psychoneuro 2007; 33(1/02): 46-47
DOI: 10.1055/s-2007-965867
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Von der akuten Psychose bis zur Erhaltungstherapie - Wirksamkeit ist das A und das O

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Publication Date:
15 March 2007 (online)

 
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Akute Psychosen sind nicht nur extrem belastend für den Betroffenen und seine Angehörigen, sondern auch für den behandelnden Arzt. Er muss in kürzester Zeit entscheiden, was in der jeweiligen Situation am günstigsten ist, welche Diagnose gestellt werden kann. Er muss die entsprechende Medikation auswählen, den Patienten beruhigen, ihn zur Mitarbeit motivieren und jegliche Eskalation der Situation vermeiden.

Erschwerend kommt hinzu, dass bereits in dieser Phase die Weichen für den langfristigen Therapieerfolg gestellt werden. Der Erstkontakt und die medikamentöse Einstellung bestimmen den weiteren Verlauf der Erkrankung und damit auch den langfristigen Therapieerfolg.

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Wirksamkeit ohne Sedierung

"Wir brauchen eine schnell einsetzende Wirkung, die effektiv ist, aber möglichst keine Nebenwirkungen hat. Das gewählte Medikament sollte den Patienten rasch beruhigen, ohne ihn zu sedieren", forderte Prof. Fernando Cañas, Madrid (Spanien), auf einem Satellitensymposium im Rahmen des 19th European College of Neuropsychopharmacology in Paris [1].

Eine Sedierung kann die genaue Diagnosestellung beeinträchtigen, z.B. Negativsymptomatik oder kognitive Defizite vortäuschen. Außerdem kann sie die therapeutische Zusammenarbeit mit dem Patienten gefährden. Viele Patienten lehnen eine Sedierung von sich aus ab. Diese ist auch mit den heutigen Therapieempfehlungen nicht mehr vereinbar. Beruhigung statt Sedierung ist offensichtlich der besser geeignete Weg, schlussfolgerte Cañas. Sollte tatsächlich eine zusätzliche Sedierung erforderlich sein, z.B. zur Nacht, kann dies im Bedarfsfall durch die Gabe von Benzodiazepinen erzielt werden, erklärte Cañas.

Die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Aripiprazol (Abilify®), dem zuletzt eingeführten atypischen Neuroleptikum, konnten bereits in zahlreichen kontrollierten Studien nachgewiesen werden. Dabei zeigte sich eine vergleichbare Wirkung mit Haloperidol (10 mg/d) oder Risperidon (6 mg/d) [2], [3], ohne dass eine starke Sedierung unter Aripiprazol zu erwarten ist. Aripiprazol zeichnet sich durch einen speziellen Wirkmechanismus aus, der das Ungleichgewicht des Dopaminsystems bei schizophrenen Erkrankungen verbessert.

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Wirksamkeit bleibt langfristig erhalten

Die Wirksamkeit von Aripirazol bleibt auch langfristig erhalten. In den Langzeitstudien verbesserte sich die Symptomatik akut erkrankter Patienten (n = 1294) unter Aripiprazol (30 mg/d) im Verlauf von 52 Wochen mindestens genau so effektiv wie unter Haloperidol (10 mg/d) [2]. Der Unterschied war hinsichtlich der Negativsymptomatik und der Depressivität, die anhand der PANSS-Negativskala und Montgomery Åsberg Depression Rating Scale (MADRS) bestimmt wurden, unter Aripiprazol signifikant besser als unter Haloperidol. Dies galt ebenfalls in Betracht auf extrapyramidal-motorische Störungen und Abbruchrate.

Nach einer randomisierten, plazebokontrolllierten Ein-Jahres-Studie von Pigott et al. mit über 300 Patienten erleiden unter Aripiprazol (15 mg/Tag oral) innerhalb von 26 Wochen nur 34 % einen Rückfall, unter Plazebo dagegen 57 % [4].

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Wirksamkeit und Compliance

Ein Hauptproblem der Behandlung ist jedoch die Compliance, wie Dr. Pierre Thomas, Lille (Frankreich), diskutierte. Ist die Akutphase abgeklungen, gewinnen für den Betroffenen andere Faktoren wie körperliche Gesundheit, motorische Beeinträchtigungen, Sedierung, sexuelle Dysfunktionen, Gewichtsveränderungen oder Stoffwechselstörungen an Bedeutung. Ist es für den Patienten zunächst am wichtigsten, möglichst rasch aus dem Krankenhaus wieder entlassen zu werden, stehen langfristig für ihn sein Selbstwertgefühl und seine soziale Integration im Mittelpunkt. Die Behandlungsziele von Patienten, Therapeuten und Angehörigen variieren dabei erheblich. Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit ist daher ein vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis, wobei die Angehörigen in die Therapieentscheidungen möglichst mit einbezogen werden sollten.

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Verträglichkeit

Aber auch Wirksamkeit und Nebenwirkungen der eingesetzten Medikamente sind entscheidend. Beispielsweise können Sedierung oder kognitive Beeinträchtigungen die Krankheitseinsicht erschweren oder zum "Vergessen" der Tabletteneinnahme führen. Nach den bisherigen Daten brechen etwa 50 % bis 70 % der Patienten ihre Behandlung ab, oft bereits kurze Zeit nach ihrer Entlassung aus der Klinik. Moderne Antipsychotika wie Aripiprazol, das sich durch ein gutes Nutzen/Risiko-Profil auszeichnet, führen möglicherweise zu einer besseren Compliance.

Aus diesem Grund untersuchte die so genannte STAR-Studie (The Schizophrenia Trial of Aripiprazole) in einem naturalistischen Setting Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit von Aripiprazol in der ambulanten Langzeitbehandlung im Vergleich zu einer Standardbehandlung (Olanzapin, Risperidon oder Quetiapin). Die insgesamt 555 ambulant behandelten schizophren-erkrankten Patienten hatten in der Vorgeschichte ihre vorherige Medikation nicht vertragen oder mussten aufgrund fehlender Wirksamkeit umgestellt werden. Nonresponder auf Antipsychotika waren ausgeschlossen (d.h. die Patienten mussten in ihrer Vorgeschichte bereits positiv auf ein Antipsychotikum außer Clozapin angesprochen haben). Die Patienten wurden 1:1 randomisiert dann entweder auf Aripiprazol (10 bis 30 mg/d, n = 266) oder je nach ihrer Vorgeschichte auf 5 bis 20 mg/d Olanzapin (n = 71), 100 bis 800 mg/d Quetiapin (n 108) oder 2 bis 8 mg/d Risperidon (n = 75) eingestellt.

Die behandelnden Ärzte bewerteten die jeweilige Medikation anhand des Investigators Assessment Questionnaire (IAQ), der Positiv- und Negativsymptome sowie Nebenwirkungen wie Somnolenz, Gewichtszunahme, Erhöhung der Prolaktinspiegel, Akathisie, extrapyramidal-motorische Symptome, kognitive Beeinträchtigungen, Energieverlust und Stimmung.

Weitere Parameter waren das Vorhandensein eines Metabolischen Syndroms und das Lipidprofil (HDL und LDL). Außerdem kommentierten die Ärzte den Gesamteindruck ihrer Patienten (CGI, Clinical Global Impressions-Improvement) und wie sie die neue Medikation im Vergleich zur vorherigen beurteilten [5].

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Relevante Verbesserungen unter Aripiprazol

Nach 26 Wochen bewerteten die behandelnden Ärzte die Aripiprazolgruppe nach dem IAQ-Score als signifikant besser als die Patienten unter der Standardtherapie (Abb. [1]). Dieses Ergebnis zeigte sich auch im klinischen Gesamteindruck CGI (Abb. [2]). Der Anteil der Patienten, die sich durch die Umstellung "sehr viel verbessert" bzw. "viel verbessert" hatten, lag in der Aripiprazolgruppe signifikant höher als in der Standardgruppe (44 % vs. 34 %). Die Patienten in der Aripiprazolgruppe hatten in den 26 Wochen durchschnittlich 1,3 kg an Gewicht verloren, während die Standardtherapiegruppe rund zwei Kilo zunahm.

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Abb. 1 Besseres Outcome unter Aripiprazol

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Abb. 2 Besserer klinischer Gesamteindruck

LDL, Triglyzeride und Gesamtcholesterin nahmen unter Aripiprazol signifikant ab im Vergleich zur Standardgruppe.

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Kardiovaskuläres Risiko berücksichtigen

Ungesunde Ernährung, Rauchen, Alkohol, mangelnde Bewegung, geringe Gesundheitsvorsorge, aber auch Psychopharmaka, die zu Gewichts- und Lipidanstiegen führen, tragen zu einem im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung etwa zwei- bis dreifachem Mortalitätsrisiko bei. Bei der Therapieentscheidung sollten daher diese Risikofaktoren verstärkt beachtet werden. Darüber hinaus wird auch die Lebensqualität der Patienten durch Gewichtszunahme stark beeinträchtigt, betonte Prof. Andrea Fagiolini, Pittsburgh (USA) (Abb. [3]).

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Abb. 3 Lebensqualität nimmt zu

Nach den bisher vorliegenden Studien ist unter Aripiprazol keine klinisch relevante Gewichtszunahme zu erwarten.

KW

Dieser Beitrag entstand mit freundlicher Unterstützung von Bristol-Myers-Squibb und Otsuka Pharma GmbH.

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Quellen

  • 01 Satellitensymposium "From Acute to Long-term: Effectiveness is a Moving Target" am 18. September 2006 in Paris. 
  • 02 Kasper S . Lerman MN . MCQuade RD . Saha A . Carson WH . Ali M . Archibald D . Ingenito G . Marcus R . Pigott T . Efficacy and safety of aripiprazole vs. haloperidol for long-term maintenance treatment following acute relapse of schizophrenia.  Int J Neuropsychopharmacol. 2005;  8(1) 131
  • 03 Potkin SG . Saha AR . Kujawa MJ . Carson WH . Ali M . Stock E . Stringfellow J . Ingenito G . Marder SR . Aripiprazole, an antipsychotic with a novel mechanism of action, and risperidone vs placebo in patients with schizophrenia and schizoaffective disorder.  Arch Gen Psychiatry. 2003;  60(7) 681-90
  • 04 Pigott TA . Carson WH . Saha AR . et al . For the aripiprazole study group. Aripiprazol patients with chronic schizophrenie: a placebo-controlled 26-week study.  J Clin Psychiatry. 2003;  64 1048-1056
  • 05 Kerwin R . Hanssens L . McQuade R . et al . Effectiveness of aripiprazole versus standard of care treatment in patients with schizophrenia: the schizophrenia trial of aripiprazole (STAR) study. Poster präsentiert auf dem 19th ECNP Congress Paris, 2006. 
  • 06 Corey-Lisle PK, Kolotkin R, Crosby R, L'Italien GJ, for the STAR study group. Changes in weight and weight-related quality of life in aripiprazole versus standard-of-care treatment. Poster präsentiert auf dem 14th European Congress of Psychiatry (AEP), 2006. 
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Quellen

  • 01 Satellitensymposium "From Acute to Long-term: Effectiveness is a Moving Target" am 18. September 2006 in Paris. 
  • 02 Kasper S . Lerman MN . MCQuade RD . Saha A . Carson WH . Ali M . Archibald D . Ingenito G . Marcus R . Pigott T . Efficacy and safety of aripiprazole vs. haloperidol for long-term maintenance treatment following acute relapse of schizophrenia.  Int J Neuropsychopharmacol. 2005;  8(1) 131
  • 03 Potkin SG . Saha AR . Kujawa MJ . Carson WH . Ali M . Stock E . Stringfellow J . Ingenito G . Marder SR . Aripiprazole, an antipsychotic with a novel mechanism of action, and risperidone vs placebo in patients with schizophrenia and schizoaffective disorder.  Arch Gen Psychiatry. 2003;  60(7) 681-90
  • 04 Pigott TA . Carson WH . Saha AR . et al . For the aripiprazole study group. Aripiprazol patients with chronic schizophrenie: a placebo-controlled 26-week study.  J Clin Psychiatry. 2003;  64 1048-1056
  • 05 Kerwin R . Hanssens L . McQuade R . et al . Effectiveness of aripiprazole versus standard of care treatment in patients with schizophrenia: the schizophrenia trial of aripiprazole (STAR) study. Poster präsentiert auf dem 19th ECNP Congress Paris, 2006. 
  • 06 Corey-Lisle PK, Kolotkin R, Crosby R, L'Italien GJ, for the STAR study group. Changes in weight and weight-related quality of life in aripiprazole versus standard-of-care treatment. Poster präsentiert auf dem 14th European Congress of Psychiatry (AEP), 2006. 
 
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Abb. 1 Besseres Outcome unter Aripiprazol

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Abb. 2 Besserer klinischer Gesamteindruck

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Abb. 3 Lebensqualität nimmt zu