Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/s-2006-958820
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Einblicke in das Gehirn schizophrener Patienten - Mit früher Therapie gegen hirnmorphologische Veränderungen
Publication History
Publication Date:
22 January 2007 (online)
- Keine Änderung des Hirnvolumens unter Atypika
- Reward-System nicht lahmlegen
- Früh diagnostizieren und behandeln
- Quellen
Mit modernen bildgebenden Verfahren lassen sich bei schizophrenen Patienten hirnmorphologische Veränderungen feststellen. Auch die Einblicke in die pathophysiologischen Vorgänge werden immer genauer. Konkrete Konsequenzen für die Therapie: möglichst früh beginnen und möglichst mit einem Atypikum ([1], [2], [3]).
Bei der Schizophrenie handelt es sich pathophysiologisch um ein Zusammenspiel von genetischen Faktoren und Umweltfaktoren auf die Funktionen von Zellen, Proteinen und Synapsen (Abb. [1]). "Wichtig sind Gen-Zell-Umwelt-Interaktionen", erläuterte Professor Dr. Dieter Braus, Hamburg [4]. Auf Neurotransmitterebene liegt der Schizophrenie eine Dysfunktion der striatären dopaminergen Neurotransmission zugrunde [5]. Und dort greifen auch die in der Therapie eingesetzten Antipsychotika an. Doch Braus betonte, dass das dopaminerge System hochsensibel sei und seine natürliche Funktion möglichst auch unter einer antipsychotischen Therapie annähernd erhalten werden sollte. Wird das dopaminerge System nämlich komplett lahmgelegt, lässt sich zwar die Psychose wirksam behandeln. Das Risiko für Nebenwirkungen steigt jedoch, kognitive Einbußen können verstärkt werden, die Negativsymptomatik - und damit die Hauptprobleme in der Schizophrenietherapie - werden jedoch kaum beeinflusst. Denn das ist laut Braus ohnehin nicht die Psychose, sondern Kognition, Negativsymptomatik, und das "day-to-day-living".

Keine Änderung des Hirnvolumens unter Atypika
Deshalb ist wichtig, welche Effekte eine antidopaminerge Therapie auf die natürlichen Funktionen des Dopaminsystems besitzt. Und hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen typischen und atypischen Neuroleptika [6]. So kommt es unter Haloperidol zu einer Schwächung der D2-sensiblen Funktion im präfrontalen Kortex, nicht dagegen in den D1- oder nicht-dopaminergen Domänen. Der Blick auf hirnmorphologische Veränderungen zeigt ebenfalls Unterschiede. Patienten, die nach einer ersten schizophrenen Psychose mit einem Typikum behandelt wurden, zeigen eine progrediente Volumenminderung, "entsprechend dem Verlauf unter Plazebo". Dagegen lässt sich unter Atypika kein fortschreitender Untergang der grauen Substanz feststellen.
#Reward-System nicht lahmlegen
Weitreichende Konsequenzen hat die dopaminerge Dysfunktion auch auf das Reward-System, das im Kernbereich des ventralen Striatums liegt. Dieses Motivationssystem, das den Grundtonus für Motivation und Antrieb vorgibt, ist bei schizophrenen Patienten gehemmt. Typika legen das Reward-System völlig schachmatt, während unter Atypika das Reward-System in seiner Funktion weitgehend erhalten bleibt [7]. Werden schizophrene Patienten von einem typischen Neuroleptikum auf das Atypikum Risperidon umgestellt, lässt sich eine Aktivität wie bei gesunden Kontrollpersonen erreichen [8].
#Früh diagnostizieren und behandeln
Hirnmorphologische Veränderungen treten schon früh im Krankheitsverlauf auf, nämlich bereits zu einem Zeitpunkt, an dem der Patient noch völlig asymptomatisch ist. Diese frühen Veränderungen sprechen für eine möglichst frühzeitige Diagnose und Therapie. "Es geht darum, den Patienten möglichst früh zu erfassen und zu behandeln." Ein verzögerter Behandlungsbeginn ist dagegen folgenschwer. Er korreliert mit verzögerter und unvollständiger Remission der Symptomatik, längerer stationärer Behandlungsbedürftigkeit und höherem Rezidivrisiko, geringerer Behandlungstreue sowie erhöhtem Depressions- und Suizidrisiko, erläuterte Braus [9]. Für die Therapie empfehlen sich atypische Neuroleptika wie Risperidon, die möglicherweise die Hirnmorphologie günstig beeinflussen und das dopaminerge System zwar "einbremsen", so Braus, aber nicht komplett inhibieren ([7], [8]). Eine sinnvolle Therapieoption stellt in dem Zusammenhang das atypische Depotpräparat Risperdal® Consta® dar: Erste Zwischenergebnisse einer Langzeituntersuchung zeigen, dass langwirksames Risperidon bereits in der Frühphase der Erkrankung eine gute Alternative zu oralen Antipsychotika darstellen kann [10].
Dr. Beate Fessler
#Quellen
-
01 S3 Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie. Darmstadt: Steinkopff, 2006.
- 02 Hafner H . et al . Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci. 1995; 246(1) 17-28
- 03 McGorry PD . et al . Arch Gen Psychiatry. 2002; 59(10) 921-8
-
04 Psychiatrie-Akademie Fortbildungsveranstaltung "The road to recovery", Les Fontaines/Chantilly, 16.9.2006 (Veranstalter: Janssen-Cilag).
- 05 Juckel G . et al . Neuroimage. 2006; 29(2) 409-16
- 06 Liebermann JA . et al . Arch Gen Psychiatry. 2005; 62(4) 361-70
- 07 Honey GD . et al . Proc Natl Acad Sci U S A. 1999; 96(23) 13432-7
- 08 Juckel G . et al . Psychopharmacology (Berl). 2006; 187(2) 222-8
- 09 Liebermann JA . et al . J Clin Psychiatry. 1996; 57(Suppl9) 5-9
-
10 Emsley R . et al . Poster presented at the 13th Biennial Winter-Workshop on Schizophrenia (WWS) 2006, Davos, Schweiz.
Quellen
-
01 S3 Praxisleitlinien in Psychiatrie und Psychotherapie. Darmstadt: Steinkopff, 2006.
- 02 Hafner H . et al . Eur Arch Psychiatry Clin Neurosci. 1995; 246(1) 17-28
- 03 McGorry PD . et al . Arch Gen Psychiatry. 2002; 59(10) 921-8
-
04 Psychiatrie-Akademie Fortbildungsveranstaltung "The road to recovery", Les Fontaines/Chantilly, 16.9.2006 (Veranstalter: Janssen-Cilag).
- 05 Juckel G . et al . Neuroimage. 2006; 29(2) 409-16
- 06 Liebermann JA . et al . Arch Gen Psychiatry. 2005; 62(4) 361-70
- 07 Honey GD . et al . Proc Natl Acad Sci U S A. 1999; 96(23) 13432-7
- 08 Juckel G . et al . Psychopharmacology (Berl). 2006; 187(2) 222-8
- 09 Liebermann JA . et al . J Clin Psychiatry. 1996; 57(Suppl9) 5-9
-
10 Emsley R . et al . Poster presented at the 13th Biennial Winter-Workshop on Schizophrenia (WWS) 2006, Davos, Schweiz.
