Alzheimer Demenz ist eine Erkrankung, die besonders im höheren Lebensalter auftritt.
Die Prävalenz für eine Demenzsymptomatik bei den über 65-Jährigen liegt bei etwa 5%,
bei den 80-Jährigen sind bereits 20-25% betroffen, bei den 90-Jährigen über 30%. Derzeit
leben zirka 1,2 Millionen Menschen mit Demenz in Deutschland. Aufgrund der steigenden
Lebenserwartung schätzt man, dass bis zum Jahr 2050 die 2,5-Millionengrenze überschritten
sein wird, dabei werden die Hochbetagten den größten Anteil ausmachen. Die Demenz
ist eine häufige Ursache für Heimeinweisungen, darüber hinaus verursacht sie eine
zunehmende gesundheitliche und materielle Belastung der Angehörigen, wobei die Schwerststadien
die höchsten volkswirtschaftlichen Gesamtkosten verursachen.
Unproblematische Erkrankung für die Krankenkassen
Unproblematische Erkrankung für die Krankenkassen
Volkskrankheiten können teuer sein. Die Perspektive, aus der man dies betrachtet,
wird häufig auf den Anteil der Krankenkassen eingeengt. "Dabei sind Demenzerkrankungen
für Krankenkassen mit Blick auf die Arzneimittelausgaben kein Problem", demonstrierte
Dr. Johannes Hallauer aus Berlin, "aus diesem Grund gibt es auch keine Disease-Management-Programme
und nur wenige Ansätze der integrierten Versorgung (Abb. [1])." Die Krankenkassen wenden pro Patient und Jahr zirka 1100 Euro auf und sind somit
in der Gesamtkostenrechnung mit nur 3% vertreten. Mit einem weitaus höheren Anteil
von 30% stehen bei der Demenz die finanziellen Aufwendungen für die stationäre und
teilstationäre Versorgung im Vordergrund. Je nach Pflegeklasse betragen die monatlichen
Kosten für eine vollstationäre Pflege zwischen 2110 und 2821 Euro. Davon übernimmt
die Pflegeversicherung lediglich zwischen 1023 und 1432 Euro. Die Differenz müssen
die Betroffenen selbst tragen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht muss man zudem die
Zeiten dazuzählen, die für die Betreuung und Versorgung der Demenzpatienten durch
die Gesellschaft aufgewandt werden. Etwa 65% der Pflegebedürftigen werden nämlich
zuhause versorgt. "In der Regel sind das die Familien, Ehepartner und Töchter, die
diese Pflegeleistungen erbringen", betonte Hallauer. Demnach darf man einen Demenz-Patienten
auch nie gesondert betrachten. So ergab eine Studie (AENEAS-Studie, 2004), dass zirka
zwei Drittel der pflegenden Angehörigen unter Depressionen leiden.
Im Vergleich zu anderen "Volkskrankheiten" tragen die Pflegeheime bei dementen Patienten
en weitaus größten Kostenanteil
Eine andere Dimension sind die Kosten für die medikamentöse Behandlung von Demenz-Patienten:
Obwohl ältere Menschen meist mehrere Medikamente einnehmen, "beträgt der Anteil der
Antidementiva am Verordnungsvolumen von 80-90-Jährigen nur 1%", sagte Hallauer. "Und
davon fallen nur ein Fünftel der so genannten Antidementiva in den Bereich der evidenzbasiert
wirksamen Präparate", bemängelte er. Auffällig sei, dass Präparate, deren Wirkung
nicht nachgewiesen ist, dennoch in der Verordnungspraxis verbleiben. Dabei könnte
der Einsatz von wirkungsvollen Präparaten die pflegenden Angehörigen beziehungsweise
das Pflegepersonal zirka eine Stunde am Tag entlasten, gab Hallauer zu bedenken ([1]).
Bessere Lebensqualität für Patienten und Pflegende
Bessere Lebensqualität für Patienten und Pflegende
In einer Reihe von Untersuchungen haben sich Acetylcholinesterase-(AChE-)Hemmer als
gut verträglich und wirksam in der symptomatischen Therapie leichter bis mittelschwerer
Alzheimer Demenz erwiesen ([2]) und erfüllen damit die Kriterien der Evidence basierten Medizin. Auch nationale
und internationale Fachgesellschaften, zum Beispiel die Arzneimittelkommission der
Deutschen Ärzteschaft (AkdÄ), die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) und aktuell
das National Institute for Clinical Excellence (NICE), bewerten diese Präparate positiv
und empfehlen ihren Einsatz. Im Unterschied zu anderen Substanzen besitzt Galantamin[1] einen dualen Wirkmechanismus. Das heißt, es hemmt die Acetylcholinesterase und damit
auch den Abbau des Neurotransmitters Acetylcholin. Darüber hinaus verbessert es die
nikotinerge Neurotransmission, indem es allosterisch die Nikotinrezeptoren moduliert
und damit die Empfindlichkeit für den natürlichen Transmitter erhöht. In kontrollierten
klinischen Studien konnte Galantamin die kognitive Leistungsfähigkeit und die Alltagskompetenz
der Patienten wirksam verbessern ([2]). "Durch die konsequente Behandlung kann eine deutlich geringere Funktionsverschlechterung
erwirkt werden als bei unbehandelten oder insuffizient behandelten Patienten", betonte
PD Dr. Pasquale Calabrese aus Bochum. Das Therapieziel ist, den Krankheitsverlauf
zu verzögern und abzumildern. Damit steigt die Lebensqualität des Patienten und auch
der Angehörigen, indem sich die Pflegelast ("caregiver burden") reduziert ([1]). Dadurch, dass der Arzt den Patienten nur unregelmäßig sieht, kann er diesen positiven
Effekt allerdings nicht unbedingt sehen. Laut Calabrese muss er sich daher auf die
objekive Studienlage rekurrieren und stadien- beziehungsweise situationsadäquate Veränderungsparameter
betrachten. "Dabei gilt es, ein mehrdimensionales Symptomspektrum, das "A-B-C-D der
Demenz" zu behandeln" folgerte er (Abb. [2]).
In einer Studie von Raskind M et al. an über 500 Patienten kam es nach sechs Monaten
zu einer erheblichen Veränderungen der kognitiven Leistungsfähigkeit im Vergleich
zu Plazebo ([3]). Gemessen wurde mit dem so genannten ADAS-cog, einer klassischen Skala, die die
kognitiven Leistungsaspekte der Patienten misst. Auffällig war der rasche Wirkeintritt
von Galantamin: bereits nach der vierten Woche zeigten sich deutliche Unterschiede.
"Interessant ist, dass dieser Unterschied anhält", bemerkte Calabrese, "die Kognition
konnte über ein Jahr stabilisiert werden." Weitere nicht-kognitive Symptome, das heißt
Verhaltensstörungen wie Aggressivität, Umtriebigkeit und Umkehr des Tag-Nacht-Rhythmus,
nahmen während der Behandlung nicht zu. Nach der sechsmonatigen Therapie waren Patienten,
die Galantamin in der 24 mg-Dosierung oder in der 16 mg-Dosierung erhielten, in einem
erheblich besseren Zustand als die Patienten unter Plazebo. Auch die Alltagskompetenz
konnte sich bei den Patienten in der Galantamin-Gruppe über ein Jahr stabilisieren.
Zudem war der Einfluss auf die pflegenden Angehörigen beachtlich: durchschnittlich
benötigte ein Patient unter Galantamin-Therapie rund 40 Minuten weniger Supervision
täglich als ein Patient unter Plazebo.
In einer retrospektiven Follow-up-Studie von drei Zulassungsstudien wirkte sich Galantamin
so positiv auf die Alzheimer-Symptomatik aus, dass die Einweisung in ein Pflegeheim
über Monate bis Jahre hinausgezögert werden konnte (Abb. [3]) ([4]). Jedes zusätzliche Jahr Galantamin-Therapie reduzierte das relative Risiko einer
permanenten Heimeinweisung um 27%. Dabei erfasste die Studie Daten von 596 Demenz-Patienten,
die unterschiedlich lange mit dem AChE-Hemmer behandelt worden waren.
Je länger die Patienten mit dem Acetylcholinesterase-Hemmer behandelt wurden, desto
später erfolgte die Einweisung in ein Pflegeheim
Reminder: Therapie unter naturalistischen Bedingungen
Reminder: Therapie unter naturalistischen Bedingungen
Calabrese betonte, dass unter doppel-blinden, randomisierten, kontrollierten und plazebokontrollierten
Studienbedingungen eine Präselektion von Patienten mit gutem Allgemeinzustand, wenig
Komedikation und hoher Compliance unter optimalem Monitoring erfolge. Dagegen herrsche
unter Praxisbedingungen keine Vorselektion und hohe Komorbidität mit entsprechender
Komedikation. Die Arztkontakte seien seltener und die Compliance geringer. Kontrollierte
klinische Studien sind für die Zulassung eines Medikamentes von entscheidender Bedeutung.
Ob solche Studiendaten auf die Praxisrealität übertragbar sind, soll "Reminder" klären,
eine naturalistische Studie, die im Februar 2006 begann und voraussichtlich im Februar
2008 beendet sein soll. "Ziel der Studie ist die Dokumentation patientenrelevanter
Endpunkte bei Patienten mit Alzheimer-Demenz", berichtete Dr. Frank Bergmann aus Aachen.
In der prospektiven, multizentrischen, parallelen Anwendungsbeobachtung sind 2000
Patienten in 500 Praxen von Neurologen, Internisten sowie Allgemeinärzten und praktischen
Ärzten erfasst. Die Behandlung erfolgt über 12 Monate mit Galantamin (n = 1500) oder
Nootropika wie Piracetam oder Ginkgo (n = 500), je nach individueller Therapieentscheidung
des jeweiligen Arztes. Von jedem Patienten werden Vitalparameter erfasst, zudem das
Krankheitsstadium (GDS = Global Deterioration Scale/FAST = Functional Assessment Staging),
die kognitive Funktionsfähigkeit (MMST = Mini-Mental-Status-Test), die Demenz-Medikation
sowie Begleitmedikationen und unerwünschte Ereignisse. Daneben werden Demenz-assoziierte
Symptome, Zeitpunkt einer Heimeinweisung, Belastung der pflegenden Person sowie die
Pflegezeit dokumentiert. Ein externes Institut (Clinical Research Organisation) erfasst
die Daten online, was ein zeitsparendes Handling und automatisierte Abläufe ermöglicht.
Durch elektronische Dokumentationsbögen, automatische Plausibilitätsprüfungen und
Online-Schulungen zur Erfassung unerwünschter Ereignisse wird die Qualität erhöht.
Zudem werden die anonymisierten Daten durch ein Monitoring überprüft. "Das ist ein
neuer intelligenter Ansatz, die Qualität von Anwendungsbeobachtungen zu erhöhen und
die Verträglichkeit eines Medikamentes nach Zulassung zu dokumentieren", freute sich
Bergmann, "auch die Verbindung mit der Pflegestufe wurde bisher noch nicht untersucht".
ts
Quelle: Pressekonferenz "Reminder: Langzeittherapie der Demenz unter naturalistischen
Bedingungen", April 2006 in Wiesbaden. Veranstalter: Janssen Cilag GmbH, Neuss.
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Bei Fragen oder Teilnahmewünschen können sich Ärzte und Ärztinnen telefonisch unter
0641/43178857 oder per Email über Email: info@alcedis.de, Stichwort "Reminder", melden.
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