Viszeralchirurgie 2006; 41(4): 237-240
DOI: 10.1055/s-2006-942099
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Evidenzbasierte laparoskopische Chirurgie: Appendizitis

Evidence-based Laparoscopic Surgery: AppendicitisT. Vowinkel1 , N. Senninger1
  • 1Klinik und Poliklinik für Allgemeine Chirurgie, Universitätsklinikum Münster
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
10. August 2006 (online)

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Einleitung

Nahezu ein Jahrhundert lang galt die offene Appendektomie (OA) als Therapie der Wahl für das Erkrankungsbild der akuten Appendizitis [1]. Seit der Erstbeschreibung der laparoskopischen Appendektomie (LA) durch Semm 1983 [2] werden die Vor- und Nachteile der jeweiligen Operationstechnik kontrovers diskutiert. Im Gegensatz zur laparoskopischen Cholezystektomie, die sich innerhalb weniger Jahre als Standardverfahren in der Behandlung der symptomatischen Cholezystolithiasis durchgesetzt hat [3], ist weiterhin unklar, ob die laparoskopische Technik auch das Standardverfahren bei der Appendizitisbehandlung darstellen sollte. So wird nach der aktuellen Datenlage aus den Vereinigten Staaten, der Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung in Deutschland sowie einer eigenen Erhebung unter deutschen Kliniksdirektoren und Chefärzten heutzutage immer noch mehrheitlich die OA zur Therapie der akuten Appendizitis durchgeführt [4] [5] [6]. Und dies obwohl zahlreiche retrospektive Analysen und prospektiv-randomisierte kontrollierte Studien Vorteile der LA beschreiben. Befürworter der LA propagieren die verbesserte Wundheilung, verminderte Schmerzen, zügigere Rekonvaleszenz, kürzere Krankenhausaufenthaltsdauer und den diagnostischen Wert des Verfahrens, während Kritiker die höheren Kosten, verlängerte Operationszeiten und die erhöhte Rate intraabdomineller Abszesse als Gegenargumente aufführen. Tatsächlich zählt neben der Cholezystektomie die Appendektomie zu den häufigsten abdominellen Eingriffen und rund 8 % der Bevölkerung werden im Laufe ihres Lebens appendektomiert [7]. Umso wichtiger erscheint bei einer derart häufigen Diagnose die Definition eines standardisierten Vorgehens zur Erhöhung der Sicherheit für den Patienten und nicht zuletzt für den Chirurgen. Ziel der vorliegenden Arbeit ist daher die evidenzbasierte Untersuchung der Vor- und Nachteile der LA im Vergleich zur OA als Therapie der akuten Appendizitis.

Neben zahlreichen prospektiv randomisierten kontrollierten Studien die die LA mit der OA vergleichen, besitzen Metaanalysen den höchsten Evidenzgrad (Tab. [1]). Alle Metaanalysen und systematischen Übersichtsartikel beschreiben die methodische Qualität der Mehrzahl der Studien als „poor to moderate” [8]. Vor allem uneinheitliche Randomisierungen und unterschiedliche Ein- und Ausschlusskriterien tragen zur Heterogenität der Ergebnisse bei. So stellen Sauerland und seine Kollegen in ihrer Metaanalyse für die Cochrane Collaboration fest, dass nur zwei Drittel der Studien eine nachvollziehbare adäquate Randomisierung vorgenommen haben [8]. Weiterhin kann eine Verzerrung in der Statistik durch zu geringe Patientenzahlen entstehen [9]. Nur selten beträgt die Zahl der eingeschlossenen Patienten zum Vergleich der LA versus OA mehr als 200. Bis heute sind zwei Studien aus Schweden und Dänemark, die 500 beziehungsweise 583 Patienten eingeschlossen haben, die größten prospektiv randomisierten Datensammlungen [10] [11]. Diese beiden Studien haben wiederum den Nachteil, dass aufgrund der multizentrischen Ausrichtung und beispielsweise der Beteiligung von 85 Chirurgen in der schwedischen Studie die Ergebnisse sehr variabel sind. Die Aktualität und gleichermaßen das Dilemma der Diskussion um das adäquate Therapieverfahren machen die beiden jüngsten prospektiv randomisierten Studien zur LA und OA, in denen jeweils 247 [12] und 252 Patienten [13] eingeschlossen wurden, deutlich. Während Olmi und seine Kollegen das laparoskopische Vorgehen eindeutig favorisieren, sollte nach Meinung der Arbeitsgruppe um Katkhouda die Verfahrenswahl nach Vorliebe des Patienten und Operateurs entschieden werden. Im Folgenden sollen einzelne Aspekte, an denen sich der Wert der LA messen lassen sollte, separat analysiert werden.

Tab. 1 Ergebnisse von sieben Metaanalysen zur Therapie der akuten Appendizitis Sauerland 1998 22 Chung 199923 Garbutt 199924 Golub 199825 Temple 199926 Sauerland 20048 Aziz 200627 Σ Studienanzahl (n) 28 17 11 16 12 54 23 Operationszeit LA > OA LA > OA LA > OA LA > OA LA > OA LA > OA LA = OA LA ≥ OA Gesamtkomplikationen LA = OA N/A LA = OA LA = OA N/A N/A LA = OA LA = OA Wundinfektionen LA < OA LA < OA LA < OA LA < OA LA < OA LA < OA LA < OA LA < OA intraabdominelle Abszesse LA > OA LA > OA LA > OA LA > OA LA = OA LA > OA LA > OA LA ≥ OA Schmerzen LA < OA LA < OA LA < OA LA < OA N/A LA < OA N/A LA < OA stationärer Aufenthalt LA < OA LA = OA LA = OA LA < OA LA = OA LA < OA LA < OA LA ≤ OA Rückkehr zu normaler körperlicher Aktivität LA < OA LA < OA LA < OA LA < OA LA < OA LA < OA N/A LA < OA LA = Laparoskopische Appendektomie, OA = Offene Appendektomie, N/A = keine Angabe

Literatur

Professor Dr. med. Norbert Senninger

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