Zum Abschied von Prof. Markus Gastpar als leitendem Arzt der Rheinischen Kliniken
Essen und Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, der im Dezember
an die Fliedner-Klinik Berlin wechselt, fand im Auditorium Maximus am 22.-23.10.06
ein hochkarätiges Symposium statt. Prof. Wolfgang Gaebel, Düsseldorf, diskutierte
zu Beginn die Qualitätssicherung. Weitere Themen, über die wir in den folgenden Ausgaben
berichten werden, spannten den Bogen von den Grundlagen der Depression, der Zukunft
der Psychotherapie bis zum Nutzen der Genetik in der Psychiatrie.
Benchmarking und Qualitätssicherung - ein notwendiges Übel?
"Ist sie notwendig oder ist sie nur von Übel?", fragte Prof. Wolfgang Gaebel, Düsseldorf.
Nach § 70 des Sozialgesetzbuches V gilt, dass "die Krankenkassen und die Leistungserbringer
(...) eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen
Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten (haben). Die
Versorgung der Versicherten muss ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des
Notwendigen nicht überschreiten und muss in der fachlich gebotenen Qualität sowie
wirtschaftlich erbracht werden. Danach müssen die Leistungserbringer die Qualität
der von ihnen erbrachten Leistungen sichern und weiterentwickeln. Auch Fachärzte haben
mittlerweile Fortbildungspflichten. Seit letztem Jahr müssen die zugelassenen Krankenhäuser
einen Qualitätsbericht veröffentlichen. Was ist Qualität? Qualität hat etwas mit einem
Sollwert zu tun. Daran sind nicht nur der Arzt, sondern auch Patienten und Angehörige
beteiligt. Im Kern stehen Normen, Erfahrungen und empirische Evidenz. Um die Qualität
weiter zu verbessern, brauchen wir bestimmte Maßnahmen und Indikatoren, d.h. gut messbare
Parameter, die u.a. unerwünschte Ereignisse vorhersagen. In diesem Kontext ist auch
der Begriff Benchmarking eingebettet, d.h. lernen von den Besten. Qualität und Arbeitsprozesse
müssen kontinuierlich überprüft, gegebenenfalls verändert und verbessert werden. Leitlinien
spielen in diesem Kontext eine wichtige Rolle. Sie sind systematische Statements,
die dem Behandler und dem Patienten helfen sollen. Immer noch ist die stationäre Versorgung
jedoch gekennzeichnet durch mangelnde Leitlinienbefolgung. Eine Leitlinienbefolgung
kann aber dazu beitragen, Kosten zu sparen und die Lebensqualität der Patienten zu
verbessern z.B. durch die gezielte Behandlung diagnostizierbarer sekundärer Depressionen
Dietrich et al. haben 2005 z.B. für depressive Erkrankungen gezeigt, dass eine leitliniengerechte
Arzneimitteltherapie die direkten Kosten der Behandlung erhöhen würde. Die Gesamtkosten
könnten sich dagegen bei leitliniengestütztem Vorgehen reduzieren. Die Autoren schlossen,
"Sie (die erhöhten Kosten) sollten, vor dem Hintergrund künftig ersparter Folgekosten
für nicht oder nur unzureichend behandelte Patienten als notwendige und lohnende Investition
in die Zukunft betrachtet werden."
"Qualitätssicherung ist heute auch in der Psychiatrie unverzichtbar. Qualitätsindikatoren
und leitlinienorientierte Sollvorgaben sind die Voraussetzung für qualitätssichernde
und verbessernde Maßnahmen. Prozessorientiertes Benchmarking stellt eine sinnvolle
Ergänzung bei der Problemanalyse und Sollwertfestsetzung dar. Verbessbesserungen von
Strukturen und Prozessen sind die Voraussetzungen eines optimierten Behandlungsoutcome.
Nachweise zum Einfluss auf die Ergebnisqualität sowie zur Kostennutzenrelation von
Qualitätsmanagement müssen allerdings noch vermehrt geführt werden. Der durch Qualitätsmanagement
bedingte Ressourcenaufwand muss in sinnvoller Relation zu den Ergebnissen stehen.
Unter den zunehmend schwierigeren gesundheitspolitischen Beschränkungen müssen wir
uns überlegen, was wir besser machen können oder die schlechten werden auf der Strecke
bleiben."