Aktuelle Dermatologie 2006; 32(12): 527-532
DOI: 10.1055/s-2006-945004
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die rote Frau

The Red LadyB.  M.  Hausen1
  • 1Dermatologisches Zentrum, Elbeklinikum Buxtehude
Further Information

Prof. Dr. Björn M. Hausen

Dermatologisches Zentrum
Elbeklinikum Buxtehude

Am Krankenhaus 1
21684 Buxtehude

Email: b.hausen@elbekliniken.de

Publication History

Publication Date:
15 December 2006 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Der Wunsch aufzufallen verleitet Frauen nicht selten dazu, durch rote Jacken, Hosen, Röcke, Blusen, Unterwäsche, Handtaschen, Schuhe, Brillen und Schmuckstücke Aufmerksamkeit zu erregen. Auch in ihrer häuslichen Umgebung findet man bevorzugt rote Gegenstände, wie Tischdecken und Vorhänge im Wohnzimmer, rote Sitze im Auto, eine Vorliebe für Tomaten, Erdbeeren, Himbeeren und deren Säfte sowie Alkoholika (z. B. Campari). Der Kontakt mit roten Artikeln führte in drei Fällen zu Hautveränderungen am Hals (Schal, Kordel eines Schmuckstücks), an den Beinen (Strumpfhosen, Stiefel), auf dem Kopf (rote Mütze), dem Nasenrücken und hinter den Ohren durch eine Brille. Im Epikutantest reagierten alle drei Frauen auf p-Phenylendiamin, p-Aminoazobenzol und Dispersionsorange 3. Im ersten Fall kamen acht weitere Dispersionsfarbstoffe hinzu, darunter fünf rote und Basic red 46. Die dritte Patientin sprach auch auf p-Toluylendiamin und Noxen aus anderen Stoffgruppen an. Nach Umstellung auf andersfarbige Kleidungsstücke, Tausch der Brillen, Meiden von Griffen, Aufgeben des Haarefärbens und Auswechseln eines Wachstuchs klangen die Beschwerden ab.

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Abstract

Some women believe that they can attract attention (especially of men) by wearing red skirts, trousers, shorts, blouses, gloves, handbags, underwear, glasses and jewelry. Red cloth covers their tables, red curtains reduce daylight, tomatoes, strawberries, raspberries, cherries and their juices rule in the kitchen and even the seats in their car are red. Frequent contact with these red items caused eczema in three women presenting with itching, redness and swelling of their neck (shawls, red leather cord), legs (boots, panty hoses), the top of their head (red cap), the bridge of the nose and behind the ears (glasses). Patch tests revealed specific hypersensitivity to p-phenylene diamine, p-aminoazobenzene and disperse orange 3 in all three women. The first patient reacted to eight further dyes including five red ones and basic red 46. The third woman had acquired contact allergy to p-toluene diamine and four other allergens. Avoiding red items, changing their glasses, wearing other clothes and colors, terminating hair dyeing and exchanging an oilcloth of the garden table subsided the skin reactions in all three of them.

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Einleitung

Viele Leute haben seltsame Angewohnheiten. In der Regel sind diese harmlos, manchmal sogar liebenswert. Doch in einigen Fällen kann eine Liebhaberei recht unvorhersehbare, negative, oder sogar Schaden bringende Auswirkungen haben. Über drei Personen mit einem Spleen soll hier berichtet werden.

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Kasuistik

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1. Fall

67-jährige ehemalige Bürokauffrau. Sie verbrachte drei Lehrjahre in einer Mühle, arbeitete später in einer Krankenkasse und wechselte zuletzt in ein Musikhaus. Im Jahre 2004 befand sie sich anderthalb Wochen wegen einer lymphomatoiden allergischen Kontaktdermatitis in stationärer Behandlung. Bei der Aufnahme zeigten sich infiltrierte, scharf begrenzte Erytheme an den Schultern und Oberarmen sowie eine Lichenifikation an den Händen, in den Ellenbeugen und im Nacken. Sie berichtete über erstmaliges Auftreten roter Flecken auf dem Rücken, am Hals und an den Oberarmen im Jahre 2000. Kein Hinweis auf Atopie. Aus zwei Testuntersuchungen der Jahre 2000 und 2001 liegen Allergieausweise mit positiven Testreaktionen auf p-Phenylendiamin (++) und Cinchocain (+) vor.

Die Patientin trägt „für ihr Leben gern” rot, z. B. rote Hosen, Schuhe ([Abb. 1]), Jacken, Hand-schuhe, Pullover. Nach intensivem Befragen zählt sie weitere rot gefärbte Gegenstände auf, wie Lippenstift, Handtasche, Portemonnaie, Brillenetui, Kunststoffbrille, Badetuch, rote Gummibänder, rote Sitze im Auto (Nobelmarke). Sie liebt rote Steine im Schmuck, alkoholische Getränke wie z. B. Campari, sowie Tomaten, Erdbeeren, Kirschen und deren Säfte. Auch die Tischdecke, Bettwäsche, teilweise auch Unterwäsche, Vorratsdosen, Besteck, Besen- und Bürstenstiele sind rot gefärbt. Sie sammelt rote Kugelschreiber und Fingerhüte. Freundinnen und Bekannten färbt sie gern die Haare. Textilien mit dunkleren Farbtönen werden nur selten getragen.

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Abb. 1 Rote Hose und Schuhe der 1. Patientin.

Hautveränderungen (HV) traten am Hals nach Tragen eines Schals und der roten Kordel eines Schmuckstücks auf ([Abb. 2]). Kribbeln und Juckreiz verspürte sie nach Tragen orangefarbener und dunkler Strumpfhosen in den Leisten und Kniekehlen, eine rote Mütze verursachte HV an den Ohren. Vor der Währungsumstellung erstand sie für ca. 11,- DM eine preiswerte Brille mit einem roten Etui ([Abb. 3] ). Ein halbes Jahr später entwickelte sich ein Ekzem hinter den Ohren und auf dem Nasenrücken, das sich stetig verschlimmerte. Schließlich gab die Patientin die Brille in eine Sammlung ab und ersetzte sie durch eine andere. Nach Kribbeln und Juckreiz in den Handinnenflächen mussten auch die schwarzen Griffe des Fahrrads ausgetauscht werden. Es liegt ein roter urtikarieller Dermographismus vor.

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Abb. 2 Rote Kordel in einem Schmuckstück (1. Patientin).

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Abb. 3 Rote Brille mit rotem Etui (1. Patientin).

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2. Fall

55-jährige Arzttochter. Auf ausdrücklichen Wunsch des Vaters erlernte sie den Beruf einer Kunstglaserin (Bleiverglasung von Kirchenfenstern). Nach der Lösung vom Elternhaus ließ sie sich sofort zur Arzthelferin umschulen und arbeitete anschließend 20 Jahre in der Praxis eines Chirurgen. Im Jahre 2004 verbrachte sie eine Woche auf der dermatologischen Station wegen des Verdachts einer polymorphen Lichtdermatose. Bei der stationären Aufnahme zeigte sie leicht gerötete Wangen mit Teleangiektasien, ein Ödem beider Unterlider und eine feine Schuppung und Rötung an beiden Ohren. Vor allem am Hals, diskreter auch an den Unterarmen, Handrücken und Streckseiten der Beine sah man unscharf begrenzte, leicht gerötete Ekzeme mit vereinzelten Purpura und follikulär gebundenen Papeln. Die zu jener Zeit durchgeführte Medikation bestand aus Ramipril, Metoprolol und Hydrochlorthiazid. Ein Photopatchtest war in einer Vortestung negativ ausgefallen.

Die Patientin liebt alles, was rot ist, z. B. rote Schuhe, T-Shirts, Schals, Halstücher und andere Kleidungsstücke, Winter- und Gummistiefel, Badeanzüge, Schlafanzüge und Hemden, Portemonnaie, Tomaten, Himbeeren, rote Paprika, Rotwein.

Nach Tragen dunkler Strumpfhosen und Stiefel kam es zu Ekzemen an den Unterschenkeln und dem Aufflammen alter Herde. Anlässlich einer Epikutantestung bei einem niedergelassenen Dermatologen flammten die alten Ekzemherde erneut auf, obwohl keine relevante Testreaktion erhalten wurde. Am Tage der Anreise zeigte sie am Hals eine deutliche Rötung durch einen roten Schal, den sie wegen des kalten Wetters umgelegt hatte ([Abb. 4]). Der mitgebrachte Allergieausweis enthielt nur Eintragungen über positive Pricktests auf Frühblüher, passend zu den beobachteten rhinokonjunktivitischen Beschwerden in der entsprechenden Jahreszeit. Ihre farbig überzogene Kunststoffbrille ([Abb. 5]) hatte zunächst auf dem Nasenrücken, dann auch hinter den Ohren und auf der Stirn ekzematische Veränderungen hervorgerufen. Diese Sehhilfe erstand sie vor einigen Jahren in einer Drogerie für 12,- DM. In einem späteren Gespräch äußerte die Patientin den Verdacht, die HV an ihren Unterarmen könnten möglicherweise von einem orangefarbenen Wachstuch auf dem Gartentisch herrühren.

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Abb. 4 Ekzematische Veränderung am Hals am Tage der Anreise der 2. Patientin.

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Abb. 5 Farbige Kunststoffbrille (2. Patientin).

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3. Fall

52-jährige Bürokauffrau, die seit der Ausbildung immer im gleichen Großhandel gearbeitet hat. Sie berichtete über Lidekzeme seit April 2004, Brennen der Augen bei Aufenthalt im Freien und Verschlechterung bei Birkenpollenflug. Der Pricktest bei einem Hautarzt verlief negativ, der Epikutantest (ECT) war positiv auf Duftstoffe, Diazolidinyl- und Imidazolidinylharnstoff. Es fehlten jedoch die entsprechenden Kreuzchen im Allergieausweis.

Die Patientin ist in die rote Farbe vernarrt. Sie besitzt folgende rote Gegenstände: Tischdecke, Topfuntersatz, Stuhlauflagen, Kaffeemaschine, Brotschneidemaschine, Arbeitsplatte in der Küche, Blumengießkanne, Topflappen, Handtücher, Seidenblumen, einen großen Fächer. Eine 20 Jahre alte Flurgarderobe ist rot, ebenso die Flurlampen, die Gardinenstangen, das Gardinenbrett, der Raffhalter, der Teppich, der Toilettendeckelbezug und die Handtuchhaken. Teile der Bettwäsche sind rot gemustert. Zu ihren bevorzugten Kleidungsstücken zählen rote T-Shirts, Pullover, Blusen, Socken, Kniestrümpfe, Jacken, Schuhe, Schals, Mützen, Handschuhe, Seidentücher und ein Badeanzug. Mit Vorliebe verwendet sie einen roten Tortenguss mit dem Farbstoff Cochenillerot (E 124).

Nach Wochenendausflügen mit einem neuen Automobil, das einen deutlichen „Neuwagengeruch” ausströmte, trat eine Verschlechterung der Lidekzeme auf. Die Oberlider schwollen an. Erst ein halbes Jahr später klangen die Beschwerden langsam ab. Sie informierte den Autohersteller über das Ergebnis des von uns durchgeführten Epikutantests und bat um Aufklärung darüber, ob ein Zusammenhang mit den gefundenen Allergenen bestehe könne.

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Allergologische, histologische und chemische Untersuchungen

Die Applikationsdauer beim ECT betrug 24 Stunden, die Ablesung erfolgte in der 72. Stunde, Testort war der Rücken.

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Fall 1

Neben der histologischen Untersuchung von Hautproben (Dr. Bernadette Schubert, Buxtehude) wurde ein ECT mit der Standardreihe (ST), Desinfektions- und Konservierungsmitteln (DK), Antioxidantien/Stabilisatoren (AS), Emulgatoren (E), Cinchocain, Toluolsulfonamid-Formaldehydharz und rotem Nagellack durchgeführt.

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Fall 2

Nach der histologischen Untersuchung mehrerer Hautproben und einer Lichtprovokation mit UVA und UVB (Lichttreppe) wurde ein ECT mit ST, DK, AS, E, Primin, Hydrochlorthiazid, Metoprolol, Ramipril und einer hauseigenen Textilreihe mit Veredelungsstoffen auf Harnstoffbasis vorgenommen. Herstellung eines Chloroformextraktes aus der mitgebrachten Brille (vier Stunden bei 40 °C) und dünnschichtchromatographische Analyse zum Nachweis von Dispersionsazofarbstoffen (DP) im Brillengestell. Anschließend präparative Aufarbeitung des Extraktes im Laufmittelsystem Chloroform - Methanol (100 + 1), Isolierung eines roten und eines gelben Farbstoffs (Ausbeute jeweils 1,1 mg) und deren Testung an der Patientin. Eine beim stationären Aufenthalt angeordnete Bestimmung der Antikörper fand aus unbekannten Gründen nicht statt.

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Fall 3

Die Patientin unterzog sich einem Pricktest mit 15 Atopenen, dem Atopiepatchtest und einem ECT mit ST, DK, AS und E. Bestimmung der Antikörper mittels CAP-Methode.

Nach dem Erhalt der Ergebnisse der obigen Untersuchungen wurden die Patientinnen mittels einer individuell zusammengestellten Reihe einer Nachtestung unterzogen. Diese enthielt neben Textil- und Lederinhaltsstoffen folgende Noxen: p-Toluylendiamin, 4,4’-Diamino-diphenylmethan, die Dispersionsfarbstoffe rot 1, rot 19, rot 54, rot 65, rot 167, rot 177, rot 179, rot 338, orange 1, orange 30, orange 37, die Lebensmittelfarbstoffe Cochenillerot (E 124), Carminsäure (E 120) und Basic red 46. Bei den oben genannten handelte es sich um Dispersionsfarbstoffe (DP) aus der Azofarbstoffgruppe. Sie lagen noch aus einer früheren Untersuchung vor (1). Da sie bereits im Jahre 1989 mittels präparativer Dünnschichtchromatographie aufgearbeitet worden waren, musste ihr Reinheitsgrad im oben erwähnten Laufmittelsystem jetzt erneut überprüft werden; er betrug 99,9 %.

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Ergebnisse

Die Ergebnisse der Epikutantestung sind in einer Tabelle aufgeführt. Übereinstimmend reagierten alle drei Patientinnen auf p-Phenylendiamin (PPD), p-Aminoazobenzol und DP orange 3. Zwei sprachen auch auf p-Toluylendiamin an. Individuelle Unterschiede ergaben sich vor allem bei den Farbstoffen ([Tab. 1]).

Tab. 1 Ergebnisse der Epikutantestung (72-Stundenablesung)
Testnoxen TestkonzentrationFall 1Fall 2Fall 3
p-Phenylendiamin 0,5 % +++ ++ +++
p-Aminoazobenzol 0,25 % +++ +++ +++
p-Toluylendiamin 1 % +++ ++
IPPD 0,1 % ++
Dispersionsorange 3 1 % +++ +++ +++
Dispersionsorange 13 1 % ++
Dispersionsrot 1 1 % ++
Dispersionsrot 13 1 % +
Dispersionsrot 17 1 % +++
Dispersionsrot 19 1 % ++-+++
Dispersionsrot 179 1 % ++
Dispersionsgelb 3 1 % ++
Dispersionsblau 106/124 1 % +++
Basic red 46 1 % ++(96 h)
Imidazolidinylharnstoff 2 % ++
Diazolidinylharnstoff 2 % ++
p-tert.-Butylhydrochinon 1 % ++(96 h)
Duftstoff-Mix (ST-Reihe) 8 % ++
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Fall 1

Die histologische Untersuchung bestätigte das Vorliegen einer lymphomatoiden allergischen Kontaktdermatitis. Eine Mycosis fungoides, Atopie und ein kutaner Lupus erythematodes konnten ausgeschlossen werden. Im ECT zeigten sich äußerst starke, z. T. sogar blasige Reaktionen auf die PPD-Abkömmlinge. Deutliche Reaktionen wurden auf sechs rote, zwei orangefarbene und zwei blaue Farbstoffe erhalten; Basic red 46 erreichte seinen Höhepunkt (++) erst in der 96-Stundenablesung. Insgesamt wurden 14 Noxen positiv. Die in einer Vortestung gefundene Reaktion auf Cinchocain ließ sich nicht bestätigen.

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Fall 2

Die Probebiopsien wurden sowohl außerhalb als auch aus dem Lichtprovokationsfeld selbst entnommen. Das histologische Bild entsprach einem makulo-papulösen Exanthem vom urtikariellen Typ. Differenzialdiagnostisch ließ sich der Befund als eine sehr frühe Läsion einer polymorphen Lichtdermatose interpretieren.

Sowohl der Gesamtextrakt aus der farbigen Oberflächenbeschichtung der Brille als auch der daraus isolierte rote und gelbe Farbstoff blieben negativ. Kein einziger der weiteren roten Farbstoffe verursachte eine Reaktion.

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Fall 3

Der Pricktest blieb negativ; die Histaminquaddel hatte einen Durchmesser von 6 mm. Der Atopiepatchtest ergab folgende Befunde: Hausstaubmilbe ++, Beifuß ++, Gräser +. Im CAP lag das Gesamt-IgE bei 124 IU/ml, das Knäuelgras zeigte Antikörper der Klasse II, Milcheiweiß und Eiklar der Klasse I. Die Patientin reagierte auf drei PPD-Abkömmlinge, die Konservierungsmittel Imidazolidinyl- und Diazolidinylharnstoff, das Duftstoffgemisch aus der Standardreihe und p-tert. Butylhydrochinon mit Höhepunkt (++) in der 96-Stundenablesung.

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Therapie und Verlauf

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Fall 1

Die Behandlung mit topischen Steroiden erfolgte in abnehmender Wirkungsstärke, die Pflege mit Harnstoff in einer Basissalbe. Kalium wurde in Form von Brausetabletten verabreicht.

Seit dem Abschlussgespräch mit ausführlicher Diskussion der Epikutantestergebnisse sind keine HV mehr aufgetreten. Alle rot gefärbten Sachen wurden weggegeben oder verschenkt. Die Patientin nahm die Aufforderung, alle roten Dinge zu meiden, jedoch so ernst, dass sie auch auf Tomaten, Erdbeeren, Kirschen und deren Säfte verzichtete. Dieses Missverständnis wurde ausgeräumt. Inzwischen hat die Patientin sich auch wieder eine rote Handtasche zugelegt, die keine ekzematischen Veränderungen an ihrer Haut hervorruft.

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Fall 2

Pflege mit einer Basiscreme, Kocherscher Handsalbe und Harnstoff in einer weiteren Basisgrundlage, Behandlung der Kopfhaut mit einem medizinischen Shampoo. Es wurde eine lichtdichte Kleidung und die Verwendung von Salben mit hohem Lichtschutzfaktor empfohlen. Seit Meiden des größten Teils der roten Dinge ist die Patientin erscheinungsfrei.

Sowohl das orangefarbene Wachstuch vom Gartentisch als auch die Brille wurden durch andere ersetzt.

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Fall 3

Unter der Therapie mit schwarzem Tee und fett-feuchten Umschlägen bildeten sich die Ödeme zurück. Im Zusammenhang mit dem Pollenflug auftretende Symptome werden prophylaktisch mit Augentropfen auf Chromoglicinsäurebasis angegangen. Obwohl die Lidschwellungen beim Autofahren nach einem halben Jahr verschwunden waren, ließ die Pat. nicht davon ab, den Autohersteller solange zu mahnen, bis schließlich ein Antwortschreiben auf ihre Anfrage einging.

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Diskussion

Alle drei Patientinnen reagierten auf p-Phenylendiamin, p-Aminoazobenzol und Dispersions-orange 3. Diese Konstellation findet man auch dann, wenn keine Bevorzugung der roten Farbe besteht. In solchen Fällen erübrigt sich eine aufgeschlüsselte Testung mit weiteren Dispersionsfarbstoffen, falls kein anamnestischer Hinweis auf eine Textilunverträglichkeit vorliegt, z. B. auf Strumpfhosen, Rockfutter und farbige Unterwäsche.

Die nachgewiesene PPD-Sensibilisierung erklärt die Reaktionen der ersten Patientin auf Fahrradgriffe und der zweiten auf Gartenstiefel.

Die erste Patientin reagierte auf sechs rote, zwei orangefarbene, einen gelben Dispersionsfarbstoff und das Farbstoffgemisch aus DP blau 106 und 124. PPD und p-Aminoazobenzol verursachten Reaktionen bis 27 mm Durchmesser, p-Toluylendiamin führte zu einer prall gefüllten Blase auf der Haut. Da alle roten Gegenstände verschenkt worden waren, konnte kein analytischer Nachweis der Farbstoffe vorgenommen werden. Die anamnestischen Angaben weisen auf einen langen und sehr intensiven Kontakt mit den von ihr so geliebten roten Artikeln hin. Nicht anders lässt sich erklären, warum die Patientin auf so viele Farbstoffe allergisch wurde. Sicherlich wären noch weitere Noxen gefunden worden, hätte die Möglichkeit bestanden, diese für den ECT zu akquirieren. Im Colour Index sind weit mehr als 500 rote Farbstoffe registriert, deren größter Teil zur Gruppe der Monoazo- und Diazoverbindungen zählt. Ihre Sensibilisierungspotenz liegt höher als die der Dispersionsfarbstoffe aus der Anthrachinongruppe [1].

Wachstücher und gelbe Regenschutzanzüge enthalten den mit PPD verwandten Vulkanisationsbeschleuniger 4,4’-Diaminodiphenylmethan, der jedoch bei unserer zweiten Patientin keine Reaktion hervorrief. Das ebenfalls negative Testergebnis auf den Gesamtextrakt und die beiden aus der Brille isolierten Farbstoffe ist unbefriedigend, darf aber nicht zu dem falschen Schluss führen, hier habe kein allergologisches Ereignis vorgelegen. Mehrfach gemachte und auch publizierte Beobachtungen zeigen, dass warmes Wetter und vermehrte Schweißbildung unter den Kontaktstellen der Brille mit der Haut zu ekzematischen Veränderungen auf dem Nasenrücken und hinter den Ohren führen können. Hierbei entstehen neue Produkte durch Einwirkung des Schweißes auf die Brilleninhaltsstoffe, denen offensichtlich eine allergene Wirkung zukommt [2]. Nur ein ECT mit dem Geschabsel, das bei warmem Wetter und bestehender Schweißeinwirkung direkt von der Kontaktstelle gewonnen wird, führt zu einem positiven Ergebnis. Im Nachhinein erinnerte sich die Patientin daran, nur an heißen Tagen die geschilderten HV beim Brillentragen beobachtet zu haben.

Obwohl bei der dritten Patientin acht Noxen positiv wurden, ließ sich kein Farbstoff finden, auf dessen schädigende Potenz die Vorliebe der Patientin für Rot zurückzuführen wäre. Auch Cochenillerot und Carminsäure blieben negativ.

Es dauerte mehr als ein halbes Jahr, bis die Betroffene auf ihr hartnäckiges Nachfragen vom Autohersteller eine Antwort erhielt. Das Schreiben wird hier im Originaltext wiedergegeben, da es von allgemeinem Interesse für PPD-Allergiker ist:

„Die p-Phenylendiamin-Stoffgruppe konnte bei stehendem Fahrzeug und hoher Temperatur nachgewiesen werden. Diese Diamin-Stoffgruppe wird als Katalysator in Schäumen und Klebern verwendet. Insgesamt reduziert sich die Emission aus Innenraumverkleidungen und Einbaumaterialien, die üblicherweise auch von anderen Automobilherstellern verwendet werden, nach einiger Zeit. Dies bedeutet, dass ähnlich wie der typische Neuwagengeruch nach einiger Zeit abnimmt, auch die Konzentration der Substanzen, die - Ihre - Allergie verursachen, nachlassen werden.”

Erfreulicherweise findet sich hier der konkrete Hinweis, dass PPD und dessen Derivate in der Autoherstellung verwendet und als Auslöser allergischer Symptome dingfest gemacht werden können. Wie die Patientin berichtete, ließen die Lidschwellungen in der Tat nach einem halben Jahr nach.

Dass eine selbst zu verantwortende Sensibilisierung einzelner Individuen auf die Vorliebe für die Farbe Rot zurückgeführt werden kann, lässt sich anhand der vorgestellten Fälle demonstrieren. Hier sind weder der Beruf noch die bekannten Allergene der Privatsphäre Ursache der Kontaktallergie, sondern allein die Eigenart der Patientinnen, sich mit vielen roten Dingen zu umgeben und zwangsläufig mit diesen häufig in Kontakt zu kommen. Besonders der erste Fall mit seinen sechs nachgewiesenen roten Allergenen ist dafür ein markantes Beispiel. Diese Sensibilisierung auf die roten Farbstoffe wurde zum Anlass genommen, den Artikel mit dem Titel „Die rote Frau” zu versehen.

Rot ist die erste Farbe, die ein Mensch wieder wahrnimmt, wenn er durch eine Hirnverletzung vorübergehend erblindet war. In steinzeitlichen Gräbern fand man in rotes Ockerpuder eingebettete Skelette von höhergestellten Persönlichkeiten. In der griechisch-römischen Götterwelt war Rot die Farbe des Phöbus (Sonnengott) und des Ares (Kriegsgott). Nur römischen Kaisern war es vorbehalten, purpurrot gefärbte Gewänder zu tragen. Ihre Gattinnen brachten in rot ausgeschlagenen Gemächern ihre Kinder zur Welt. Ein derart hochwohlgeborener Knabe wurde daher als „porphyrogenitus” (Purpurgeborener) bezeichnet. Infrarotstrahlung wirkt anregend und dient Heilzwecken. Sowohl die Natur kennt Rot als Signalfarbe (z. B. rote Beeren, Rot als Balzfarbe bei Tieren) als auch die Erotik (rote Lippen, „Rotlichtviertel”). Rot ist mit Abstand der häufigste Farbton des Nagellacks. War Rot schon in der Antike die Lieblingsfarbe der Frauen, so ist sie dies auch heute noch bei den Kindern. Im Russischen bedeutet „krasnaja” nicht nur „rot”, sondern auch „schön” („Roter Platz”). Rote Rosen sind das Symbol der Liebe.

Was die überspitzte Verwendung des Rots über die Persönlichkeitsstruktur der hier geschilderten drei Frauen aussagt, soll der Spekulationslust der Psychologen überlassen bleiben.

Die Ausbeute an Artikeln des Zeitraums 1869 bis 2006, in denen etwas zu Lieblingsfarben geäußert wird, blieb äußerst mager. Sowohl Cronin [3] als auch Seidenari [4] fiel schon vor Jahren auf, dass bei Frauen mit einer Textilfarbenallergie DP rot 17 am häufigsten positiv wird. Maurer [5] und auch Opie [6] glauben ein in jüngster Zeit zu verzeichnendes Ansteigen positiver Reaktionen auf Basic red 46 auf das Tragen bunter Socken, Leggings, Samtanzüge und Schuhe zurückführen zu können. Sheretz [7] erwähnt die Vorliebe einer älteren Dame für farbige Leggings und Strumpfhosen. Sie reagierte ausschließlich auf DP orange 3. Roeleveld [8] berichtet über einen 32-jährigen Mann, der gelbe T-Shirts liebte und häufig Orangensaft trank. Die rezidivierenden HV an den Armen, Beinen und am Integument ließen sich durch den positiven Test auf den früher zum Färben der Säfte verwendeten Azofarbstoff Tartrazin bestätigen. Massone [9] erhielt positive Reaktionen auf DP blau 124 und DP rot 1 bei einer Büroangestellten mit einer ausgesprochenen Neigung für blaue Oberbekleidung und Unterwäsche. Die Schrulle eines 30-jährigen Fleischergesellen bestand darin, bei der Arbeit grundsätzlich ein farbiges Seidentuch zu tragen. Seine am Hals auftretenden HV ließen sich auf einen roten und gelben Farbstoff zurückführen. Nach dem ECT mit den isolierten Farbstoffen flammten die alten Herde wieder auf. Weitere Rezidive traten nach dem Genuss gefärbter Lebensmittel und Aperitifs in Erscheinung. Bei den identifizierten Azofarben handelte es sich um Azarin S und Azofluvin [10].

Nach dem 2. Weltkrieg war es unter Männern äußerst beliebt, die Haare mit Brillantine gelb zu tönen. Zwanzig Ekzemfälle teilten Sidi & Dobkevitsch-Morill im Jahre 1951 mit [11]. Das verantwortliche Allergen Dimethylaminoazobenzol diente seinerzeit auch zum Färben von Butter, wurde aber wegen der kanzerogenen Wirkung bald vom Markt genommen.

Analog zur „roten Frau” beschrieben Gougerot & Grupper Fälle einer „grünen Frau” („la femme verte”). Zwei Vegetarierinnen verzehrten täglich Unmengen an grünem Salat mit Zwiebeln, Knoblauch, Nüssen und bis zu 5 kg Weintrauben. Zubereitet wurden diese Gerichte in einem Kupfergefäß. Ihre Haut wurde grün [12].

In einem anderen Fall spielte weder die Vorliebe für eine bestimmte Farbe noch der Genuss ausgewählter Gemüse, sondern der seelische Druck eine entscheidende Rolle. Eine 33-jährige Hausfrau präsentierte sich verschiedenen Dermatologen mit einer grünen Haut vom Kopf bis zu den Fußsohlen. Ihr psychisches Problem - ein uneheliches Kind, das vom Ehemann nicht akzeptiert wurde - fand Ausdruck in Form eines Artefakts: Sie rieb sich große Mengen des unverdünnten Badezusatzes ’Badedas’ in ihre Haut, bis diese grün schimmerte. Dieser Aufsehen erregende Appell an ihre Mitmenschen führte schließlich zur Aufnahme in eine Klinik. Ablagerungen des grünen Badesalzes ließen sich mittels Biopsie in der Hornschicht nachweisen. Leider verschwand die Patientin nach einer unbedachten Äußerung eines Untersuchers, so dass keine psychotherapeutische Behandlung eingeleitet werden konnte [13].

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Literatur

Prof. Dr. Björn M. Hausen

Dermatologisches Zentrum
Elbeklinikum Buxtehude

Am Krankenhaus 1
21684 Buxtehude

Email: b.hausen@elbekliniken.de

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Literatur

Prof. Dr. Björn M. Hausen

Dermatologisches Zentrum
Elbeklinikum Buxtehude

Am Krankenhaus 1
21684 Buxtehude

Email: b.hausen@elbekliniken.de

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Abb. 1 Rote Hose und Schuhe der 1. Patientin.

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Abb. 2 Rote Kordel in einem Schmuckstück (1. Patientin).

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Abb. 3 Rote Brille mit rotem Etui (1. Patientin).

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Abb. 4 Ekzematische Veränderung am Hals am Tage der Anreise der 2. Patientin.

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Abb. 5 Farbige Kunststoffbrille (2. Patientin).