Aktuelle Dermatologie 2006; 32(10): 413-417
DOI: 10.1055/s-2006-944623
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mechanismen der Autoimmunität

Mechanisms of AutoimmunityM.  Kasperkiewicz1 , D.  Zillikens1
  • 1Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie, Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck
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Dr. Michael Kasperkiewicz

Klinik für Dermatologie, Allergologie und Venerologie Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck

Ratzeburger Allee 160 23538 Lübeck

Email: Michael.Kasperkiewicz@uk-sh.de

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Publication Date:
17 October 2006 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Autoimmunität entsteht als Folge verschiedener, sich gegenseitig beeinflussender Faktoren, die insgesamt ein Versagen oder den Zusammenbruch der Autotoleranz verursachen. Durch Verwendung molekularbiologischer Techniken ist das Wissen über die Mechanismen von Autoimmunerkrankungen in den letzten Jahren gestiegen. Dies betrifft im Bereich der Dermatologie insbesondere die Kollagenosen und blasenbildenden Autoimmundermatosen. Bei den meisten Autoimmunerkrankungen besteht eine Assoziation mit bestimmten MHC Klasse I- und II-Molekülen. Die immunologischen Mechanismen, welche die Autoimmunität beeinflussen, beinhalten Störungen der Lymphozytenselektion und peripherer Toleranzvorgänge, polyklonale Aktivierung autoreaktiver Lymphozyten, Kreuzreaktionen zwischen Antigenen und Störungen in der Regulation von Lymphozytenreaktionen. Infektionen, Medikamente, Gewebeschädigungen, hormonale Faktoren, UV-Licht und Malignome tragen ebenfalls zum Entstehen von Autoimmunerkrankungen bei. Das verbesserte Verständnis der Pathomechanismen der Autoimmunität lässt für die Zukunft neue immunmodulatorische Therapieansätze erhoffen.

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Abstract

Autoimmunity originates as a result of different, mutually influencing factors together causing the failure or breakdown of self-tolerance. By use of biomolecular techniques, knowledge of the mechanisms of autoimmune diseases has extended during the recent years. In dermatology, this concerns in particular connective tissue and autoimmune bullous diseases. For most autoimmune diseases, an association exists with certain MHC class I and II molecules. The immunological mechanisms underlying autoimmunity include disturbances in the selection of lymphocytes and peripheral tolerance processes, polyclonal activation of autoreactive lymphocytes, cross-reactions between antigens and failure in the regulation of lymphocytic reactions. Infections, drugs, tissue damages, hormonal factors, ultraviolet light and malignomas may also contribute to the induction of autoimmune diseases. Increasing knowledge on the pathomechanisms of autoimmunity, may lead to novel immunomodulatory strategies in the future.

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Einleitung

Eine zentrale Eigenschaft des Immunsystems ist seine Fähigkeit, zwischen körpereigenen und fremden Antigenen unterscheiden zu können. Der Entwicklung von Autoimmunerkrankungen liegt ein Zusammenbruch oder eine Umgehung der Selbsttoleranz zugrunde. Während Fortschritte der Molekularbiologie in den letzten Jahren zur Aufklärung der Struktur zahlreicher Zielantigene beitrugen, ist die Ursache der Autoantikörperbildung immer noch weitgehend unklar. Diskutiert werden unter anderem genetische, immunologische, infektiöse und medikamentöse Mechanismen ([Abb. 1]). Das Spektrum der Autoimmunerkrankungen ist vielgestaltig, wobei die Haut bei systemischen Autoimmunkrankheiten (z. B. Kollagenosen), bei organspezifischen Autoimmunerkrankungen anderer Organe (z. B. prätibiales Myxödem beim M. Basedow) und bei Erkrankungen, die durch Autoantikörper gegen Strukturproteine der Haut hervorgerufen werden (blasenbildende Autoimmundermatosen), betroffen sein kann ([Tab. 1]).

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Abb. 1 Mögliche Induktion von Autoimmunität. Neben genetischen Faktoren, die eine gewisse individuelle Prädisposition bedingen, können unter anderem auch immunologische Faktoren, die z. T. auch genetische Ursachen haben, sowie mikrobielle, medikamentöse, hormonale und Umweltfaktoren eine Autoimmunität hervorrufen.

Tab. 1 Autoantikörper bei dermatologischen Erkrankungen
Kollagenosen Spezifität der Autoantikörper
SLE ds DNS, Sm, 28S RNS
SCLE, Sjögren-Syndrom,
neonatales LE-Syndrom
Ro/La
Medikamenten-
induzierter LE
Histone H2A, H2B
Mixed connective
tissue disease
U1 RNP
CREST-Syndrom Antizentromer
Diffuse systemische Sklerodermie Scl-70
Dermatomyositis-Sklerodermie-overlap PM-Scl
Poly(Dermato-)myositis Jo-1
bullöse Autoimmundermatosen Spezifität der Autoantikörper
Pemphigus vulgaris Desmoglein 3, 1, Desmocollin
Pemphigus foliaceus Desmoglein 1
Medikamenten-induzierter Pemphigus Desmoglein 1, 3
Paraneoplastischer Pemphigus Desmoglein 3, 1; Desmoplakin I, II
Periplakin, Envoplakin; Plectin,
BP 230, 170 kD-Protein
Bullöses Pemphigoid BP 180, BP 230
Schleimhautpemphigoid BP 180, Laminin 5, α6β4-Integrin
Pemphigoid gestationis BP 180, BP 230
Lineare IgA-Dermatose BP 180
Epidermolysis bullosa acquisita Typ VII Kollagen
Bullöser SLE Typ VII Kollagen
Dermatitis herpetiformis Gewebstrasglutaminase, Gluten,
Gliadin, Endomysium
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Genetische Faktoren

Als mögliche Voraussetzung für die Entwicklung einer Autoimmundermatose wurde bei einigen Krankheitsbildern eine erhöhte genetische Suszeptibilität der Patienten nachgewiesen (Übersicht in [1]). Bezüglich der Prädisposition für Autoimmunität richtet sich das Hauptinteresse derzeit auf die MHC-Gene. Hierzu werden mehrere Hypothesen diskutiert. (a) Die erste berücksichtigt die Rolle von MHC-Molekülen beim Aufbau des individuellen Antigen-spezifischen T-Zell-Repertoires während der Reifung im Thymus. Die Anwesenheit eines speziellen Haplotyps könnte infolge positiver und negativer Selektionsprozesse zum Überleben autoreaktiver T-Lypmphozyten führen und somit zur Störung der immunologischen Toleranz prädisponieren. (b) Eine zweite Hypothese zielt auf die MHC-Moleküle als wichtige Strukturen bei der Selektion und Präsentation von Peptiden durch Antigen-präsentierende Zellen (APCs). Abhängig von Größe, Form und biochemischen Eigenschaften des am distalen Ende des MHC-Moleküls gelegenen Peptidspaltes können bei der Selektion von antigenen Epitopen im Rahmen der Antigenpräsentation durch APCs verstärkende oder hemmende Effekte ausgelöst werden. Im Tierversuch kann man so durch Experimente, bei denen durch Mutation die distale Aminosäuresequenz des MHC-Peptids verändert wird, die Selektion und Präsentation von antigenen Epitopen an autoreaktive T-Zellen beeinflussen. (c) Die dritte Hypothese identifiziert die MHC-Moleküle selbst mit den Autoantigenen. Die Durchbrechung der Toleranz geschieht hierbei als Folge der Ähnlichkeit von Aminosäuresequenzen der HLA-Moleküle mit antigenen Peptiden infektiöser Herkunft (molecular mimicry). So könnte eine normale immunologische Antwort auf exogene Peptide in ein Autoimmungeschehen gegen eigene HLA-Determinanten wechseln. MHC-Gene bestimmen somit in entscheidendem Maße über Krankheitsresistenz und Empfänglichkeit sowie über chronisch veränderte Immunantworten [2].

Bei den Kollagenosen wurde z. B. für den SLE unter Kaukasiern eine vermehrte Assoziation mit HLA-DR3 und -DR2 beschrieben. Es bestehen auch Hinweise für MHC-Assoziationen mit bestimmten Verläufen und distinkten Autoantikörperspezifitäten, wobei Anti-Ro-Antikörper vermehrt bei DR3-positiven Haplotypen mit Hautbeteiligung und hoher CD4/CD8-Ratio vorkommen, während DR2-Haplotypen vermehrt Anti-ds-DNS Antikörper bilden, zur Nierenbeteiligung neigen und eine eher erniedrigte CD4/CD8-Ratio aufweisen [3] [4] [5].

Auch bei den bullösen Autoimmundermatosen besteht in einigen Fällen ein gehäuftes Vorkommen mit bestimmten HLA-Mustern und ein Zusammenhang mit autoreaktiven T-Lymphozyten. Auf eine Beteiligung von CD4+ T-Lymphozyten z. B. in der Pathogenese des Pemphigus vulgaris weist die starke Assoziation mit HLA-DRβ1*0402 und HLA-DQβ1*0503 hin [6]. Für den häufigsten Vertreter der bullösen Autoimmundermatosen, dem bullösen Pemphigoid, wurden ebenfalls autoreaktive T-Helfer-Zellen nachgewiesen. Interessanterweise soll bei dieser Erkrankung die Epitop-Erkennung ebenfalls durch bestimmte HLA-II-Allele, v. a. HLA-DQβ1*0301, eingeschränkt sein [7] [8]. Die Tatsache, dass die mit Autoimmunität assoziierten MHC-Haplotypen auch in hoher Frequenz bei gesunden Individuen gefunden werden, liegt darin begründet, dass mehrere genetische Loki involviert sind und andere Faktoren eine zusätzliche Rolle spielen.

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Toleranzmechanismen

Um Autoimmunität zu verhindern sind Prozesse wichtig, die sicher stellen, dass unter den Lymphozyten, die sich in den zentralen lymphatischen Organen zur Reife differenzieren, möglichst keine autoreaktiven Klone vorhanden sind (zentrale Toleranz). Autoreaktive Lymphozyten, die diesem Selektionsprozess entgehen und funktionelle Reife erlangen, können auch zu einem späteren Zeitpunkt, in der Peripherie, inaktiviert werden (periphere Toleranz).

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Zentrale Toleranz

Die Deletion autoreaktiver T-Zellen ist der Hauptmechanismus der T-Zelltoleranz. Körpereigene Proteine werden verarbeitet und in Assoziation mit eigenen MHC-Molekülen auf antigenpräsentierenden Zellen des Thymus präsentiert. T-Lymphozyten, deren Rezeptoren eine zu geringe Affinität für diese Peptid/MHC-Komplexe aufweisen, erhalten keine positiven Signale zum Überleben. Andere T-Zellen mit sehr hoher Affinität werden zur Apoptose veranlasst, und dieser Prozess wird als sog. negative Selektion bezeichnet. Die restlichen Zellen mit intermediärer Affinität ihres Rezeptors reifen im Thymus und emigrieren schließlich als potenziell autoreaktive Lymphozyten ins Blut (positive Selektion). Nicht alle Antigene kommen im Thymus vor und führen zur T-Zellselektion, deshalb sind periphere Mechanismen notwendig, um die Entwicklung autoimmunologischer Prozesse zu verhindern (Übersicht in [9]) ([Abb. 2]).

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Abb. 2 Zentrale und periphere Toleranzmechanismen. Zentrale Toleranz: Im Thymus werden T-Zellen mit sehr hoher bzw. niedriger Affinität des T-Zellrezeptors für MHC-Moleküle durch aktive Deletion eliminiert. T-Zellklone mit intermediärer Affinität erfahren eine positive Selektion und gelangen in die Peripherie. Periphere Toleranz: In die Peripherie ausgewanderte T-Zellen können hier noch durch Deletion, Anergie und Suppression beseitigt werden.

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Periphere Toleranz

Sowohl Deletion, Anergie als auch Suppression werden als Sicherheitsmechanismen zum Aufrechterhalten der Autotoleranz in den Fällen postuliert, in denen es einigen autoreaktiven T-Zellen gelingt, der negativen Selektion zu entweichen und in die Peripherie zu gelangen.

Deletion kommt v. a. im Zusammenhang mit einem plötzlichen Auftreten hoher Antigenmengen vor, z. B. bei Verbrennungen und viralen Infektionen der Haut oder nach Injektion von Superantigenen [10] [11]. Die Deletion autoreaktiver T-Zellen wird durch apoptotische Prozesse vermittelt und involviert den Apoptose-induzierenden Fas-Rezeptor (CD95) und seinen Liganden (FasL). Sowohl Fas als auch FasL wird auf aktivierten T-Zellen exprimiert, so dass die Interaktion dieser beiden Moleküle zur Apoptose führen kann.

Anerge T-Zellen sind dadurch charakterisiert, dass diese nach Antigenerkennung kein IL-2 produzieren und somit nicht vollständig aktiviert werden bzw. deutlich weniger proliferieren. Dabei können unterschiedliche Faktoren zur Anergieinduktion in T-Zellen führen:

  1. Fehlen des zweiten kostimulatorischen Signals. Aktivierte T-Lymphozyten exprimieren CD152 (CTLA-4). Die Interaktion von CD152 mit auf antigenpräsentierenden Zellen exprimierten kostimulatorischen Molekülen CD80 und CD86 hat eine Inhibition der T-Zellaktivierung zur Folge, und eine CD152-Blockade begünstigt die Entwicklung verschiedener Autoimmunerkrankungen im Mausmodell [12] [13].

  2. „Altered peptide ligands”. Der T-Zell-Rezeptor einer autoreaktiven Zelle wird normalerweise durch seinen Ligand-MHC-Komplex voll stimuliert. Eine Änderung des immundominanten Selbst-Epitops führt zu einem „altered peptide ligand”, der nach Interaktion mit der autoreaktiven T-Zelle neben einer Verschiebung des Th1/Th2 Zytokinprofils auch zur Anergie der T-Lymphozyten führen kann [14].

  3. Direkte Beeinflussung von dendritischen Zellen. Dendritische Zellen stellen die potentesten antigenpräsentierenden Zellen dar und sind neben ihrer Rolle bei der Immunabwehr gegen Fremderreger ein wichtiger Faktor bei der Auslösung von Autoimmunerkrankungen durch Präsentation von Autoantigenen an autoreaktive T-Zellen [15]. Durch Behandlung mit entsprechenden Zytokinen bzw. Zytokinkombinationen können dendritische Zellen vom immunogenen in einen tolerogenen Stand gebracht werden. Z. B. können humane dendritische Zellen nach Behandlung mit IL-10 sowohl in CD4+- als auch CD8+-T-Zellen eine alloantigen- oder peptidspezifische Anergie induzieren, die zusätzlich Suppressoreigenschaften besitzen [16] [17]. Die Bildung sog. regulatorischer T-Zellen gehört zum dritten Mechanismus der peripheren Toleranz und beruht auf der Fähigkeit, die Aktivierung anderer T-Lymphozyten und antigenpräsentierender Zellen zu supprimieren (Übersicht in [18] [19]). Eine weitere Population stellen CD4+/CD25+-T-Zellen dar, die sowohl bei der Maus als auch bei Menschen nicht-antigenspezifische, regulatorische Effekte haben [20]. Dabei könnten CD152, TGF-β und IL-10 zur Kontrolle autoreaktiver T-Zellen beitragen [21] [22] [23]. Die regulatorische Funktion von Th-Zellen wird wahrscheinlich durch unreife oder inkomplett gereifte dendritische Zellen initiiert [23].

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Die Rolle von Mikroorganismen

Potenziell autoreaktive Lymphozyten, die den Mechanismen der zentralen und peripheren Toleranz entgangen sind, können durch unterschiedliche „Trigger” aktiviert werden und zu Autoimmunerkrankungen führen. Für zahlreiche dermatologische Autoimmunerkrankungen werden Infekte als auslösende Ursachen angesehen. So ist beispielsweise die eruptive Psoriasis vulgaris häufig mit einer Streptokokkenpharyngitis, der brasilienische Pemphigus foliaceus möglicherweise mit einem vektorübertragenden viralen Faktor und der murine SLE eventuell mit Retroviren und ihren Genprodukten assoziiert [24] [25] [26]. Unterschiedliche Mechanismen könnten dabei für eine Autoimmunreaktion verantwortlich sein:

  1. Molekulare Mimikry ist die populärste Hypothese. Mikrobielle Antigene mit Homologie zu körpereigenen Antigenen führen dabei durch Umkehr der Immunantwort gegen das eigentliche infektiöse Agens in eine Autoimmunreaktion gegen das immunologisch ähnliche Selbst-Peptid.

  2. Beim antigenunspezifischen Modell der Bystander-Aktivierung werden autoreaktive T-Zellen, die für das Autoantigen X spezifisch sind, während einer z. B. gegen das virale Antigen Y gerichteten Immunantwort aktiviert. Der durch die Entzündung herbeigeführte Gewebeschaden könnte zur Freilegung von kryptischen Autoantigenen führen, die dann den autoreaktiven Zellen präsentiert werden. Außerdem entsteht durch die Entzündung ein lokales Milieu mit der Folge einer vermehrten Expression von MCH-Molekülen bzw. verstärkter Zytokinsekretion und schließlich der Aktivierung von „Bystander”-T-Zellen.

  3. Einen weiteren Mechanismus stellen Superantigene dar. Diese durch viele Pathogene produzierten Peptide können durch Bindung außerhalb des T-Zellrezeptors und der MHC-Peptidbindungsgrube zur Aktivierung von Lymphozyten führen. Diese Peptide sind somit nicht auf MHC-Moleküle beschränkt, werden nicht durch antigenpräsentierende Zellen prozessiert und sind nicht von spezifischer T-Zell-Erkennung abhängig, zumal sie an nicht polymorphe, variable T-Zell Vβ-Ketten binden. Superantigene, die üblicherweise mehr als eine Vβ-Kette erkennen, können im Vergleich zur spezifischen Peptiderkennung mehr als 100 000-mal mehr T-Lymphozyten aktivieren. Bei einer Infektion könnten somit Superantigene nicht nur polyklonale T-Zellen, sondern auch die potenziell autoreaktiven Zellen aktivieren und die immunologische Toleranz durchbrechen.

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Induktion durch Medikamente

Geringfügige Veränderungen in der Antigenstruktur können zu einem Toleranzverlust und damit zu einer gegen körpereigene Epitope gerichteten Immunreaktion führen. Neoantigene entstehen zum Beispiel bei medikamenteninduzierter Autoimmunität. Das Medikament bindet an autologe Polypeptide und verändert diese derart, dass sie in veränderter, nicht mehr tolerogener Konformation präsentiert werden. Zusätzlich kann das Medikament eine normale Antigenverarbeitung verhindern und dadurch eine Präsentation eines normalerweise nicht präsentierten Peptides bewirken, z. B. statt der Sequenz aa 780 - 800 eines Proteins, gegen das Toleranz besteht, würde das Peptid aa 850 - 860 präsentiert, gegen das keine Toleranz besteht.

Auf dem Gebiet der Dermatologie konnten verschiedene Medikamente als Kofaktoren für die Auslösung von Autoimmunkrankheiten identifiziert werden. Meist bilden sich die klinischen Symptome nach Absetzen zurück, können aber bei Wiedereinnahme rezidivieren. Bei den bullösen Autoimmundermatosen der Pemphigusgruppe können sulfhydrylhaltige Medikamente vermutlich direkt mit Desmosomen interferieren und zur Störung der Bindung desmosomaler Proteine führen. Lediglich nach Einnahme von Penicillamin ist medikamenteninduzierter Pemphigus nennenswert häufig und tritt bei ca. 7 % der über 6 Monate behandelten Personen auf, wobei es sich dann überwiegend um einen Pemphigus foliaceus handelt [27]. Daneben liegen Berichte über eine medikamentöse Induktion von bullösem Pemphigoid (Furosemid), Schleimhautpemphigoid (Penicillamin) und linearer IgA-Dermatose (Vancomycin) vor [27] [28] [29]. Innerhalb der Gruppe der Kollagenosen sind Hydralazin, Procainamid und Isoniazid für ihre SLE-induzierende Fähigkeit bekannt, wobei neben einem gestörten Medikamentenmetabolismus (langsamer Acetylierungsstatus) Interaktionen mit DNS, Immunzellen oder Komplement mögliche Mechanismen darstellen [30].

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Andere Faktoren

Neben den bereits erwähnten Vorgängen als auslösende Mechanismen können verschiedene andere Bedingungen als Kofaktoren für die Auslösung von Autoimmunerkrankungen eine wichtige Rolle spielen. Die Bedeutung von Hormonen geht aus einer Vielzahl von empirischen Beobachtungen hervor und trifft vor allem für den SLE zu: die Gynäkotropie, die Verschlechterung durch Schwangerschaft und Östrogenzufuhr sowie die erhöhten Spiegel des stark feminisierenden Östrogenmetaboliten 16-Hydroxyöstron bei Patientinnen mit Autoimmunerkrankungen [2]. Auch kann UV-Licht, möglicherweise durch Änderungen der Zellkernantigenität, die zu erhöhter Immunogenität führt, SLE-Schübe auslösen [31]. Eine Induktion durch Malignome ist z. B. für den paraneoplastischen Pemphigus beschrieben, wobei als Ursache Kreuzreaktivitäten von Autoantikörpern, die gegen Tumorantigene gerichtet sind, mit desmosomalen Strukturen vermutet werden oder die Bildung autoreaktiver Lymphomzellklone [32].

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Ausblick

Der Einsatz neuer Untersuchungsmethoden und das zunehmende Wissen über Autotoleranz haben in den letzten Jahren auch zu neuen Erkenntnissen über die Induktion von Autoimmunität geführt. Weitere Untersuchungen zur Identifizierung von Antigenen und Toleranzmechanismen könnten neben der Klärung pathophysiologischer Faktoren auch Wege zu spezifischeren und nebenwirkungsärmeren Therapiekonzepten eröffnen. Diese Strategien dürften unter anderem Vakzinierungen und die Induktion immunologischer Toleranz unter Verwendung rekombinanter Formen der Autoantigene einschließen.

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Dr. Michael Kasperkiewicz

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