Aktuelle Neurologie 2006; 33(9): 479
DOI: 10.1055/s-2006-951826
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Klinische Studien in der Neurologie

Clinical Studies in NeurologyH.-C.  Diener1
  • 1Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Essen
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Publication Date:
02 November 2006 (online)

Prof. Dr. H.-C. Diener

Dieses Heft der Aktuellen Neurologie enthält die Zusammenfassung eines im Januar 2006 veranstalteten Seminars, das von der Kommission „Klinische Studien” der Deutschen Gesellschaft für Neurologie organisiert wurde. Bei diesem Treffen findet eine Zusammenkunft der Neurologen in Deutschland statt, die sich im Rahmen klinischer Studien engagieren. Es dient dem konstruktiven Dialog mit der forschungsfördernden Industrie und den fördernden öffentlichen Institutionen wie BMBF und DFG. Diese Veranstaltung zeigte, dass wir in der deutschen Neurologie in manchen Themen und Bereichen, was klinische Studien anbelangt, international sehr gut dastehen und zum Teil sogar eine Spitzenposition einnehmen. Dies ist allerdings nicht in allen Bereichen der Neurologie der Fall. Grund hierfür ist nicht so sehr, dass entsprechende Krankheitsbilder und die Kompetenz, klinische Studien durchzuführen, nicht vorhanden wären, sondern nicht selten ein falsch verstandener Konkurrenzkampf ohne den ausgeprägten Willen, mit allen Kollegen, die auf dem entsprechenden Gebiet ebenfalls tätig sind, zu kooperieren. Ein weiterer gravierender Mangel zeigte sich in der Ausstattung von Universitätskliniken mit Ärzten, die sich überwiegend oder ausschließlich mit klinischen Studien beschäftigen, sowie qualifizierten Study nurses.

Die Globalisierung hat auch die Durchführung klinischer Studien erreicht. Länder wie China, Indien oder Ostblockländer haben in der Zwischenzeit professionelle Infrastrukturen zur Durchführung klinischer Studien aufgebaut. Die Qualität der Studien ist in der Regel sehr gut. Dies betrifft auch die Dokumentation. Naturgemäß sind die gezahlten Honorare in diesen Ländern deutlich niedriger als in den USA oder in Westeuropa. Wir werden in Deutschland auf Dauer nur konkurrenzfähig sein und bleiben, wenn sich noch mehr Universitätskliniken und neurologische Abteilungen an nichtuniversitären Krankenhäusern bei klinischen Studien engagieren. Eine Lösungsmöglichkeit bietet sich hier, dass beispielsweise neurologische Abteilungen mit ihrer „Mutter-Universität” kooperieren. Neurologien an Krankenhäusern sind ideal geeignet, um Patienten für klinische Studien zu identifizieren, während die entsprechenden universitären Zentren meist über eine administrative Infrastruktur, Datenbanken, ggf. Monitore und Study nurses verfügen. Hier muss es in den nächsten Jahren gelingen, professionelle Strukturen aufzubauen, die die jeweiligen Stärken von Universitätskliniken und nicht universitären Abteilungen kombinieren und die Schlagkraft der deutschen Neurologie bei der Durchführung klinischer Studien verstärkt. Nicht zuletzt sind klinische Studien in Zeiten schrumpfender Budgets und immer geringerer Einnahmen ein nicht zu vernachlässigender Finanzfaktor.

Ein Wermutstropfen ist allerdings eindeutig das neue Arzneimittelgesetz. Die Studien, die ohne die Unterstützung der Industrie durchgeführt werden, sind vom administrativen und finanziellen Aufwand fast nicht mehr zu verwirklichen. Der Autor dieses Editorials hat dies bei der Organisation von drei Studien leidvoll am eigenen Leibe verspürt. Neben dem immensen administrativen Aufwand stehen jetzt hohe finanzielle Kosten, da jetzt alle beteiligten Ethikkommission in die Genehmigungsverfahren einbezogen werden müssen und auch entsprechende Gebühren anfallen. Zudem wird es immer schwieriger für klinische Studien, die nicht von der Industrie finanziert werden, eine Versicherung abzuschließen. An den meisten Universitätskliniken sind wir in der glücklichen Lage, dass die Universität selbst als Sponsor auftritt. Wo dies nicht der Fall ist wie beispielsweise an nicht universitären Krankenhäusern, ist es praktisch unmöglich geworden, untersucherinitiierte Studien durchzuführen.

Prof. Dr. Hans-Christoph Diener

Klinik für Neurologie, Universitätsklinikum Essen

Hufelandstr. 55

45147 Essen

Email: h.diener@uni-essen.de