: Die Therapie mit Makroliden (Roxithromycin), mit Betalaktam-Antibiotika (Amoxicillin oder Cefuroxim-Axetil) und mit einem Chinolon (Moxifloxacin). Das Modell berücksichtigte die anfallenden Kosten für Antibiotika, Arztbesuche und weitere durch die Erkrankung verursachte Kosten für Krankenversicherungen. Nach Ergebnissen der Studie belaufen sich die Gesamtkosten unter einer initialen Moxifloxacin-Gabe auf 231 Euro. Wird primär mit Roxithromycin behandelt, liegen die Kosten bei 232 Euro, gefolgt von Amoxicillin mit 238 Euro und Cefuroxim-Axetil mit 281 Euro. Unter der Primärtherapie mit Moxifloxacin gab es nur 5% an Therapieversagern, jedoch 14-15% bei den übrigen untersuchten Antibiotika. "Die Studie demonstriert, dass die derzeitige preisorientierte Verschreibungspraxis wenig sinnvoll und zudem nicht wirtschaftlich ist", folgerte Kubin. Auch stehe der wachsende Druck auf die Ärzte medizinischen Innovationen im Weg und erfolgt letztlich zu Lasten der Patienten.

ts

Quelle: Pressekonferenz "Ist kürzer krank länger gesund?", März 2006 in Hamburg. Veranstalter: Bayer Vital GmbH, Leverkusen.

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Literatur

  • 01 Dall L . et al . Cutis. 2005;  75(3) 177-180
  • 02 Wilson R . et al . Chest. 2004;  125(3) 953-964

01 A multicentre, multinational, prospective, randomised, double-blind study to compare the effectiveness of Moxifloxacin Oral tablets to Standard oral antibiotic regimen given as firstline therapy in out-patients with Acute Infective exacerbations of Chronic bronchitis

02 Avalox®, Bayer Vital GmbH

03 Comparing Successful treatment outcomes of Avalox to standard treatments adds Value for the patient and generates Economic profit for society

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Literatur

  • 01 Dall L . et al . Cutis. 2005;  75(3) 177-180
  • 02 Wilson R . et al . Chest. 2004;  125(3) 953-964

01 A multicentre, multinational, prospective, randomised, double-blind study to compare the effectiveness of Moxifloxacin Oral tablets to Standard oral antibiotic regimen given as firstline therapy in out-patients with Acute Infective exacerbations of Chronic bronchitis

02 Avalox®, Bayer Vital GmbH

03 Comparing Successful treatment outcomes of Avalox to standard treatments adds Value for the patient and generates Economic profit for society