Aktuelle Dermatologie 2006; 32(12): 536-539
DOI: 10.1055/s-2006-945050
Kleine Kulturgeschichte der Haut
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kulturwissenschaftliche Aspekte der Haut

Interpreting Skin in Cultural StudiesA.  Saurma
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Dr. Adalbert Saurma Kultursoziologe

Bergstraße 73 · 69121 Heidelberg

Email: a.saurma@zegk.uni-heidelberg.de

Publication History

Publication Date:
15 December 2006 (online)

Table of Contents #

Einleitung

In der vielgliedrigen Reihe der „Kleinen Kulturgeschichte der Haut” darf einmal gleichsam abrundend auch die in jüngster Zeit recht beliebte Nachbardisziplin der „cultural studies” Erwähnung finden, die allerdings ohne die vorangegangene Grundlagenarbeit der Kulturgeschichte gar keinen Bestand hätte.

Zu den Begriffen

Metapher

Uneigentliche sprachliche Übertragung. Das eigentliche Wort wird ersetzt durch ein anderes mit sprachlicher oder sachlicher Ähnlichkeit.

Metonymie

Namensvertauschung. Ein Begriff wird durch einen solchen ersetzt, der zu ihm in unmittelbarer Verbindung steht.

Allegorie

Anders gefasste Bezeichnung zur rational fassbaren Darstellung abstrakter Begriffe.

Symbol

Zeichen, Kennzeichen oder Sinnbild, welches zur verabredeten und verkürzten Bezeichnung eines Begriffes, Objektes oder Verfahrens dient.

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„Cultural Studies” - eine Wendung in den Kulturwissenschaften

Allein schon die Übersetzung der angloamerikanischen Bezeichnung bereitet Schwierigkeiten: Man kann sich wohl auf „Kulturwissenschaft” oder „Kulturologie” einigen, während die auch denkbare „Kulturistik” bereits von der neuen Lehre des Bodybuilding in Beschlag genommen worden ist. Ironischerweise weist nun gerade Bodybuilding ins Zentrum der kulturwissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Körper, handelt es sich doch um einen hybriden Auswuchs des Sports als einer traditionellen „Technik des Selbst” (Michel Foucault), verformt in der gleißenden Ästhetik der elektronischen Medien.

Ist es das vorrangige Ziel einer Geschichte der Kultur, die von ihr dargestellten Objekte und gesellschaftlichen Beziehungen in eine Abfolge des Vorher und Nachher einzuordnen, so haben sich die zunächst im angloamerikanischen Raum verbreiteten „cultural studies” dem Ausdeuten der vor allem von den zumindest häufig zitierten Marx, Nietzsche oder Freud eröffneten Räumen neuer Erfahrungen gewidmet. In Ablösung früherer Modefächer wie Soziologie und Kulturanthropologie ist ein neues Fach, eine neue, wie die Italiener sagen, „Dietrologia” („Dahinteristik”) entstanden, die besonders für weibliche Studierende und deren Universitätskarrieren attraktiv wurde. In kühner Verkürzung gesagt, geht es in dieser neuen Sicht weniger darum, einen durch die Schichten des Geschehenen hindurch scheinenden Sinn zu erfassen, sondern eher darum, die Erscheinungen in ihrem Dahinfließen zu beobachten und gerade auch die je eigene Erfahrung in diesem Fluss zu artikulieren.

Da es vor allem die Künste sind, in denen das Erfahrbare nach einem Ausdruck sucht, gehörten Literatur- und Medienwissenschaft, insbesondere im globalen Medium des Englischen, zu den ersten Disziplinen, in denen man sich der neueren Sichtweise öffnete. Die Wende von der Forschung nach historischen Ursachen und Folgen oder nach soziologisch Typischem zur kulturwissenschaftlichen Perspektive wird gerne mit dem Schlagwort eines „turns” angekündigt: zunächst ein „linguistic turn”, später ein „visual turn” oder ein „performative turn”. Unter anderen findet sich auch ein „bodily turn”, womit wir dem Thema „Haut” schon näher auf die Pelle gerückt wären.

Der Enthusiasmus, mit dem hier immer wieder neue, zum Teil exzentrische Forschungsfelder aufgetan werden, und der leider auch viele Resultate in ein weniger seriöses Licht gerückt hat, kann nicht darüber hinweg täuschen, dass diesem Aktionismus auch eine gewisse Verzweiflung zugrunde liegt. Kaum hatte man beispielsweise in den siebziger Jahren mit der Kulturanthropologie die Vielfalt traditioneller Ethnien entdeckt, begann in den Neunzigern die weltweite Bilderkommunikation ihre vereinheitlichende Kraft zu entfalten. Hoffte man damals, etwa mit Ideologiekritik oder gar durch Psychoanalyse mündigere Bürger heranzubilden, so ist man heute mit Betäubungen durch Drogen, durch Fundamentalismus oder durch Kaufräusche konfrontiert. Insofern geht es vor allem darum, selbst gewollte und neue Erfahrungen zu machen und diese dann der Welt mitzuteilen. Auf der Kehrseite dieser Selbstermächtigung steht jedoch der Wille, die Natur in verbesserter Form nachzubauen, was jedoch einmal zu einer so weitgehenden Ummöblierung der Psyche führen könnte, dass der bisher geltenden Vergleichbarkeit von Erfahrungen zwischen Generationen, Kulturen oder Epochen überhaupt die Basis entzogen würde.

Kulturwissenschaftliche Studien haben in zwei Hinsichten zugleich Teil an der ständigen Entgrenzung, in der sich das moderne Wissen über die Welt befindet. Sie sind sowohl mit einigen Fragestellungen selber an der Überwindung etablierter humanwissenschaftlicher Fachschranken beteiligt als auch an der Findung neuer Sinnbezüge angesichts der Unmenge naturwissenschaftlicher Einzelerkenntnisse über den Menschen. „Cultural studies” versuchen sich in einer zusätzlichen Entgrenzung, indem sie die schwindelerregenden Möglichkeiten elektronischer Suche und Präsentation so einsetzen, dass die traditionelle Trennung zwischen den beiden Interpretationsindustrien der Wissenschaft und der Kunst verschwimmt. Dies ist gerade bei der Haut als Thema von großer Bedeutung, eignet sie sich als bildträchtige Grenze von Innen- und Außenwelt doch besonders gut, neuen, oft „postmodern” genannten Fokussierungen der Identität zum Ausdruck zu verhelfen.

Wie wohl für alle Lebewesen ist die Grenze auch für den Menschen eine buchstäblich ent-scheidende Kategorie, die in Kombination mit einer als bergend, das heißt, als zusammenhaltend und schützend vorgestellten Fläche die Haut zu einer ungewöhnlich reich ausdeutbaren Außenseite macht. Als solche ist sie sowohl ein durch Versuch und Irrtum für jedermann sofort empirisch erspürtes Realissimum als auch ein imaginiertes Medium, das selektiv bestimmte Einwirkungen von außen dokumentieren und innere Regungen deutlich signalisieren oder aber auch nur vermuten lassen kann. Gewisse Vorgänge bilden sich auf ihr wie auf einem Bildschirm ab und erfordern eine Interpretation, was die Haut zur ausgezeichneten Metapher kulturwissenschaftlicher Argumentationen werden lässt.

Als Naturphänomen und als vielen Lebewesen gemeinsamer Überzug des Körpers eignet sich eine Haut vortrefflich dazu, in Beschreibungen der Umwelt zunächst als Analogie verwendet zu werden: Etwas ist „wie eine Haut”. Diese erfüllt hier die Funktion, ein Phänomen der menschlichen Erfahrung begreiflich zu machen, es zu anthropomorphisieren. Dabei handelt es sich um eine Repräsentation im Sinne eines wiederholten Zeigens. Jedoch ergibt sich aus dem Problem, ob diese Wiederholung „wirklich” oder nur „sozusagen” das Gleiche zeige, der andere Sinn der Repräsentation als Vergegenwärtigung, in der das Gleiche - metaphorisch gesagt - auch in einer gewissen Verkleidung wieder erscheinen kann ([Abb. 1]). Die Haut als Metapher steht nun für etwas anderes, sie verschafft nämlich einer bestehenden Bedeutung einen zusätzlichen Sinn, indem sie diese in eine andere Umgebung überträgt (meta-phorein). Sie ist einerseits ein sichtbarer materieller Überzug über ein Wesen, aber andererseits befindet sich darunter auch das Subjekt, das sich mit einer unauslotbaren, metaphorisch artikulierbaren Tiefe versehen weiß.

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Abb. 1 Die Haut als Metapher im  Rassendiskurs. Die seltene Phakomatose „Neurokutane Melanose” gilt als metaphorischer Ausdruck von „zwei verschiedenen Häuten”, welche ein Mensch zu tragen hat. Diesen können ganz unterschiedliche Symbolwerte zukommen.

Für die Natur- und Lebenswissenschaften ist es nicht unwichtig, die Rolle abzuklären, die ein so glitschiges geisteswissenschaftliches Werkzeug wie die Metapher auch in ihrem Reich der Objektivität spielen darf. Es muss ja nicht gleich beispielsweise ein „grenzflächenfunktionalisiertes Sensor- und Aktuatorsystem” der „mit der Haut sprechenden Seele” gegenübergestellt werden, sondern es mag genügen, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was gewonnen wird, wenn man etwa eine „Gegend” eben „mit anderen Worten” als eine „Landschaft” bezeichnet. Beide gehören zum Tegumentum der Erde, aber „unterschwellig” möchten wir glauben, eine Landschaft sei eine Gegend, die uns antworten kann.

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Die Haut als „sprechende Landschaft”

Die Art und Weise, mit der man - oder bescheidener gesagt, der Okzident - sich ein Bild von der Welt macht, scheint in bestimmten Zeitabschnitten jeweils von dominierenden Modellen geprägt zu werden, die wegen ihrer Allgemeinheit sehr spekulativ bleiben müssen. Immerhin dürfte dabei der zunehmende Einfluss technischer Vorstellungen - im Gegensatz etwa zu „Heil” oder „Blut” in anderen Zeiten - unbestritten sein. Hatte sich vor Jahrzehnten die wissenschaftliche Phantasie noch an schatzgräberischen Bildern oder an Stein für Stein fortschreitenden Bauten entzündet, so neigt die Imagination der Forschung heute eher zu pulsierenden Kraft- und Informationsströmen, die sich rasch auf Oberflächen bewegen oder in Netzen verteilen und stellenweise Synergien schaffen sollen. Bedingung dieses Fließens ist jedoch die vorhergehende Unterteilung in kleinste denkbare Partikel, die anschließend eine Synthese oder Nachschöpfung in beliebiger Form erlauben. Man mag dabei an Beton oder Plastik-Kunststoff denken, an die Bildpunkte der Pixel oder an die Konstruktion neuer, dienstbarer Moleküle. Diese geradezu explosionsartige Entwicklung wird zwar im Alltag nur eher schleichend wahrgenommen, aber wache Teile des Wissenschafts- und Kunstbetriebes bemächtigen sich geradezu inbrünstig des Problems, wie herkömmlich für fest umrissen gehaltene Einheiten wie der menschliche Körper oder die ihm einwohnende psychosoziale Identität auf die fortschreitende Zerbröselung reagieren können. Auffällig ist dabei, dass diese Abklärungen das in Hypertexten vernetzte Gewirbel anklickbarer Bilder und Zitate schätzen und damit in gewisser Weise noch die Problematik zuspitzen, über die sie sich Klarheit verschaffen wollten.

Beschreibt man die Haut nicht einfach als Grenze, sondern als Oberfläche des Körpers, so könnte man auf die Kinderfrage kommen, was denn nun die „Unterfläche” des Körpers sei? Man könnte sich aus der Affäre zu ziehen versuchen, indem man mit dem Sprachspiel: „ein Körper sein” - „einen Körper haben” behauptet, von „unten” oder innen stoße der Bereich an die Haut, in dem man ein Körper sei, während „oben” oder nach außen hin manifestiert werde, bis wohin man einen Körper habe ([Abb. 2]). An dieser buchstäblichen Sinngrenze und ihren metaphorischen Übersetzungen arbeiten sich fast alle thematischen Unterdisziplinen der „cultural studies” ab: ob es geschlechtsspezifische Erfahrungen gäbe („gender studies”) oder solche der sexuellen Veranlagung, ob die Rasse („social construction of skin”) oder die Herkunft aus einer ehemaligen Kolonie („postcolonial studies”) eine Rolle spiele. Ferner werden verschiedene, gleichsam „soziale Häute” untersucht, sei es als Mode, als Architektur oder als Stadtkultur („urban studies”) und selbstverständlich gilt es, in der sogenannten gehobenen Kultur ebenso wie in der Popkultur oder der Werbung ideologische Schleier zu heben und nackte Tatsachen zu gewärtigen.

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Abb. 2 Musikalische Metapher, welche „unter die Haut geht” und global verstanden wird. © 2006 Niclas Bock

Verallgemeinernd kann gesagt werden, sobald etwas, z. B. die Haut oder eine andere Hülle, zum „bloßen” Vordergrund erklärt wird, auch die Frage nach ihrem Unter- oder Hintergrund entsteht, dessen Beziehungen zum Vordergrund nun auf den Grund gegangen werden muss. Da kaum etwas „an sich” einfach gegeben ist, vielmehr fast alles immer schon „für uns”, für den Menschen, in Geschichten oder Bilder verpackt gegeben ist, kommt der Haut nicht nur als liminaler Fläche, sondern auch allgemein als Hülle eine fundamentale Bedeutung zu.

Im Zeitalter der durch das Internet zuckenden Suchmaschinen zeigt sich die überwältigende Vielfalt der Hautmetapher schon bei einer mehrsprachigen Suche mit dem Wortpaar: „Haut als” und „skin as”, „peau comme”, „pelle come” oder „piel como”. Da allerdings jeder Versuch, die Unmenge dieser Resultate zu ordnen, vergeblich wäre, muss es, außer für einige der nachfolgend ausgewählten Beispiele, leider bei diesem Hinweis zum Selbstversuch durch den Leser bleiben, wie denn auch zu fast allen hier etwas hastig aufgezählten Einzelheiten jede Menge weiterführende Angaben im Internet gefunden werden können.

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Utopien des Wissbaren: Was steckt hinter oder unter der Haut?

Immerhin lässt sich im Gewusel der Daten, Meinungen und Bilder zumindest eine Linie erkennen: Durch den zeittypischen Drang zu immer kühneren Ergebnissen und entsprechend schrillen Präsentationen gerät das interne Spiel der Bedeutungsebenen in der Hautmetapher unter Druck. Indem man den Dingen restlos konkret auf den Grund gehen möchte, droht die ja auch für jede „Dietrologia” immer neu in Gang zu setzende Dramatik zu erliegen. Die nun sozusagen ausbuchstabierte Haut wird zu einer sehr realen Grenze, die mit technischen Mitteln und sportlichem Elan überwunden werden kann und muss.

In erster Linie wäre hier an das „Körperwelten”-Spektakel Gunther von Hagens zu erinnern, in der endlich dauerhaft auf die Haut als hinderlicher Vorhang vor der allernacktesten Wahrheit verzichtet werden konnte. Eine „Welt” im Sinne von sich abwechselnden Sinnstiftungen ist dadurch gerade nicht entstanden. Eine der ähnlichen Ausstellungen in den USA, „Bodies Revealed”, kann ebenfalls nichts „offenbaren”, gilt aber als „extremely educational”.

Einen umgekehrten Weg ist die österreichische Künstlerin Eva Wohlgemuth mit „bodyscan” gegangen, die 1997 in Kalifornien ihren „Körper in der Feinheitsstufe von 285 000 Polygonen einscannen” ließ, der nun „auf verschiedenen Speichermedien und im Internet aufliegt und dort abrufbar ist”. Wie die Soziologin Christina Lammer dazu schrieb, hebe sich das so entstandene, „engmaschige Gewebe als glatte-dreidimensionale Haut vom Bildschirm ab. Die Puppe in ihrer reinsten Form, leere Statue, begibt sich auf die Suche nach ihrem Ich-Knoten.” In elektronisch sublimierter Gewaltsamkeit soll hier der weibliche Körper von Fleisch und Blut, von seiner Geschlechtlichkeit gelöst werden. Christina Lammer ihrerseits hat das Forschungsprojekt „Corpo-Realities” an der Medizinischen Universität Wien konzipiert, in dem Künstler, Radiologen und Chirurgen (insbesondere die Frauen unter ihnen) das Innere, so wie es in den Röntgenbildern „unter der Haut” erscheint, zu begreifen versuchen.

Es geht also um die Interpretation der Spuren, die physische oder notfalls virtuelle Versuche hinterlassen haben, die Haut gewaltsam aus dem Weg zu schaffen, um neue Einsichten zu gewinnen. Ein ultimatives Projekt könnte so eines Tages die im Jahr 1999 geschätzten 307 Millionen Gewebeproben von 178 Millionen Patienten, die an verschiedenen Orten der Vereinigten Staaten konserviert wurden, zum Gesamtkunstwerk zu erklären und ihren kollektiven Erinnerungswert zu erwägen suchen.

Eine andere Möglichkeit, die Haut zu einer bestimmten Aussage zu zwingen, ist die gesteuerte Transformation der an ihr vorgenommenen Verletzungen und chirurgischen Eingriffe. So deklariert die Amerikanerin Catherine Opie nur schon die Fotografie der vernarbten unbeholfenen Ritzungen auf ihrem Rücken zum Kunstwerk, das dieses Jahr im Rahmen der Ausstellung „Speaking through Skin” im New Yorker Whitney Museum zu sehen war. Zu den Pionieren operativer Körper-Umgestaltung als Kunst gehören die Französin Orlan und der Australier Stelarc, die sich nun mit einer biotechnologisch arbeitenden Künstlergruppe „Tissue Culture & Art” in Australien verbündet haben sollen. Hier soll die Haut veranlasst werden, Transplantate in eine bestimmte Gestalt wachsen zu lassen. Es ist dies für den Menschen eine logische Fortentwicklung der verbesserten Nachschöpfung in einer designierten Form aus zuvor fabrizierten Elementen, wie sie für Alltagsgegenstände selbstverständlich ist.

Um schließlich aus der äußerst virulenten Mischzone von Wissenschaft, Technik und Kunst noch eine weitere Manipulationsform der Haut zu erwähnen, sei noch die virtuelle Verdopppelung des Körpers und der Haut in Richtung einer Fusion von Mensch und Maschine genannt, wie sie etwa der kanadische Multimedia-Künstler und -Theoretiker Brian Massumi betreibt. Hier kommt es im Zuge der angedachten „extension of the body beyond the skin” gleichzeitig zu einer imaginären Vermenschlichung des Computers. Es sind dies nur etwas mysteriöse, künstlerische Erweiterungen einer technisch schon weit vorangetriebenen „Weiterentwicklung” der Haut beispielsweise durch Indienstnahme ihrer natürlichen Elektrizität zur Bedienung von Geräten oder Sicherung von Identitätsprüfungen („Skinplex”). Diese sogenannte Mensch-Maschine-Kommunikation über Hautreaktionen kommt auch bei der zunächst militärisch nutzbaren Forschung zu elektronisch betriebener „intelligenter Kleidung” zum Einsatz ([Abb. 3]). Einen gewiss vorläufigen Schlusspunkt scheint die nanotechnische Erfindung eines bereits vor 10 Jahren patentierten „programmable subcutaneous visible implant” zu bilden. Jetzt noch kaum vorstellbare, im Wortsinn „unterschwellig” angebrachte Displays könnten einmal statt der rückständigen Gänsehaut alarmierende Daten über den Blutdruck aufleuchten lassen.

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Abb. 3 Programmierbare Tattoos. Spekulative Darstellung der Möglichkeit, Daten oder Zeichen drahtlos auf der Backe erscheinen zu lassen. Dort ist auf der Haut ein Gewebe aus leitenden, farblich reagierenden, nanotechnologischen Fasern (facial display) angebracht. Dieses erhält über einen winzigen Treiber (display driver, hier nicht dargestellt) Informationen vom  Server in der Brusttasche (WPAN, Flex interface). Dies können Daten über das körperliche Befinden sein, die über einen Transponder am Handgelenk gewonnen werden, oder auch Signete einzelner Stimmungen (expressive icons, emotions) durch einen digitalen Assistenten (PDA input). Auch Reklame kann so gezeigt werden. http://web.mac.com/gregdaigle/iWeb/Articles/Archive.htlm. © 2003 Greg Daigle and Steve Campbell

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Literatur

  • 1 Benthien C. Haut. Literaturgeschichte, Körperbilder, Grenzdiskurse. Reinbek bei Hamburg; Rowohlt Taschenbuch 1999
  • 2 Ach J S, Pollmann A (Hrsg). No body is perfect. Baumaßnahmen am menschlichen Körper. Bielefeld; Transcript 2006
  • 3 Connor S. The Book of Skin. Ithaca NY; Cornell University Press 2003/London: Reaktion Books, 2004
  • 4 Wegenstein B. Getting Under the Skin. The Body and Media Theory.  Cambridge MA; MIT Press 2006

Dr. Adalbert Saurma Kultursoziologe

Bergstraße 73 · 69121 Heidelberg

Email: a.saurma@zegk.uni-heidelberg.de

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Literatur

  • 1 Benthien C. Haut. Literaturgeschichte, Körperbilder, Grenzdiskurse. Reinbek bei Hamburg; Rowohlt Taschenbuch 1999
  • 2 Ach J S, Pollmann A (Hrsg). No body is perfect. Baumaßnahmen am menschlichen Körper. Bielefeld; Transcript 2006
  • 3 Connor S. The Book of Skin. Ithaca NY; Cornell University Press 2003/London: Reaktion Books, 2004
  • 4 Wegenstein B. Getting Under the Skin. The Body and Media Theory.  Cambridge MA; MIT Press 2006

Dr. Adalbert Saurma Kultursoziologe

Bergstraße 73 · 69121 Heidelberg

Email: a.saurma@zegk.uni-heidelberg.de

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Abb. 1 Die Haut als Metapher im  Rassendiskurs. Die seltene Phakomatose „Neurokutane Melanose” gilt als metaphorischer Ausdruck von „zwei verschiedenen Häuten”, welche ein Mensch zu tragen hat. Diesen können ganz unterschiedliche Symbolwerte zukommen.

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Abb. 2 Musikalische Metapher, welche „unter die Haut geht” und global verstanden wird. © 2006 Niclas Bock

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Abb. 3 Programmierbare Tattoos. Spekulative Darstellung der Möglichkeit, Daten oder Zeichen drahtlos auf der Backe erscheinen zu lassen. Dort ist auf der Haut ein Gewebe aus leitenden, farblich reagierenden, nanotechnologischen Fasern (facial display) angebracht. Dieses erhält über einen winzigen Treiber (display driver, hier nicht dargestellt) Informationen vom  Server in der Brusttasche (WPAN, Flex interface). Dies können Daten über das körperliche Befinden sein, die über einen Transponder am Handgelenk gewonnen werden, oder auch Signete einzelner Stimmungen (expressive icons, emotions) durch einen digitalen Assistenten (PDA input). Auch Reklame kann so gezeigt werden. http://web.mac.com/gregdaigle/iWeb/Articles/Archive.htlm. © 2003 Greg Daigle and Steve Campbell