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DOI: 10.1055/s-2006-947043
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Kardiologisches Risikomanagement - Therapie möglichst vieler Risikofaktoren gleichzeitig
Publication History
Publication Date:
31 May 2006 (online)
- Aspirin in der Primärprophylaxe bei Risikopatienten
- Telmisartan greift in die Kaskade der Gefäßschädigung ein
- Identifikation von Hochrisikopatienten über Risikofaktoren
Bei der Behandlung kardiovaskulärer Störungen ist ein umfassender Gefäßschutz erforderlich, um drohenden Komplikationen wie Myokardinfarkt und Schlaganfall vorzubeugen. "Dabei muss die Behandlung so gesteuert werden, dass möglichst viele kardiovaskuläre Risikofaktoren positiv beeinflusst werden", forderte PD Dr. Uwe Zeymer, Ludwigshafen, bei einem Satellitensymposium in Mannheim.
#Aspirin in der Primärprophylaxe bei Risikopatienten
Besonders gut untersucht ist in dieser Hinsicht die Acetylsalicylsäure (ASS). "Aspirin ist das am häufigsten eingesetzte und am besten erforschte Arzneimittel", berichtete Zeymer. So gehört der Thrombozytenhemmer bei Patienten mit Akutem Koronarsyndrom zur Standardtherapie. "Das umstrittenste Gebiet ist die Primärprophylaxe", betonte Zeymer. Derzeit empfiehlt die American Heart Assoziation eine Primärprophylaxe mit ASS, wenn das 10-Jahres-Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis mehr als 10% beträgt. Dagegen rät die Europäische Gesellschaft für Kardiologie zu ASS in der Primärprophylaxe, wenn die Gefahr für ein kardiovaskuläres Ereignis in den kommenden zehn Jahren 20% übersteigt. Laut der BRAVO-Studie (Blockade of the IIb/IIIa-Receptor to Avoid Vascular Occlusion) sollte die Dosierung in der Primärprophylaxe weniger als 162 mg ASS täglich betragen, um ein erhöhtes Blutungsrisiko zu vermeiden.
ASS hemmt selektiv das Enzym Cyclooxygenase-1 (COX-1) der Thrombozyten. Als besser verträgliche Alternative wurden vor einigen Jahren Cyclooxygenase-2-Hemmer, so genannte COX-2-Inhibitoren eingeführt. Diese hemmen das Enzym Cyclooxygenase-2 und damit die Prostacyclin (PGI2)-Synthese, die bei der Atherosklerose und anderen entzündlichen Erkrankungen erhöht ist. Neuere klinische Studien ergaben allerdings, dass einige dieser COX-2-Hemmer das Risiko für Myokardinfarkte steigern können. Ob es sich bei den beobachteten Wirkungen um einen Gruppeneffekt der Coxibe handelt, ist derzeit noch unklar. Sicher ist jedoch, dass die hemmende Wirkung von ASS auf die Plättchenfunktion durch COX-2-Hemer nicht beeinflusst wird. "Damit ist zu erwarten, dass ASS auch ein erhöhtes Infarktrisiko bei Patienten unter Coxiben reduziert", vermutete Prof. Dr. Karsten Schrör aus Düsseldorf.
#Telmisartan greift in die Kaskade der Gefäßschädigung ein
"Wenn man über Protektion der Gefäße spricht, spielt die adäquate Blutdruckeinstellung eine zentrale Rolle", apellierte Prof. Dr. Jürgen Scholze aus Berlin. Dabei ist der metabolische Einfluss bei den verschiedenen Antihypertensiva unterschiedlich. Aus der Gruppe der Sartane scheint der Nutzen von Telmisartan[1] besonders groß zu sein, wie eine Studie von Derosa et al. demonstriert. Im Vergleich zu Eprosartan kam es in dieser Untersuchung unter Telmisartan zu einer signifikanten Reduktion des Gesamtcholesterins, des LDL-Cholesterins und der Triglyceride, wobei sich gleichzeitig das HDL-Cholesterin erhöhte. Dass Telmisartan auch einen positiven Effekt auf den Glukosestoffwechsel hat, zeigte eine Vergleichsstudie mit Losartan. Hier bewirkte Telmisartan einen signifikanten Abfall des Nüchternblutzuckers und des Nüchterninsulins sowie eine Verbesserung der Insulinsensitivität. Der Grund dafür könnte der positive Effekt der aktivierten PPAR -Rezeptoren (Peroxisome Proliferator-Activated Receptor- ) sein, "indem über Insulinsignale eine verbesserte Insulinsensitivität entsteht, verbunden mit besseren Glukose- und Insulinspiegeln", erklärte Scholze. Damit greift Telmisartan direkt in die Kaskade der Gefäßschädigung ein und vermindert über diese metabolischen Wirkungen oxidativen Stress sowie eine Inflammation und Vasokonstriktion. Zudem senkt der Wirkstoff den systolischen und den diastolischen Blutdruck sowie den Pulsdruck und die Pulswellengeschwindigkeit, womit die Steifigkeit der Gefäße abnimmt. "Dagegen bewirkt die gleiche Drucksenkung unter Betablockern oder Diuretika keine Veränderung auf die Gefäßstruktur, ein sehr wichtiger Befund", betonte Scholze.
#Identifikation von Hochrisikopatienten über Risikofaktoren
Dass kardiovaskuläre Risikofaktoren nur selten isoliert auftreten, zeigte auch Prof. Dr. Diethelm Tschöpe aus Bad Oeynhausen. "Viel häufiger ist das Cluster unterschiedlicher Risikofaktoren wie Hypertonie, Dyslipoproteinämie, Insulinresistenz und Adipositas, die häufig als Metabolisches Syndrom zusammentreffen", betonte er. Es scheint gesichert, dass die Summe dieser Risikofaktoren aus kardiologischer Sicht gefährlicher ist als die einzelnen Risikofaktoren an sich. Kontrovers diskutiert wird aber, ob beziehungsweise ab wann das Metabolische Syndrom zu behandeln ist. "Neu ist, dass nicht mehr der BMI als Messgröße herangezogen wird, sondern der Bauchumfang", betonte Tschöpe. So empfiehlt das NECP (National Cholesterol Education Panel) einen Grenzwert von 88 cm Bauchumfang für Frauen und von 102 cm für Männer. Ab diesen Werten ist eine gezielte Therapie notwendig. Strenger sieht das die IDF (International Diabetes Federation), die einen Bauchumfang von 80 cm bei Frauen und 94 cm bei Männern als Grenzwert für die abdominelle Adipositas sieht. Das Ziel ist, schon frühzeitig Herzinfarkt und Schlaganfall zu verhindern, indem Patienten identifiziert und konsequent therapiert werden.
ts
Quelle: Satellitensymposium "Rolle von Aspirin und Sartanen in der kardiovaskulären Protektion" im Rahmen der 72. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie - Herz und Kreislaufforschung, April 2006 in Mannheim. Veranstalter: Bayer Vital GmbH, Leverkusen.