Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-2006-954998
Thrombembolische pulmonale Hypertonie
Thrombembolic Pulmonary HypertensionPublication History
Publication Date:
09 February 2007 (online)
Eine 43-jährige erheblich adipöse Patientin berichtete über eine seit mehreren Monaten progrediente Dyspnoe selbst bei minimaler Belastung, zuletzt auch in Ruhe. Anamnestisch sind seit ca. 20 Jahren rezidivierende tiefe Beinvenenthrombosen und Lungenthrombembolien bei hereditärem Protein C und S Mangel bekannt. Eine ambulante Therapie mit Phenprocoumon (Marcumar®) wurde von der Patientin nur inkonsequent durchgeführt und teilweise ausgesetzt.
Zum Aufnahmezeitpunkt bestanden klinische Zeichen einer Rechtsherzinsuffizienz und eine ausgeprägte Ruhedyspnoe (NYHA IV). Bei der konventionellen Röntgenuntersuchung der Thoraxorgane ([Abb. 1]) fielen prominente, gefäßbedingte Lungenhili auf. Die thorakale CT nach Kontrastmittelapplikation zeigte im Parenchymfenster die für rezidivierende und multilokuläre Lungenthrombembolien typische Mosaikperfusion des Lungenparenchyms mit Arealen erhöhter Strahlentransparenz infolge der postthrombembolischen Minderperfusion und Arealen einer erhaltenen bzw. Hyperperfusion ([Abb. 2]). Im Weichteilfenster imponieren die erheblich erweiterten, ektatischen, zentralen Pulmonalarterien mit organisierten und teilweise rekanalisierten wandständigen Thromben ([Abb. 3]).
Abb. 1 Röntgen Thorax p.a.
Abb. 2 Thorakale CT nach Kontrastmittelapplikation.
Abb. 3 Thorakale CT: Weichteilfenster.
Eine Thrombendarteriektomie beider Pulmonalarterien und eine Anuloplastie der insuffizienten Trikuspidalklappe, gefolgt von einer dauerhaften suffizienten medikamentösen Antikoagulation, führte zu einer Reduktion des pulmonalarteriellen Drucks von 88/33 mm Hg präoperativ auf 34/15 mm Hg postoperativ, der von einer eindrucksvollen Verbesserung der Symptome und der Belastbarkeit der Patientin (postoperativ NYHA II) begleitet war.
Die thrombembolische pulmonalarterielle Hypertonie (TEPH) ist sehr viel seltener als die akute Lungenembolie, stellt aber dennoch eine der häufigsten Ursachen der schweren pulmonalen Hypertonie dar [1]. In 1 - 3,8 % der Patienten, die eine akute Lungenembolie überlebt haben, kommt es zur Ausbildung einer TEPH [2]. Sie wird in den aktuellen Klassifikationen der pulmonalen Hypertonie (Evian 1998, Venedig 2003) als eigenständige Kategorie „4. Pulmonary hypertension caused by chronic thrombotic or embolic disease” geführt und in die Subgruppen mit Obstruktion der proximalen bzw. der distalen Pulmonalarterien unterteilt [3] [4], wobei die erstgenannte Subgruppe von einer Thrombendarteriektomie profitieren kann [5] [6]. Die zweite Subgruppe ist schwer von thrombotischen Läsionen bei der primären pulmonalen Hypertonie zu differenzieren und bedarf einer dauerhaften vasodilatatorischen medikamentösen Therapie [7].
Wie am Beispiel unserer Patientin gezeigt, hat die kontrastmittelverstärkte Spiral-CT einen hohen diagnostischen Wert in der Diagnostik der proximalen TEPH, bei der distalen TEPH hingegen ist die Angiographie der Pulmonalarterien überlegen [1] [8] [9]. Es wurden jedoch auch proximale Thromben bei Patienten mit primärer pulmonaler Hypertonie beschrieben und andererseits schließt das Fehlen der genannten CT-morphologischen Veränderungen das Vorliegen einer proximalen TEPH nicht aus [10].
Bei Patienten mit rezidivierenden thrombembolischen Erkrankungen ist ein Thrombophilie-screening (Blutungszeit, Gerinnungsfaktoren VIII, VII, II und V, von Willebrand Faktor, Protein C und S) indiziert [8]. Hereditäre thrombophile Gerinnungsstörungen können bei bis zu 40 % der Patienten mit thrombembolischen Ereignissen als (Mit-)Ursache dieser Erkrankungen nachgewiesen werden [11]. Bei unserer Patientin lag ein Protein C- und S-Mangel vor. Diese Proteine sind natürliche Inhibitoren der plasmatischen Gerinnung. Defizienzen der Proteine C und S treten mit einer Prävalenz von 0,2 % in der Normalbevölkerung und von 2,5 % bei Thrombosepatienten auf und sind in der heterozygoten Ausprägung bereits mit einem zehnfach erhöhten Thromboserisiko assoziiert [12]. Homozygote Formen sind extrem selten und manifestieren sich meist bereits kurz nach der Geburt als vital bedrohliche Purpura fulminans.
Die pulmonale Thrombendarteriektomie stellt ein effektives Behandlungsverfahren bei der proximalen chronischen thrombembolischen pulmonalen Hypertonie dar. Die perioperative Letalität beträgt in größeren Serien ca. 10 %. Wie auch bei unserer Patientin ist eine operative Rekanalisation der pulmonalen Strombahn von einer deutlichen Verbesserung der hämodynamischen Parameter und der Leistungsfähigkeit der Patienten verbunden, die besonders im Langzeitverlauf der Lungentransplantation überlegen ist [1] [9] [13].
Literatur
- 1 Olschewski H, Ghofrani A, Wiedemann R. et al . Pulmonaler Hochdruck. Internist. 2002; 43 1498-1509
- 2 Pengo V, Lensing A WA, Prins M H. et al . Incidence of Chronic Thromboembolic Pulmonary Hypertension after Pulmonary Embolism. N Engl J Med. 2004; 350 2257-2264
- 3 Rich S, Rubin L J, Abenhail L. et al .Executive summary from the World Symposium on Primary Pulmonary Hypertension (Evian, France, September 6 - 10, 1998). The World Health Organization publication via the internet. At: http://www.who.int/ncd/cvd/pph.html
- 4 Simonneau G, Galiè N, Rubin L J. et al . Clinical Classification of Pulmonary Hypertension. J Am Coll Cardiol. 2004; 43 5s-12s
- 5 Jamieson S W, Kapelanski D P, Sakahibara N. et al . Pulmonary endarterectomy: experience and lessons learned in 1500 cases. Ann Thorac Surg. 2003; 76 1457-1464
- 6 Moser K M, Auger W R, Fedullo P F. Chronic major-vessel thrombembolic pulmonary hypertension. Circulation. 1990; 81 1735-1743
- 7 Simonneau G, Azarian R, Brenot F. et al . Surgical Management of unresolved pulmonary embolism. A personal series of 72 patients. Chest. 1995; 107 52s-55s
- 8 Barst R J, McGoon M, Torbicki A. et al . Diagnosis and Differential Assessment of Pulmonary Arterial Hypertension. J Am Coll Cardiol. 2004; 43 40s-47s
- 9 British Cardiac Society . Recommendations on the management of pulmonary hypertension in clinical practice. Heart. 2001; 86 (Suppl.1) 1-13
- 10 Fedullo P F, Auger W R, Kerr K M. et al . Chronic Thromboembolic Pulmonary Hypertension. N Engl J Med. 2001; 345 1465-1472
- 11 Bauer K A. Management of thrombophilia. J Thromb Haemost. 2003; 1 1429-1434
- 12 Loew A, Völler H, Riess H. Thrombophilie - Diagnostische Schritte und therapeutische Konsequenzen. DMW. 2002; 127 273-278
- 13 Demertzis S, Schäfers H J. Pulmonale Thrombendarteriektomie. Med Klin. 1997; 92 23-26
PD Dr. med. Jens Schreiber
Städtisches Klinikum Dessau Abteilung für Pneumologie
06847 Dessau
Email: jens.schreiber@klinikum-dessau.de