Geburtshilfe Frauenheilkd 2007; 67(7): 721-727
DOI: 10.1055/s-2007-965242
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Geriatrische Onkologie, eine Herausforderung der Zukunft

Geriatric Oncology, a Future ChallengeG. F. Kolb1
  • 1Med. Klinik, Fachbereich Geriatrie mit der Abteilung für physikalische und rehabilitative Medizin, St. Bonifatius-Hospital, Akademisches Lehrkrankenhaus der Med. Hochschule Hannover, Lingen (Ems)
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Publication History

eingereicht 20.2.2006

akzeptiert 22.2.2006

Publication Date:
27 July 2007 (online)

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Zusammenfassung

Demografische Veränderungen und steigende Lebenserwartungen werden zu einer Zunahme der Inzidenz bösartiger Erkrankungen speziell bei den Älteren führen. Innerhalb eines Jahrzehnts wird Krebs damit als die Nr. 1 sowohl Mortalitäts- als auch Letalitätsstatistiken anführen. Im Gegensatz zu ihrer demografischen und damit auch gesundheitsökonomischen Bedeutung spielen alte Tumorpatienten in der Geriatrie aber auch in der klassischen Onkologie eher eine nachgeordnete Rolle. Dies hat verschiedene Ursachen. Wir wissen, dass die Situation des alten Tumorpatienten häufig vergesellschaftet ist mit verschiedensten Problemen, aber auch Fehl- und Vorurteilen. Deshalb werden ältere Tumorpatienten oft nicht adäquat diagnostiziert und behandelt. Ein weitverbreitetes Vorurteil sagt, dass das Altern selbst einen Hauptrisikofaktor der Tumorbehandlung darstellt, assoziiert mit einer hohen Toxizität und einem schlechten therapeutischen Ergebnis. Aufgrund von Metaanalysen wissen wir jedoch, dass das Alter für sich genommen keinen Risikofaktor darstellt, vielmehr sind es die altersassoziierten aber durchaus individuell erheblich unterschiedlich ausgeprägten physiologischen Veränderungen, insbesondere der renalen und hepatobiliären Ausscheidungskapazität, die zu einer Adaptation der Therapie zwingen [[35], [36]]. Ab dem 70., spätestens dem 75. Lebensjahr tritt eine verminderte Reservekapazität und Kompensationsfähigkeit des Knochenmarkes in Erscheinung. Erhöhte Myelotoxizität und Anämie fallen auf und müssen bei toxischen Therapien supportiert werden. Der rechtzeitige Einsatz von hämatopoetischen Wachstumsfaktoren ist deshalb von entscheidender Bedeutung [[6]]. Unter Beachtung dieser Voraussetzungen scheinen die Behandlungsergebnisse alter und jüngerer Tumorpatienten ausgesprochen vergleichbar. Die bedeutende Rolle für die Prognose der alten Krebspatienten spielen Funktionsstatus und die psychosozialen Begleitumstände, in denen sich die Erkrankungen und Behandlungen vollziehen. Zu ihrer Erfassung stehen validierte Assessment-Instrumente zur Verfügung [[18], [19]], die allerdings ein gezieltes Eingreifen und eine effektive Symptomenkontrolle folgen lassen müssen. Ein ebenfalls weit verbreitetes Vorurteil ist auch, dass alte Krebspatienten nicht behandelt werden wollen. Behandlungswunsch und Lebensqualität sind stark von familiären sowie anderen sozialen Primär- und Sekundärbindungen abhängig. Bislang völlig unterentwickelt ist die Zusammenarbeit zwischen Onkologen und Geriatern. Dabei ist bekannt, dass ein interdisziplinäres Training beider Fachgruppen die rechtzeitige Diagnosestellung, die Therapieentscheidung und den Behandlungserfolg nachhaltig beeinflussen [[10]]. Die aktuelle Situation und die Notwendigkeit zu interdisziplinärem Training aber auch zu verstärkter Forschung im Bereich der geriatrischen Onkologie hat dazu geführt, dass eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe „Geriatrische Onkologie“ von Onkologen und Geriatern offiziell beauftragt durch die entsprechenden Wissenschaftlichen Gesellschaften seit Ende 1999 in Deutschland tätig ist [[26], [37]]. In allen Studien, die hinsichtlich älterer Patientinnen (> 70 Jahre) für adjuvante Therapie Stadium II/III kolorektale Karzinome auswertbar waren, konnten keine Unterschiede hinsichtlich klinischem Ergebnis und Überlebensrate in Abhängigkeit vom Alter festgestellt werden. Uneinheitlich wurde lediglich über eine leichte, zumeist nicht relevante gering höhere Schleimhaut- oder Myelotoxizität berichtet. Die Hauptunterschiede im Behandlungsergebnis wurden jedoch durch einen Ausschluss Älterer von der Behandlung bewirkt. Unterrepräsentiert in klinischen Studien aber auch in der Routinebehandlung sind „Ältere“ (bereits ab 55 Jahren und deutlich ausgeprägten > 70 Jahre, extrem ausgeprägt die „Hochaltrigen“ > 80/85 Jahre). Obwohl 61 % der Tumorfälle die in der Gruppe der Älteren (> 65 Jahre) vorkommen, sind nur 32 % dieser Patienten in Chemotherapiestudien repräsentiert [[41]]. Als sicher gilt, dass die Mortalität in der Therapiegruppe unabhängig vom Lebensalter der Patienten günstiger ist [[1]].

Abstract

According to demographic changes frequency of cancer in the old aged will increase and therefore cancer will become the No. 1 cause in letality and mortality within the next decade [[36], [37]]. In contrast to its demographic and economic relevance geriatric oncology neither plays a significant role in geriatrics, nor in oncology. This paradoxical discrepancy may be due to some typical reasons. So we know that the situation of the old cancer patient is frequently accompanied by several problems and misunderstandings as well. Thus, elderly cancer patient are often inadequately diagnosed and treated at all. This is because of a wide spread prejustice that age itself is a risk factor and associated with higher toxicity and low therapeutic outcome. In contrast, several metaanalysis' and few prospective studies have shown that clinical results will not differ from younger individuals when taking into account the specific age related modified organ functions especially of renal and hepatic parameters. Furthermore, several age related compromising changes in motor function, in functional status and social conditions are framing the context of treatment for malignant diseases in elderly patient and do also play a significant role for the prognosis and treatment outcome. Validated geriatric assessment instruments have been developed to identify these specific factors, but the assessment should be followed by systematic interventions and effective symptom control. Supporting patients in their activities of daily living (ADL) and in their motor and cognitive functions is clearly related to success of anticancer treatment in elderly patients. The psychosocial status of elderly cancer patients has a significant influence together with patient's wish of being treated on the base of the individual prognosis and the quality of life during the treatment process. With respect to the overall importance of “Geriatric oncology topics” more research will hopefully be directed into this field in the future. Interdisciplinary training and common understanding is important for diagnosis, therapeutic decision and achieving therapy goals in elderly cancer patients. However, the cooperation between oncology and geriatrics in Germany is still not sufficiently developed. Thus, a transfer of knowledge between geriatric medicine and clinical hematology/oncology is urgently needed and was previously proven to be highly effective [[10]]. The present situation has formed the background to initiate an interdisciplinary working group on “Geriatric Oncology” which has been established by the “German Society of Hematology and Oncology” (DGHO) and the “German Society for Geriatric medicine” (DGG) in 1999.

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