Aktuelle Rheumatologie 2007; 32(4): 192
DOI: 10.1055/s-2007-963220
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Ernährungsmedizin in der Rheumatologie: Von der Außenseitermethode zur wissenschaftlich begründeten Therapieergänzung

Nutritional Medicine in Rheumatology: From a Borderline Method of Scientifically-Based Therapy SupplementJ. Wollenhaupt1
  • 1Abteilung Rheumatologie und klinische Immunologie, Klinikum Eilbek
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Publication Date:
04 September 2007 (online)

Lange Zeit ernteten Fragen nach Zusammenhängen zwischen Ernährung und dem Auftreten entzündlich-rheumatischer Erkrankungen oder nach einer Beeinflussung ihres Verlaufes durch gezielte Ernährungsumstellung in der Schulmedizin nur abwehrende Antworten. Das Feld blieb Aktivisten außerhalb der wissenschaftlich fundierten Medizin überlassen.

Dies hat sich in jüngster Zeit entscheidend geändert. Ausschlaggebend ist ein gewachsenes Verständnis der pathophysiologischen Zusammenhänge zwischen Ernährung und Entzündungsprozessen.

Heute ist erwiesen, dass die Ernährung modulierend auf die Entstehung und die Intensität infektiöser und autoimmunologischer Entzündungsprozesse wirkt.

Eine zentrale Rolle nimmt dabei das Eicosanoidsystem ein, das über die Produktion von Arachidonsäure und deren Folgeprodukte proinflammatorisch wirkt. Es ist durch die Ernährung direkt beeinflussbar.

So fördert eine arachidonsäurereiche Ernährung Entzündungsprozesse, während durch eine geeignete Ernährungsweise die Biosynthese der Eicosanoide verringert und die Entzündungsvorgänge dadurch gemildert werden können. Die Zufuhr von Omega-3-Fettsäuren ist eine derartige Möglichkeit zur ernährungsmedizinischen Intervention bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, die heute als gesichert gelten kann.

Wichtige Zusammenhänge bestehen auch zwischen Ernährung, Körpergewicht, Stoffwechsel und Osteoporose. Eine geeignete Ernährung kann präventiv gegen Osteoporose wirken, aber auch therapeutisch genutzt werden.

Für die Kinderrheumatologie spielen auch angeborene Nahrungsmittelunverträglichkeiten eine Rolle, während diese in der Erwachsenenmedizin zu häufig ungerechtfertigt unterstellt werden.

In Zukunft wird für die Rheumatologie der Zusammenhang von Ernährung(sgewohnheiten) und kardiovaskulären Risikofaktoren große Bedeutung erlangen.

Die verkürzte Lebenserwartung von Patienten mit systemischem Lupus erythematodes oder rheumatoider Arthritis wird auf die kardiovaskulären Begleiterkrankungen zurückgeführt. Diese entwickeln sich nicht nur auf dem Boden der bekannten Risikofaktoren, sondern entstehen als direkte Folge der entzündungsbedingten endothelialen Dysfunktion und der entzündungsvermittelten Erniedrigung des HDL. Entsprechende ernährungsmedizinische Interventionen gehören damit in die fachrheumatologische Patientenführung.

Die Ernährungsmedizin ist ein integratives und interdisziplinäres Fach, das in jüngster Zeit wesentlich zum Verständnis chronischer Entzündungsprozesse beigetragen hat.

Noch steht die Ernährungsmedizin in der Rheumatologie am Anfang. Die theoretischen Grundlagen sind vorhanden und die Effektivität einzelner Interventionen ist belegt. Der im Herbst 2005 gegründete Arbeitskreis Ernährungsmedizin in der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie trägt dieser Möglichkeit zu einer wissenschaftlichen Diskussion Rechnung.

Die Beiträge des Themenschwerpunktes Ernährungsmedizin in dieser Ausgabe der Aktuellen Rheumatologie geben einen Überblick über den aktuellen Kenntnisstand dieses noch jungen Teilbereiches der Rheumatologie.

Bereits heute ist absehbar, dass die Ernährungsmedizin zukünftig in die interdisziplinäre Behandlung rheumatologischer Patienten integriert und fester Bestandteil einer die Patienten aktiv einbeziehenden Betreuung werden wird.

Prof. Jürgen Wollenhaupt

Abteilung Rheumatologie und klinische Immunologie, Klinikum Eilbek

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